An den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages

Gibt es Gründe, das derzeitige Wahlrecht zu überdenken?

An den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages

Beitragvon maxikatze » Mi 22. Jul 2009, 08:17

Am 29.06.09 habe ich einen Text an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestag mit folgendem Wortlaut gerichtet :

Der Deutsche Bundestag möge beschliessen.........
dass die Reihenfolge der Kandidaten auf Wahllisten nach der Zahl der gleichzeitig abgegebenen Erststimmen geordnet wird und somit von den Bürgern bestimmt wird, die eine Partei wählen und nicht von den Parteivorständen. Damit wird gewährleistet, dass, wer viele Erststimmen hat, zumindest über die Liste ins Parlament einzieht.



Meine schriftliche Begründung dazu:

Damit die Damen und Herren des hohen Hauses sich in der Politik bewegen und die Interessen der Bürger durchsetzen und Lobbyismus weitgehend ausgeschlossen werden kann. Da es in jedem Wahlkreis eine Liste gibt, bestimmt somit nur das Volk, wer ins Parlament zieht. Die Abgeordneten, die bei sich zu Hause,den höchsten Prozentsatz erreicht haben, werden entsandt.
Die Unabhängigkeit des Abgeordneten nach Artikel 38 soll so geschützt werden.

* * *

Am 21.07.09 erreichte mich eine schriftliche Stellungnahme des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages :

Sehr geehrte Frau Heymann,
für Ihr Schreiben danke ich Ihnen.
Von einer Veröffentlichung Ihrer Eingabe wird abgesehen.
Zur Aufstellung der Kandidatenlisten hat sich das Bundesministerium des Innern (BMI) aufgrund einer ähnlichen Eingabe geäussert. Eine Kopie der Stellungnahme füge ich zu Ihrer Kenntnis bei.

Die Ausführungen sind nach Auffassung des Ausschussdienstes des Petitionsausschusses nicht zu beanstanden.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen gedient zu haben.
Mit freundlichen Grüssen
Im Auftrag
A.Gründler
* * *
Hier die Begründung :

Der Petent regt an,das Wahlrecht zu ändern, weil die Spitzenkandidaten einer Partei häufig auch dann in den Bundestag einziehen, wenn sie ihren Wahlkreis nicht gewonnen haben, da sie über Landeslisten der Parteien abgesichert sind. Dies entspräche nicht dem Wählerwillen.

Dem Begehr des Petenten kann nicht abgeholfen werden, denn ein gesetzliches Verbot, Wahlkreisbewerber zugleich auch auf der Landesliste aufzustellen, wäre verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen.

Den Parteien ist in Artikel 21 Abs.1 Satz 1 Grundgesetz die verfassungsrechtliche Aufgabe zugewiesen, bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Diese Aufgabe nehmen sie auch durch die Aufstellung von Wahlbewerbern wahr. ( § 1 Abs.2 Parteiengesetz - ParteiG )

Parteien werden in Artikel 21 Abs.1 GG durch verschiedene Garantien verfassungsrechtlich abgesichert ; dazu zählt auch die Parteienfreiheit gem. Art. 21 Abs. 1 Satz 2 GG. Diese besagt, dass der demokratische Prozess der Willensbildung frei von staatlicher Gängelung sein muss, damit Parteien ihren Funktionen gerecht werden und zur Legitimation der Staatsgewalt beitragen können. Ein Aspekt der Parteienfreiheit, also die Freiheit, Parteiangelegenheiten durch eigene Organe frei von ungerechtfertigtem staatlichem Einfluss selbst zu bestimmen. ( Morlok in Dreier, GG-Kommentar, Band II 2006, Art. 21, Rn 59 )

Diese Organisationsfreiheit wird verfassungsrechtlich durch Art. 21 Abs.1 Satz 3 GG begrenzt, der besagt, dass die innere Ordnung der Parteien demokratischen Grundsätzen entsprechen muss. In Konkretisierung dessen wird die Aufstellung von Wahlbewerbern durch § 17 ParteiG in Verbindung mit §§ 21 Abs.1 Satz 1 bzw 27 Abs.5 Bundeswahlgesetz (BWG) geregelt. Die genannten Normen legen fest, dass die Parteien durch Mitgliederversammlungen bzw Vertreterversammlungen über die Aufstellung der Wahlkreis- und Landeslistenbewerber entschieden. Sie gewährleisten damit, dass das Demokratieprinzip auf den innerparteilichen Vorgang der Bewerberaufstellung erstreckt wird.

