EuGH: Nur noch Unisex - Versicherungstarife zulässig

Wie dem Einleitungstext unserer Seite zu entnehmen ist, sind die wesentlichen Aussagen des Artikel 3 GG für uns absolut unverhandelbar. Dieses Unterforum betrifft also unser Kernprogramm.

EuGH: Nur noch Unisex - Versicherungstarife zulässig

Beitragvon AlexRE » Do 3. Mär 2011, 12:26

Ab Ende 2012 sind unterschiedliche Versicherungstarife für Männer und Frauen unzulässig:

Versicherungsunternehmen müssen ab Ende 2012 geschlechtsneutrale Tarife und Leistungen anbieten. Die bislang übliche Berücksichtigung des Geschlechts als Risikofaktor in den Versicherungsverträgen ist eine unzulässige Diskriminierung, urteilte am Dienstag der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg.


Quelle: zeit.de

Da könnte man auch noch weitere Fragen anschließen: Was ist z. B. mit der Gruppe der vorsichtig und unfallfrei fahrenden jungen Leute innerhalb der unfallträchtigen "teuren" Gruppe der Fahranfänger?

Warum soll ein verantwortungsbewußter junger Fahranfänger die von den vielen spätpubertären Rasern verursachten Unfälle mitbezahlen, obwohl er als Individuum gar nicht zu der Risikogruppe gehört, in die die Statistik ihn schubst - ebensowenig wie die Eltern des spätpubertären Rasers, die über ihre Haftpflichtversicherung allerdings nicht für den Raser miteinstehen müssen.

Eine sachgerechte Unterscheidung dagegen wäre es, wenn die Prämienaufschläge für Unfallverursacher gestaffelt würden, d. h. im Falle grober Fahrlässigkeit deutlich höher als bei leichter oder mittlerer Fahrlässigkeit wären. Als Maßstab für die Unterscheidung würde sich anbieten, die höchsten Aufschläge denen aufzubrummen, die im Zusammenhang mit dem Unfall auch noch eine Geldbuße oder gar Strafe kassiert haben.
Der Stuttgarter OB Rommel:

Ich trete überall, wo das notwendig ist, der Meinung entgegen, der Umstand, dass die Diktatur zu allem fähig war, berechtige dazu, die Demokratie zu allem unfähig zu machen.
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Re: EuGH: Nur noch Unisex - Versicherungstarife zulässig

Beitragvon Ricarda » Do 3. Mär 2011, 12:36

Den folgenden Text habe ich vor über dreißig Jahren geschrieben:

Von Bienchen und Blümchen oder
Der kleine Unterschied bei den privaten Krankenversicherern

Aufgrund meines Berufs ist mir der Zugang zu den gesetzlichen Krankenversicherungen versperrt. Das ist an sich kein Unglück. Das beginnt erst, als ich mich nach Abschluss meiner Ausbildung nach einer privaten Krankenversicherung umschaue Als halbwegs kritischer Verbraucher prüfe ich zunächst mehrere Angebote. Kurz darauf sitzt mir der erste Versicherungsvertreter gegenüber.

Die Herrschaften haben zwei Tarife. Die Leistungen sind ungefähr die gleichen, nur der zweite ist um etwa 80 % teurer. Natürlich interessiert mich der erste, aber der – so erfahre ich – ist nichts für mich. Das ist der „Männertarif“. Ich stutze, aber der Versicherungsvertreter – männlich natürlich – belehrt mich überlegen: „Alles statistisch erwiesen, meine Dame, die Frauen verursachen wesentlich mehr Kosten.“

„Achtzig Prozent?“, frage ich lauernd Mein ungläubiges Staunen veranlasst ihn, ein bewährtes Beispiel herauszukramen. „Was glauben Sie, wie viele Kosten uns allein durch Schwangerschaften und Geburten entstehen?“, fragt er.

An dieser Stelle werde ich ernsthaft böse. Zwar bin ich geistig nicht sehr gewandt, aber wenn ich die alte Geschichte mit dem Bienchen und dem Blümchen richtig interpretiere, bedeutet das doch wohl, dass in irgendeiner Form auch die Männer am Entstehen von Schwangerschaften beteiligt sind. „Warum also“, erkundige ich mich listig, „warum sollen die Frauen das alleine bezahlen“?

