Positive Diskriminierung

Wie dem Einleitungstext unserer Seite zu entnehmen ist, sind die wesentlichen Aussagen des Artikel 3 GG für uns absolut unverhandelbar. Dieses Unterforum betrifft also unser Kernprogramm.

Positive Diskriminierung

Beitragvon GasGerd » Do 24. Feb 2011, 17:34

Derzeit wird der Begriff "Positive Diskriminierung" hauptsächlich im Zusammenhang mit einem tatsächlich oder auch nur angeblich bestehenden "Migrantenbonus" im Straf- und Sozialrecht verwendet. Das Thema ist aber recht facettenreich, wie diese heutige Nachricht zeigt:

Der Sohn von Ex-Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin (66), Richard, lebt von Hartz IV und fühlt sich als Außenseiter. Seine Eltern sagten „eigentlich selten etwas Gutes über mein Leben“, sagte der 30-Jährige der Illustrierten BUNTE.

...

„Es ist eigentlich ganz gut, arbeitslos zu sein und nicht gebraucht zu werden, weil man dann sein Lebenstempo selbst bestimmen kann.“


Quelle: bunte.de

Richtig gelesen besagt der Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG), dass Gleiches gleich und Ungleiches dem Wesen der Ungleichheit entsprechend ungleich behandelt werden muss.

Kann es wirklich richtig sein, dass Kinder von Millionären nach der Finanzierung einer ersten Ausbildung durch die Eltern ebenso wie die Kinder von Normalverdienern im Falle ihrer Bedürftigkeit einen Anspruch auf Sozialleistungen anstatt auf Unterhalt haben? Und was ist mit ganz kurzfristig Bedürftigen, die anschließend zu Besserverdienern werden, im Lotto gewinnen oder eine große Erbschaft antreten? Sollten die nicht wegen der leichten Zumutbarkeit ausnahmsweise die Sozialleistungen zurückzahlen müssen?

Die Frage ist also, ob ein richtiger Umgang mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht erfordert, dass anstatt der üblichen staatlichen Gießkannen- und Rasenmähermethode künftig regelmäßig sachlich begründete Ausnahmen von sozial- und steuerrechtlichen Prinzipien gemacht werden.

So wie es jetzt schon begünstigende Ausnahmen von belastenden Prinzipien gibt, nämlich Härtefallregelungen, müsste es m. E. auch belastende Ausnahmen von begünstigenden Regelungen geben, sozusagen "umgekehrte Härtefallregelungen". Dass die Kinder von Multimillionären Sozialleistungen beziehen und auch nach Antritt des Erbes nicht zurückzahlen müssen, ist angesichts der hohen Abgabenbelastungen von Normalverdienern, die selbst kaum noch eine Sparquote haben und auch nicht mehr zu einem bescheidenen Vermögen kommen können, heutzutage politisch und auch im Sinne des Gleichheitsgrundsatzes kaum noch zu vertreten.

Deshalb eröffne ich einfach mal einen thread, auf dem Beispiele für unsinnige Gleichmacherei und Vorschläge für vernünftigere Regelungen veröffentlicht werden können.

P. S.

Diesen thread kopiere ich auf mehrere Foren, u. a. gmx.
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Re: Positive Diskriminierung

Beitragvon Uel » Do 24. Feb 2011, 20:05

@ GasGerd,

Deine Überlegungen sind bedenkenswert, ich muss mir aber erst einmal einen Überblick über die Systematik machen.

Die größte Schwierigkeit schein mir zu sein, dass die steuerliche Gewinn- und Verlusteinschätzung der Leute für x-Jahrzehnte vorläufig sein müßte. Ich vermute auch (da mir exaktes Wissen mangelt), dass das derzeitige Erbrecht da Schwierigkeiten bereiten wird.
Liebe Grüße
von Uel

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Re: Positive Diskriminierung

Beitragvon GasGerd » Sa 26. Feb 2011, 16:34

Uel hat geschrieben:Die größte Schwierigkeit schein mir zu sein, dass die steuerliche Gewinn- und Verlusteinschätzung der Leute für x-Jahrzehnte vorläufig sein müßte. Ich vermute auch (da mir exaktes Wissen mangelt), dass das derzeitige Erbrecht da Schwierigkeiten bereiten wird.


