Türkei

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Re: Türkei

Beitragvon maxikatze » Do 23. Apr 2015, 08:27

AlexRE hat geschrieben:
maxikatze hat geschrieben:Die Türken drücken sich davor, dass Kind beim Namen zu nennen, um nicht mit Entschädigungsforderungen konfrontiert zu werden. Das Verhalten erinnert mich an die deutsche Regierung, die sich ebenfalls weigert, in Sachen Reparationen überhaupt Gespräche aufzunehmen. Stichwort Griechenland - dasselbe in Grün.


Deutschland hat sich vor Reparationen gedrückt, aber nicht vor Schadensersatzleistungen an die Hinterbliebenen der Opfer des deutschen Völkermords. Ich glaube nicht, dass das "dasselbe in Grün" ist. Reparationen könnte nach den Kriegen der letzten Jahrhunderte praktisch jeder von jedem fordern. Sich der Verantwortung für einen Völkermord zu stellen, ist ein ganz anderes Paar Schuhe.


Die Aussage ähnelt dem Bürokraten, der hinter dem Schreibtisch sitzt und krampfhaft nach Ausreden sucht, um nichts zahlen zu müssen. Im Studio der "Anstalt" saß ein Opfer, der nie eine Entschädigung bekommen hat
Ab Min 41.35:
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Re: Türkei

Beitragvon Quer » Do 23. Apr 2015, 14:06

Klar, es geht auch hier - wie immer - nur um Geld. Moral? Ethik? Menschenrechte? Verantwortung? Übertreiben muss man's auch nicht gleich. [Sarkasmus aus]
Grüße, Quer
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Re: Türkei

Beitragvon AlexRE » Do 23. Apr 2015, 14:10

maxikatze hat geschrieben:Die Aussage ähnelt dem Bürokraten, der hinter dem Schreibtisch sitzt und krampfhaft nach Ausreden sucht, um nichts zahlen zu müssen.


Ausrede? Im Gegensatz zur Türkei hat Deutschland sehr hohe Entschädigungsleistungen für die Überlebenden des Völkermords erbracht. Ich habe nur geschrieben, dass Reparationen ein ganz anderes Thema seien und dass die praktisch jeder von jedem verlangen könnte. Mich deshalb mit Schreibtischtätern zu vergleichen, ist schon ein starkes Stück. Genau genommen ist das überhaupt keine Diskussion, sondern Diffamieren von Menschen zum Zwecke des Rechthabens um jeden Preis.

Übrigens müssten neben den nach dem Krieg geborenen Deutschen auch Einwanderer und deren Nachkommen über ihre Steuerpflicht in Deutschland Reparationen an Griechenland zahlen, darunter türkische Einwanderer und deren Nachkommen, deren Familien teilweise in der Endphase des osmanischen Reiches und kurz danach unter griechischen Kriegsverbrechen gelitten hatten. Das Geld würde natürlich entsprechend der griechischen Reichtumsverteilung in die Taschen der Eliten fließen, die im 2. Weltkrieg zu den Tätern und nicht zu den Opfern gehörten, siehe die griechische Vorteilsnahme an den Verbrechen gegen die Juden von Saloniki.
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Re: Türkei

Beitragvon AlexRE » Do 23. Apr 2015, 22:04

Das gibt Ärger zwischen Deutschland und der Türkei ...

Gedenk-Gottesdienst: Gauck spricht klar von Völkermord an den Armeniern

(...)

Der Völkermord an den Armeniern diente auch als Vorbild für die Vernichtungspläne der Nazis. Der Bundespräsident erinnerte an den Einsatzbefehl vom 22. August 1939, den Adolf Hitler seinen Oberbefehlshabern vor dem Überfall auf Polen erklärte. Er habe dabei angewiesen, "mitleidlos Mann, Weib und Kind polnischer Abstammung und Sprache in den Tod zu schicken" und in Erwartung eines kollektiven Desinteresses mit der rhetorisch gemeinten Frage geschlossen: "Wer redet heute noch von der Vernichtung der Armenier?"

(...)


http://www.spiegel.de/politik/deutschland/armenier-joachim-gauck-spricht-klar-von-voelkermord-a-1030261.html

Hitlers Bemerkung zu dem Völkermord an den Armeniern ist meines Wissens historisch nicht klar belegt ...

