Dem stimme ich im Grundsatz zu. Ausgeprägten Volksentscheiden ist allerdings eine gravierende Problematik immanent, die sehr leicht nach hinten losgehen kann: Bei Volksentscheiden kommt noch stärker als bei normalen Wahlen zum Tragen, dass in der Gesamtbevölkerung letztlich immer der eher unterdurchschnittliche Bildungsstand zahlenmäßig überwiegt. Daraus folgt, dass den Leuten doch wieder alles erklärt werden muss und führt damit direkt zum zweiten Hauptproblem der Problematik, nämlich dem der leichten Beeinflussung der Massen. Daher kann die Lösung nur lauten: Volksentscheide ja, aber in wohlbedachter Dosierung und nur begrenztem Umfang oder nur zu bestimmten Fragen. Auch das hätte vergrößerte, direkte Mitbestimmung zur Folge aber unter Begrenzung der möglichen negativen Folgen.AlexRE hat geschrieben:Leider kommt hier ein ganz wichtiger Punkt nicht zur Sprache: Volksabstimmungen sind ein geeignetes Korrektiv für Zersetzungserscheinungen am Demokratieprinzip insgesamt. Wenn die sog. Volksparteien in Deutschland über einen längeren Zeitraum hinweg das Gegenteil von dem tun, was ihre typischen Wähler erwarten und durch ihre Wahlentscheidung erreichen wollen (Agenda 2010 bei der SPD und Grenzöffnung bei der CDU), sehen sie sich von jeder demokratischen Mitbestimmungsmöglichkeit abgeschnitten und wählen aus Protest die Parteien an den politischen Rändern. Die großen Parteien würden also im Endeffekt durch die Einführung von Volksabstimmungen ihre eigene Position sichern, weil sich das als gesunde freiwillige Selbstkontrolle auswirken würde. Das haben die in Deutschland regierenden politischen Mittelmäßigen nur noch nicht kapiert, deshalb geht es mit den großen Parteien weiter bergab.Excubitor hat geschrieben:... mit dem Schweizer Experten für Direkte Demokratie, Claude Longchamp,
GMX Magazine Politik - "Wie sich Volksentscheide auf die Demokratie in Deutschland auswirken können"
https://www.gmx.net/magazine/politik/vo ... n-33576860
Deutschland, quo vadis?
Re: "Das System hat sich überlebt" - Ein Interview ...
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Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren. (Berthold Brecht)
Re: Deutschland, quo vadis?
Das ist grundsätzlich ganz falsch, dass die Dummen überwiegend bei Volksabstimmungen gewinnen, wenn ich dich richtig verstandenen habe.Dem stimme ich im Grundsatz zu. Ausgeprägten Volksentscheiden ist allerdings eine gravierende Problematik immanent, die sehr leicht nach hinten losgehen kann: Bei Volksentscheiden kommt noch stärker als bei normalen Wahlen zum Tragen, dass in der Gesamtbevölkerung letztlich immer der eher unterdurchschnittliche Bildungsstand zahlenmäßig überwiegt. Daraus folgt, dass den Leuten doch wieder alles erklärt werden muss und führt damit direkt zum zweiten Hauptproblem der Problematik, nämlich dem der leichten Beeinflussung der Massen. Daher kann die Lösung nur lauten: Volksentscheide ja, aber in wohlbedachter Dosierung und nur begrenztem Umfang oder nur zu bestimmten Fragen. Auch das hätte vergrößerte, direkte Mitbestimmung zur Folge aber unter Begrenzung der möglichen negativen Folgen.
Viele Leute würden bereitwillig zugeben, dass sie sich langweilen; aber kaum einer würde zugeben, dass er langweilig ist.
Erich Fromm
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Re: Deutschland, quo vadis?
Selbst wenn das so wäre: Für politische Fehlentscheidungen bezahlt immer die Mehrheit der Menschen und aus Schaden wird man klug. Wenn kleine Minderheiten entscheiden, gibt es solche Lernprozesse nicht, weil die Verantwortlichen niemals für ihre Fehler einstehen müssen. Das hat einen viel größeren Einfluss auf die Qualität politischer Entscheidungen als die vermeintlichen Wissensdefizite der Mehrheitsbevölkerung.Das ist grundsätzlich ganz falsch, dass die Dummen überwiegend bei Volksabstimmungen gewinnen, wenn ich dich richtig verstandenen habe.