Eine weitergehende gesetzliche Regelung, die bestimmt, dass ein Wahlkreisbewerber nicht zugleich auf einer Landesliste kandidieren darf, existiert nicht. Sie wäre auch im Hinblick auf die Organisationsfreiheit der Parteien aus Art. 21 Abs. 1 Satz 2 GG nicht zu rechtfertigen. Es gibt keinen legitimen Zweck, der es erfordern würde, einem Wahlkreisbewerber zu verbieten, zugleich auch auf der Landesliste zu kandidieren, da weder personelle Überschneidungen noch andere , für eine Wahl negative Auswirkungen zu befürchten sind. Dahingehende gesetzliche Regelungen würden demzufolge in ungerechtfertigter Weise die Organisationsfreiheit der Parteien einschränken und wären verfassungswidrig.

Eine Begrenzung der Kandidatur eines Wahlbewerbers entweder auf einen Wahlkreis oder auf eine Landesliste würde auch in die Freiheit des einzelnen Wahlbewerbers eingreifen, dessen innerparteiliche Betätigung ebenfallls über Art. 21 Abs. 1 Satz 2 GG geschützt ist. Sie wäre ebenfalls nicht zu rechtfertigen, da es - wie dargestellt - bereits an einem legitimen Regelungszweck mangelt.

Im Übrigen ist festzuhalten, dass auch die Listenbewerber "gewählt" sind. Denn gem. § 4 BWG stehen jedem Wähler 2 Stimmen zur Verfügung : Eine, mit der der Direktkandidat eines Wahlkreises gewählt wird (Erststimme) und eine zweite, mit der über die Landeslistenbewerber einer Partei abgestimmt wird. (Zweitstimme) Die gewählten Listenbewerber sind genauso demokratisch legitimiert wie die gewählten Direktkandidaten.

Im Auftrag
bgl.
von Knobloch
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Re: An den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages

Beitragvon AlexRE » Mi 22. Jul 2009, 13:42

maxikatze hat geschrieben:Es gibt keinen legitimen Zweck, der es erfordern würde, einem Wahlkreisbewerber zu verbieten, zugleich auch auf der Landesliste zu kandidieren, da weder personelle Überschneidungen noch andere , für eine Wahl negative Auswirkungen zu befürchten sind. Dahingehende gesetzliche Regelungen würden demzufolge in ungerechtfertigter Weise die Organisationsfreiheit der Parteien einschränken und wären verfassungswidrig.


Ich würde mal sagen: Thema verfehlt, Frau von Knobloch. Erstens würde nach der Zielsetzung der zurückgewiesenen Petition keinem Kandidaten verboten, auch auf einer Landesliste zu kandidieren und zweitens gibt es sehr wohl einen legitimen Zweck, zumindest die Prioritätenfolge der Zuweisung von Mandaten an die Inhaber von Listenplätzen nach dem Wählerzuspruch vor Ort zu bestimmen, sogar zwei legitime Zwecke: Artikel 20 Abs. 2 GG und Artikel 38 GG, Demokratieprinzip und Unabhängigkeit von Abgeordneten. Beides wird dadurch beschädigt, dass nicht die Wähler, sondern die Vorstände von Parteien bestimmen, wer gute und wer schlechte Chancen hat, ins Parlament einzuziehen.
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Re: An den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages

Beitragvon maxikatze » Fr 24. Jul 2009, 11:57

Ich kopiere mal den Beitrag von PeterS aus dem Schwesterforum :

Guter Versuch Uta.
Aber abzusehen, daß man nicht gewillt ist dem Volk Volkes Stimme zu gewähren.

Ich habe heute ein Wahlplakat der Grünen gesehen. Eine Dame abgebildet mit dem Hinweis : 9 Angestellte, 1 Steuernummer, 0 Wahlrecht.
Ich kann mich schwach daran erinnern, daß ab 1998 unter einem Gazpromchef diese Partei eine große Möglichkeit gehabt hat die Werbetrommel im Heavy-Metal-Stil zu schlagen, damits auch jeder hört.
Hätte zwar nichts genutzt aufgrund der Sperrsicherheit der Union, aber albern finde ich es schon, heute damit Wählerstimmen ergattern zu wollen.

Ich bin mal auf die Kommunalwahlen Ende August bei uns gespannt. Nach der Stimmungslage aller von mir dazu gefragten Leute wird es für die etablierten Parteien eine Klatsche geben.
Vielleicht ist es auch nur Gerede der Befragten, vielleicht trauen sie sich auch nicht den Nichtetablierten ihre Stimme zu geben, weil : ett is noch ever jut jejange.

______________

Wehrt Euch, wenn nicht jetzt, wann dann?
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Re: An den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages

Beitragvon maxikatze » Fr 24. Jul 2009, 11:59

Ebenso den Beitrag von santo aus o.g. Forum :


AlexRE schrieb:
maxikatze hat geschrieben:Es gibt keinen legitimen Zweck, der es erfordern würde, einem Wahlkreisbewerber zu verbieten, zugleich auch auf der Landesliste zu kandidieren, da weder personelle Überschneidungen noch andere , für eine Wahl negative Auswirkungen zu befürchten sind. Dahingehende gesetzliche Regelungen würden demzufolge in ungerechtfertigter Weise die Organisationsfreiheit der Parteien einschränken und wären verfassungswidrig.