Wie auch immer - anscheinend wird die Türkei als wirtschaftlich und strategisch nicht mehr besonders wichtig angesehen, sonst würden Leute wie Gauck weiter Rücksicht auf Erdogan & Co. nehmen.
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Re: Türkei

Beitragvon maxikatze » Fr 24. Apr 2015, 07:57

AlexRE hat geschrieben:
maxikatze hat geschrieben:Die Aussage ähnelt dem Bürokraten, der hinter dem Schreibtisch sitzt und krampfhaft nach Ausreden sucht, um nichts zahlen zu müssen.


Ausrede? Im Gegensatz zur Türkei hat Deutschland sehr hohe Entschädigungsleistungen für die Überlebenden des Völkermords erbracht. Ich habe nur geschrieben, dass Reparationen ein ganz anderes Thema seien und dass die praktisch jeder von jedem verlangen könnte. Mich deshalb mit Schreibtischtätern zu vergleichen, ist schon ein starkes Stück. Genau genommen ist das überhaupt keine Diskussion, sondern Diffamieren von Menschen zum Zwecke des Rechthabens um jeden Preis.

Übrigens müssten neben den nach dem Krieg geborenen Deutschen auch Einwanderer und deren Nachkommen über ihre Steuerpflicht in Deutschland Reparationen an Griechenland zahlen, darunter türkische Einwanderer und deren Nachkommen, deren Familien teilweise in der Endphase des osmanischen Reiches und kurz danach unter griechischen Kriegsverbrechen gelitten hatten. Das Geld würde natürlich entsprechend der griechischen Reichtumsverteilung in die Taschen der Eliten fließen, die im 2. Weltkrieg zu den Tätern und nicht zu den Opfern gehörten, siehe die griechische Vorteilsnahme an den Verbrechen gegen die Juden von Saloniki.


Jetzt komm' bitte wieder runter vom Baum! ;)

Würdest du derart konsequent deine Meinung vertreten, wenn es um Juden ginge, die den Naziterror überstanden und ein Jude vom gleichen erlebten Schicksal erzählen würde, wie der Grieche in der "Anstalt", der auch nach 70 Jahren nichts bekommen hat ? Wärst du dann auch so vehement gegen Wiedergutmachungszahlungen? Sicher nicht. Das hast du ja schon durchblicken lassen.


Es ist meine tiefe Überzeugung, dass gerade denjenigen finanzielle Entschädigungen zustehen, die ganz persönlich vom Naziterror betroffen waren. Das hat absolut nichts damit zu tun, dass die Taschen reicher Leute damit gefüllt werden. Ich erkenne da keinen Zusammenhang.
Und es auch hat nichts mit Recht haben wollen zu tun, sondern mit Anstand, Verantwortung und Anerkennung.

Ob auch die Nachkommen entschädigt werden sollten - dazu habe ich ebenfalls einen klaren Standpunkt: nein.
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Re: Türkei

Beitragvon Sonnenschein+8+ » Fr 24. Apr 2015, 09:13

Quer hat geschrieben:Klar, es geht auch hier - wie immer - nur um Geld. Moral? Ethik? Menschenrechte? Verantwortung? Übertreiben muss man's auch nicht gleich. [Sarkasmus aus]


:lol:
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Re: Türkei

Beitragvon Sonnenschein+8+ » Fr 24. Apr 2015, 09:15

Jetzt komm' bitte wieder runter vom Baum! ;)


ja schon, nicht dass er einen Sonnenbrand sich einfängt :lol:
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Re: Türkei

Beitragvon icke » Fr 24. Apr 2015, 15:02

Auf dem Taksim-Platz fanden vor ein paar Jahren Demos gegen Erdogan statt. Auf diesem Gelände befand sich mehrere Jahrhunderte der größte armenische Friedhof (Pangalti Friedhof) im Nahen Osten. In den 30ern wurde er zerstört und heute stehen dort mehrere Hotels wie das Hilton und der türkische Sender TRT.