Der Stuttgarter OB Rommel:
Ich trete überall, wo das notwendig ist, der Meinung entgegen, der Umstand, dass die Diktatur zu allem fähig war, berechtige dazu, die Demokratie zu allem unfähig zu machen.
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Re: Deutschland, quo vadis?
Fehlentscheidungen? Stehen denn in Europa die Abgeordneten und Parlamentarier dafür gerade wenn sie ihre Fehlentscheidungen treffen? siehe Einwanderung 2015. Bis heute kann man in der Schweiz kaum von Fehlentscheidungen sprechen bei Abstimmungen. Aber was der Bauer nicht kennt das frisst er nicht, das ist doch das Problem.AlexRE hat geschrieben:Selbst wenn das so wäre: Für politische Fehlentscheidungen bezahlt immer die Mehrheit der Menschen und aus Schaden wird man klug. Wenn kleine Minderheiten entscheiden, gibt es solche Lernprozesse nicht, weil die Verantwortlichen niemals für ihre Fehler einstehen müssen. Das hat einen viel größeren Einfluss auf die Qualität politischer Entscheidungen als die vermeintlichen Wissensdefizite der Mehrheitsbevölkerung.Das ist grundsätzlich ganz falsch, dass die Dummen überwiegend bei Volksabstimmungen gewinnen, wenn ich dich richtig verstandenen habe.
Viele Leute würden bereitwillig zugeben, dass sie sich langweilen; aber kaum einer würde zugeben, dass er langweilig ist.
Erich Fromm
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Re: Deutschland, quo vadis?
Das habe ich doch geschrieben: Aus Schaden wird man klug. Die Schweizer haben lange genug die direkte Demokratie, um damit umgehen zu können.Bis heute kann man in der Schweiz kaum von Fehlentscheidungen sprechen bei Abstimmungen.
Der Stuttgarter OB Rommel:
Ich trete überall, wo das notwendig ist, der Meinung entgegen, der Umstand, dass die Diktatur zu allem fähig war, berechtige dazu, die Demokratie zu allem unfähig zu machen.
Ich trete überall, wo das notwendig ist, der Meinung entgegen, der Umstand, dass die Diktatur zu allem fähig war, berechtige dazu, die Demokratie zu allem unfähig zu machen.
Re: Deutschland, quo vadis?
In der Schweiz scheint das Ganze, zumindest in erträglichem Maß zu funktionieren, wofür die Gründe noch zu eruieren und zu evaluieren wären. Das könnte auch mit der geringen Bevölkerungszahl zusammenhängen.AlexRE hat geschrieben:Das habe ich doch geschrieben: Aus Schaden wird man klug. Die Schweizer haben lange genug die direkte Demokratie, um damit umgehen zu können.Bis heute kann man in der Schweiz kaum von Fehlentscheidungen sprechen bei Abstimmungen.
Gerade Deutschland allerdings bietet den besten Beleg dafür dass man aus Schaden eben nicht klug wird. Beispielsweise werden immer wieder die Parteien gewählt, die den größten faktischen und politischen Schaden angerichtet haben. Damit ist eindeutig belegt dass diese Argumentation völlig fehl geht.
Das Argument, dass sich die weniger Intelligenten zahlenmäßig immer in der Mehrheit befinden und leichter beeinflussbar sind als die Minderheit derjenigen, die komplexe Sachverhalte von vornherein unbeeinflusst zu verstehen in der Lage sind ist faktisch gar nicht widerlegbar.
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Re: Deutschland, quo vadis?