Ich würde mal sagen: Thema verfehlt, Frau von Knobloch. Erstens würde nach der Zielsetzung der zurückgewiesenen Petition keinem Kandidaten verboten, auch auf einer Landesliste zu kandidieren und zweitens gibt es sehr wohl einen legitimen Zweck, zumindest die Prioritätenfolge der Zuweisung von Mandaten an die Inhaber von Listenplätzen nach dem Wählerzuspruch vor Ort zu bestimmen, sogar zwei legitime Zwecke: Artikel 20 Abs. 2 GG und Artikel 38 GG, Demorkatieprinzip und Unabhängigkeit von Abgeordneten. Beides wird dadurch beschädigt, dass nicht die Wähler, sondern die Vorstände von Parteien bestimmen, wer gute und wer schlechte Chancen hat, ins Parlament einzuziehen.


Warum ist dies nicht zur Einforderung einer Stellungnahme an den Petitionsausschuss und zwecks Verleihung eines gewissen Nachdrucks derselben an die einschlägigen TV-Magazine und das Petitionsforum, sowie weitere politische Internetforen gesendet worden? Das sind die Dinge, die die Öffentlichkeit vor einer Wahl wissen sollte, und zwar terminlich so knapp vor der Wahl, dass es nicht wieder vergessen wird bis dahin...

______________

Der Anfang aller Ordnung besteht darin, den Dingen ihren richtigen Namen zu geben.

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Re: An den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages

Beitragvon AlexRE » Mo 27. Jul 2009, 15:01

Ich habe die wesentlichen Inhalte dieses threads und einen link hierher auf dem Querdenkerforum veröffentlicht:

http://www.querdenkerforum.de/forum/sho ... 1&pid=3916
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Re: An den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages

Beitragvon AlexRE » Sa 8. Aug 2009, 16:01

Mittlerweile ist die abgelehnte Petition auf weiteren sechs Foren veröffentlicht worden:

Aufbruch Mittelstand Partei

Artikel 5 Forum

politikforen.net

politik.de

politikarena.net

Querdenkerforum
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Re: An den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages

Beitragvon AlexRE » So 9. Aug 2009, 17:57

Im Zusammenhang mit der Nichtzulassung einiger Kleinparteien und des eingeschränkten Rechtsweges haben sich jetzt erstmal OSZE - Beobachter zu den Wahlen in Deutschland angemeldet:

"Wir schicken in diesem Jahr zum ersten Mal ein Expertenteam zur Beobachtung einer Bundestagswahl nach Deutschland", sagte der Sprecher des OSZE-Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte, Jens-Hagen Eschenbächer, der "Financial Times Deutschland". "Da die Nichtzulassung mehrerer Parteien in Deutschland ein Thema ist, werden sich unsere Wahlbeobachter das genau ansehen."


Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,641353,00.html

Es ist wirklich nichts mehr undenkbar in diesem Land.
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Re: An den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages

Beitragvon AlexRE » Fr 16. Okt 2009, 08:40

Schau mal einer an, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts hat die selben Vorstellungen zum Wahlrecht wie maxikatze:

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts hält zudem eine Änderung des Wahlrechts für denkbar. „Man könnte den Einfluss der Wähler stärken, beispielsweise durch die Möglichkeit, innerhalb der Landeslisten mehrere Stimmen für einen Kandidaten abzugeben oder die Reihenfolge der Kandidaten zu verändern“, betonte Papier.


Quelle: http://www.bundestag.de/presse/pressemitteilungen/2007/pz_070204.html
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Re: An den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages

Beitragvon AlexRE » Mi 6. Jan 2010, 16:01

Die zweite von einem GG-Aktivierer eingereichte Petition haben sie jetzt in die Zeichnung gegeben:

Versicherungspflicht für die Abgeordneten in der gesetzlichen Krankenversicherung

Aber da geht es auch nicht um wirkliche Machtfragen bzw. den Schutz der Volkssouveränität und des Demokratieprinzips wie bei der Petition zum Wahlrecht, sondern nur um Geld. Darüber kann man unter den gegebenen Machtverhältnissen immer trefflich streiten - oder jedenfalls so tun, als ob.
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Re: An den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages

Beitragvon maxikatze » Mi 6. Jan 2010, 16:33

Versicherungspflicht für die Abgeordneten in der gesetzlichen Krankenversicherung:

Mitgezeichnet (Nr37)
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