Die 14-jährige Arshaluys (Aurora) Mardiganian überlebte den Genozid, musste aber die Ermordung ihrer Familie ansehen. Sie wurde von türkischen Paschas in Harems verschleppt, wiederholt gefoltert und gefangen gehalten wurde, konnte aber fliehen und wurde vom kanadischen Arzt kanadischen Arzt Frederick W. MacCallum gerettet. Ihre Erlebnisse wurden 1919 als Buch und "Kurzfilm" veröffentlicht, in dem Film ist sie auch zu sehen. Der Film wurde von 1918 bis 1919 gedreht und erstmals in London aufgeführt.

der Original-Film von 1919
https://www.youtube.com/watch?v=uTnCaW-Uo_s
http://www.genocide-museum.am/eng/onlin ... tion_6.php

Arshaluys (Aurora) Mardiganian
http://de.wikipedia.org/wiki/Aurora_Mardiganian

der Friedhof
http://en.wikipedia.org/wiki/Pangalt%C4 ... n_Cemetery
http://www.monde-diplomatique.de/pm/201 ... 045.idx,12
http://www.alaturka.info/de/tuerkei/mar ... n-istanbul
Zuletzt geändert von icke am Di 5. Mai 2015, 08:52, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Türkei

Beitragvon Staber » Fr 24. Apr 2015, 15:12

@Alex
Das gibt Ärger zwischen Deutschland und der Türkei ...


Wenn schon!
Klare Linie gegenüber der Türkei fahren, klare Aussagen!Es lohnt sich, die Dinge beim Namen zu nennen, nämlich “Völkermord”. Streit mit den Türken und ihrer faschistischen Regierung kann nur nützlich sein: Dann klären sich die Fronten auf auf anderen Ebenen.Die ARD hatte heute Nacht erst um halb eins Platz, um mit der Doku „Aghet“ an den Völkermord an den Armeniern zu erinnern, für das ZDF findet der Völkermord heute nur kurz vor acht im Nischenkanal ZDFinfo statt. Nach der „Aghet“- Erstausstrahlung 2010 hatte es wütende Proteste von Türken gegeben, die der ARD vorwarfen, mit dieser „gefährlichen“ Doku „durch Verleumdungen Hass gegen das türkische Volk zu schüren“.Ein ungemein beeindruckender Film von Eric Friedler, auf dem New York Film Festival mit der Gold World Medal ausgezeichnet; „Aghet“ heißt auf Armenisch „Katastrophe“:
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Eine Träne zu trocknen ist ehrenvoller als Ströme von Blut zu vergießen.
Lord George Gordon Noel Byron
Gesund bleiben !
Gruß Staber
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Re: Türkei

Beitragvon AlexRE » Fr 24. Apr 2015, 16:32

Eine bemerkenswerte Fußnote zu dem traurigen Thema "Völkermord":

(...)

Völkerrechtliche Aspekte

Für die völkerrechtliche Bewertung der Geschehnisse von 1915/16 als Genozid ist die UN-Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes maßgeblich. Deren Entstehung geht ihrerseits auf diese Ereignisse zurück. Die Attentate, denen zu Beginn 1920er Jahre einige Verantwortliche für die Massaker zum Opfer gefallen waren, machten den polnischen Staatsrechtler Raphael Lemkin auf das Thema aufmerksam. In der Folge entwickelte er den völkerrechtlichen Straftatbestand des Genozids.[171] Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust fertigte Lemkin einen Gesetzentwurf zur Bestrafung dieses Verbrechens an, in dem er den von ihm schon früher geprägten Namen „genocide“ verwendete.[172]

(...)


http://de.wikipedia.org/wiki/V%C3%B6lkermord_an_den_Armeniern


Das Verbrechen an den Armeniern war nicht der erste Völkermord. Eine Besonderheit waren aber einige spektakuläre Akte von Selbstjustiz, u. a. in Berlin:

http://www.wdr2.de/kultur/buecher/tagedernemesis100.html

http://www.eslam.de/begriffe/s/schakir_bahattin.htm

Wenn Menschen sich Unrecht nicht gefallen lassen, scheint sich das doch belebend auf die Entwicklung des Rechts auszuwirken. Im Umkehrschluss hieße das allerdings, dass Duldsamkeit gegenüber dem Unrecht zur Degeneration des Rechts führen muss.
Der Stuttgarter OB Rommel:

Ich trete überall, wo das notwendig ist, der Meinung entgegen, der Umstand, dass die Diktatur zu allem fähig war, berechtige dazu, die Demokratie zu allem unfähig zu machen.
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