Das ist ein Äpfel / Birnen - Vergleich. Entscheidungen in einer Sache zu treffen, ermöglicht das Lernen aus Fehlentscheidungen, während die Wahl des kleinsten Übels aus mehreren Parteien reine Glückssache ist. Wer heute noch das kleinere Übel repräsentiert, kann morgen zum größten Übel mutieren. Das hängt von den Parteibuchapparatschiks ab und nicht von den Wählern.Excubitor hat geschrieben:Gerade Deutschland allerdings bietet den besten Beleg dafür dass man aus Schaden eben nicht klug wird. Beispielsweise werden immer wieder die Parteien gewählt, die den größten faktischen und politischen Schaden angerichtet haben. Damit ist eindeutig belegt dass diese Argumentation völlig fehl geht.[/color]
Der Stuttgarter OB Rommel:
Ich trete überall, wo das notwendig ist, der Meinung entgegen, der Umstand, dass die Diktatur zu allem fähig war, berechtige dazu, die Demokratie zu allem unfähig zu machen.
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Re: Deutschland, quo vadis?
Das ist zwar kein Äpfel/Birnen-Vergleich, aber die Kritik ist begrenzt nachvollziehbar. Jedoch lässt die reine Eröffnung der Möglichkeit aus irgendwelchen Fehlentscheidungen zu lernen nicht den Schluss zu, dass dann tatsächlich auch aus Fehlern gelernt wird, wie wir aus allen möglichen Lebensbereichen wissen. Im Gegenteil kommt es häufig zu dem Phänomen, dass man denselben Fehler wiederholt, obwohl man um die negativen Folgen weiß ...AlexRE hat geschrieben:Das ist ein Äpfel / Birnen - Vergleich. Entscheidungen in einer Sache zu treffen, ermöglicht das Lernen aus Fehlentscheidungen, während die Wahl des kleinsten Übels aus mehreren Parteien reine Glückssache ist. Wer heute noch das kleinere Übel repräsentiert, kann morgen zum größten Übel mutieren. Das hängt von den Parteibuchapparatschiks ab und nicht von den Wählern.Excubitor hat geschrieben:Gerade Deutschland allerdings bietet den besten Beleg dafür dass man aus Schaden eben nicht klug wird. Beispielsweise werden immer wieder die Parteien gewählt, die den größten faktischen und politischen Schaden angerichtet haben. Damit ist eindeutig belegt dass diese Argumentation völlig fehl geht.[/color]
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Re: Deutschland, quo vadis?
Jedenfalls zeigt die Erfahrung, dass um so weniger schwere Fehler gemacht werden, je besser Demokratien funktionieren. Auch die angeblich dumme Masse fügt sich nicht selbst immer wieder denselben Schaden zu, während kleine herrschende Cliquen dies durchaus absichtlich tun können, weil sie selbst nur Vorteile vom Schaden des Volkes haben.Excubitor hat geschrieben:Das ist zwar kein Äpfel/Birnen-Vergleich, aber die Kritik ist begrenzt nachvollziehbar. Jedoch lässt die reine Eröffnung der Möglichkeit aus irgendwelchen Fehlentscheidungen zu lernen nicht den Schluss zu, dass dann tatsächlich auch aus Fehlern gelernt wird, wie wir aus allen möglichen Lebensbereichen wissen. Im Gegenteil kommt es häufig zu dem Phänomen, dass man denselben Fehler wiederholt, obwohl man um die negativen Folgen weiß ...AlexRE hat geschrieben:Das ist ein Äpfel / Birnen - Vergleich. Entscheidungen in einer Sache zu treffen, ermöglicht das Lernen aus Fehlentscheidungen, während die Wahl des kleinsten Übels aus mehreren Parteien reine Glückssache ist. Wer heute noch das kleinere Übel repräsentiert, kann morgen zum größten Übel mutieren. Das hängt von den Parteibuchapparatschiks ab und nicht von den Wählern.Excubitor hat geschrieben:Gerade Deutschland allerdings bietet den besten Beleg dafür dass man aus Schaden eben nicht klug wird. Beispielsweise werden immer wieder die Parteien gewählt, die den größten faktischen und politischen Schaden angerichtet haben. Damit ist eindeutig belegt dass diese Argumentation völlig fehl geht.[/color]
Der Stuttgarter OB Rommel:
Ich trete überall, wo das notwendig ist, der Meinung entgegen, der Umstand, dass die Diktatur zu allem fähig war, berechtige dazu, die Demokratie zu allem unfähig zu machen.
Ich trete überall, wo das notwendig ist, der Meinung entgegen, der Umstand, dass die Diktatur zu allem fähig war, berechtige dazu, die Demokratie zu allem unfähig zu machen.