Mein Besucher scheint seinen taktischen Fehler zu bemerken. Weil er die Frage weder beantworten kann noch will, preist er nun die Vorteile einer mit Unfallrente gekoppelten Lebensversicherung an. Ich verfolge unterdessen meinen Gedanken hartnäckig weiter. „Wie ist es denn, wenn ich mich sterilisieren lasse, gilt dann der Männertarif?“ Auf solche Fragen werden junge Versicherungsvertreter offensichtlich nicht vorbereitet. Mein Besucher rettet sich in Allgemeinplätze. „Die Frauen rennen ja auch wegen jeder Kleinigkeit zum Arzt, während die Männer alles selbst auskurieren“, meint er nun. „Zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl“, denke ich, aber ich halte mich zurück und verweise darauf, dass ich in der Regel etwas Besseres zu tun habe, als in Wartezimmern herumzusitzen.

Für diesen Fall hat mein Besucher ein Bonbon parat. „Wenn Sie uns ein Jahr nicht in Anspruch nehmen, bekommen sie einen Teil der Versicherungssumme zurück“, sagt er. Ich bin gerührt. Allerdings gilt die Rückerstattung auch für Männer, die die Versicherung nicht in Anspruch nehmen. Der achtzigprozentige Unterschied bleibt. Es ist nun mal die primäre Bestimmung der Frau, Kinder zu gebären, und dafür wird sie versichert – ob sie will oder nicht.

Inzwischen hat mir ein besonders lieber Mensch – männlich natürlich – einen wertvollen Tip gegeben, wie ich diese ganzen Schwierigkeiten umgehen kann. „Heiraten Sie doch einfach“, meinte er, „dann sind Sie bei Ihrem Mann mitversichert“.

Na, ist das eine Idee? So einfach kann man das Problem lösen. Man muss halt nur einen Mann fragen!
Ricarda
 

Re: EuGH: Nur noch Unisex - Versicherungstarife zulässig

Beitragvon Uel » Do 3. Mär 2011, 21:08

Hoffentlich ein Dammbruch!

...genial, das Urteil! Hoffentlich kann der Gleichheitsgrundsatz auch auf andere Aspekte übertragen werden. Warum z.B. müssen besondere Berufsgruppen wie Lehrer, Beamte oder z. B. Gruppen von Freiberuflern günstigere Autoversicherungen bekommen. Alle sind bestimmt keine genialeren Autofahrer. Oder warum muss ich für mein älter werdendes Auto immer höhere Beiträge zahlen? Weil junge Fahrer sich dann zunehmend diesen Typ leisten können lautet die Erklärung der Versicherungswirtschaft. Aber ich ändere doch weder Autotyp noch Fahrstil, im Gegensatz, bei mir wächst sowohl die allgemeine Erfahrung im Verkehr als auch die spezielle Erfahrung mit meinem Auto.

Eine Versicherung ist eine solidarische Veranstaltung der Risiko-Absicherung. Ein übermäßiges Auskundschaftern von speziellen Eigenschaften führt den Gedanken der solidarischen Risikoverteilung ins Absurde. Natürlich möchten Versicherungs-Mathematiker ihre Arbeitsplätze sichern, und erfinden dann täglich neue Differenzierungskriterien. Aber die Gesellschaft hat zu entscheiden, ob sie das überhaupt will.

Nur als Denkspiel: wenn die Faktenanalyse und die Wahrscheinlichkeitsmodelle der Mathematiker soweit perfektioniert und entwickelt werden könnten, dass sie fast sichere Voraussagen über Schadensfälle machen könnten, so müssten diese Menschen doch wohl eine Prämie zahlen, die fast dem möglichen Schadensbetrag entspräche, die Andern aber fast gar nichts mehr. Also führt übertriebenes ausdifferieren der Risiken den Sinn einer Versicherung ins Absurde.


Bei den Fortschritten, die wir demnächst in der Gen-Diagnostik erwarten können (müssen), würde das Ausdifferenzieren von Besonderheiten dazu führen, dass wenige Gen-mässig Benachteiligte, die ja gerade auf eine Versicherung angewiesen wären, fast unbezahlbare Tarife bekämen. Die Super-Gen-Besitzer aber müssten kaum noch was bezahlen.
Liebe Grüße
von Uel

Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke: --- Kein Plan übersteht den ersten Feindkontakt --- (gefunden bei Vince Ebert) Mein Zusatz: ... der Feind kann auch Realität heißen!
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