Re: Deutschland, quo vadis?
Warum hast du so eine negative Meinung für Abstimmungen durch das Volk? Das wundert mich schon etwas. Die Bevölkerungszahl spielt hier gar keine Rolle. Als dieses Wahlrecht eingeführt wurde, gab es noch viel weniger Bewohner in der Schweiz. Die Versammlungsdemokratie in der Schweiz hat ihre Wurzeln in den Korporationen des Mittelalters, die Abstimmungsdemokratie im 19. Jahrhundert. Letztere wurde in den meisten Kantonen in den 1860er- bis 1880er-Jahren etabliert, und auch beim Bund setzte sie sich ab 1874 durch.In der Schweiz scheint das Ganze, zumindest in erträglichem Maß zu funktionieren, wofür die Gründe noch zu eruieren und zu evaluieren wären. Das könnte auch mit der geringen Bevölkerungszahl zusammenhängen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Politisch ... er_SchweizDie direkte Demokratie: Durch die Volksinitiative und das Referendum können die Bürger sowohl auf die Tätigkeit der Gemeindebehörden, der Kantonsparlamente und des Bundesparlaments wie auch über die Parlamente hinweg direkten Einfluss auf die Regierungstätigkeit nehmen. Zudem gilt der Grundsatz, möglichst alle Teile der Bevölkerung in den politischen Prozess mit einzubeziehen und angemessen zu berücksichtigen, was durch die Konkordanzregierung, das Kollegialitätsprinzip, das Verfahren der Vernehmlassung und das Milizsystem verwirklicht wird.
Die Gründe für dieses «genossenschaftliche» Staatsverständnis liegen vor allem in der Entstehung, Zusammensetzung und Entwicklung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der schweizerischen «Nation», die oft als Willensnation bezeichnet wird: Das Land ist weder ethnisch noch sprachlich, noch kulturell oder konfessionell eine Einheit, sondern versteht sich als ein aus dem freien Willen ihrer Bürger zusammengeschlossenes Gemeinwesen. Berücksichtigt wird die Tradition der alten Schweiz vor 1848 als heterogenes Bündnis unabhängiger Kleinrepubliken, der Vorläufer der heutigen Kantone, die deshalb auch als «Stände» (vgl. «Ständerat», «Standesweibel») und «Staaten» (vgl. «Staat Bern», «Staatsschreiber», «Staatskanzlei», «Staatsrat», «Staatssteuer») bezeichnet werden.
Die Schweizer Politik hat ihre eigene Terminologie: Häufig gebrauchte Ausdrücke mit einem spezifischen Schweizer Bedeutungsgehalt sind neben den bereits genannten die Interpellation, die Kommission, die Motion, die Petition, das Postulat, die Subsidiarität und der Urnengang.
Grundlage bildet, neben den kantonalen Verfassungen, die Schweizerische Bundesverfassung, die 1848 die moderne Schweiz begründete und seither ständig überarbeitet sowie 1874 und 1999 vollständig erneuert wurde.
Hauptartikel: Wahlbeteiligung > Schweiz
An Abstimmungen und Wahlen nehmen in der Schweiz im langjährigen Durchschnitt rund 45 Prozent der Stimmberechtigten pro Abstimmung teil, was im internationalen Vergleich an sich gering wäre. Allerdings müsste man Gleiches mit Gleichem vergleichen – einmal in vier, fünf Jahren Wahlen und viermal jährlich, notabene verbindliche, Abstimmungen zu, im gleichen Termin, mehreren Themen. Und genau hier «hinken» oberflächliche Vergleiche, in denen die politische Beteiligung in der Schweiz massiv unterschätzt wird. So nehmen 75 Prozent der Stimmberechtigten an mindestens einem von sieben Urnengängen teil. Politologische Untersuchungen zeigen weiter, dass rund 25 Prozent der Stimmberechtigten an allen Wahlen und Abstimmungen teilnehmen, 20 Prozent an keinen, und 55 Prozent unregelmässig.[6]
Viele Leute würden bereitwillig zugeben, dass sie sich langweilen; aber kaum einer würde zugeben, dass er langweilig ist.
Erich Fromm
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