Bei dem Rückgriff von Sozialleistungsträgern auf Eltern nicht arbeitsfähiger Unterhaltsberechtigter gibt es solche praktischen Hindernisse jedenfalls nicht.

Gerade auf gmx geschrieben:
_______________

allahu

Der von Dir beschriebene Rückgriff des Sozialleistungsträgers auf die Eltern findet aber nur statt, wenn diese nach BGB grundätzlich unterhaltspflichtig sind.

Das richtet sich nach diesen §§:

http://dejure.org/gesetze/BGB/1601.html

http://dejure.org/gesetze/BGB/1602.html

Danach kommt es darauf an, ob der Sprößling erwerbsfähig ist. Wenn Sarrazins Sohn also schwerbehindert wäre und dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stünde, müsste er u. U. sehr hohe Zahlungen z. B. an ein Pflegeheim leisten.

Nur wenn der Sprößling erwachsen ist, eine Ausbildung hat und keinen Bock auf Arbeit, übernimmt der Steuerzahler die Verantwortung auch für Millionärskinder.

Mit anderen Worten: Wer das Schicksal eines schwerbehinderten Kindes zu tragen hat, ist lebenslänglich unterhaltspflichtig, wer durch Erziehungsfehler seinen Sprößling zu einem verantwortungsunfähigen oder - unwilligen Selbstverständnis leitet, wird ab dem 26. Geburtstag vom Steuerzahler von den Kosten freigestellt.

Tolle Wurst.
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Re: Positive Diskriminierung

Beitragvon AlexRE » So 27. Feb 2011, 17:42

Vom Partnerforum "wir-koennen-auch-anders" hierher kopiert:

Neza hat geschrieben:Das fett markierte verstehe ich nicht so ganz. Nicht jeder der durch Erziehungsfehler versaut wurde ist automatisch verantwortungsunfähig. Was meinst du mit unwilligem Selbstverständnis?


Also ich verstehe das so, dass ausgerechnet diese eine Ausnahme von der ansonsten immer bestehenden Unterhaltspflicht für Verwandte in gerader Linie am wenigsten berechtigt ist. Wenn überhaupt eine Mitverantwortung von Verwandten dafür denkbar ist, dass arbeitsfähige Angehörige dem Steuerzahler zur Last fallen, dann die der Eltern für ihre eigenen Kinder. Das kann zumindest teilweise an Erziehungsfehlern liegen, dass das regelmäßig der Fall sei, steht da nicht.

Jedenfalls sehe ich auch keinen sachlichen Grund, wirklich reiche Eltern mit dem 26. Lebensjahr des Kindes automatisch von der Unterhaltspflicht freizustellen, wenn der Sprößling arbeitsfähig und arbeitsunlustig ist, während die Eltern arbeitsunfähiger schwerbehinderter Kinder lebenslänglich Unterhalt zahlen müssen.
Der Stuttgarter OB Rommel:

Ich trete überall, wo das notwendig ist, der Meinung entgegen, der Umstand, dass die Diktatur zu allem fähig war, berechtige dazu, die Demokratie zu allem unfähig zu machen.
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Re: Positive Diskriminierung

Beitragvon Uel » Mo 28. Feb 2011, 10:09


@Alex,

wenn ein systemischer Fehler besteht (ewige Unterhaltspflicht von Eltern für behinderte Kinder) macht man das Ganze nicht besser, dass man einen weiteren einführt (ewige Unterhaltspflicht der Eltern für arbeitsunwillige Kinder). Denn ich glaube auch Eltern haben im Vergleich zu Kinderlosen auch ein Recht auf ein glückliches Leben. Wenn man noch bedenkt, wie viel ohnehin das Heranziehen der Kinder bis zur Volljährigkeit kostet, so wird die Veranstaltung noch ungerechter. Die Eltern haben dank der Gerichte auch viel weniger legale Sanktionsmöglichkeiten. Wenn man bedenkt, wie viel Kapitalbedarf ein unwilliges Kind durch Drogenkonsum, leichtfertiges Autofahren, Unternehmertum oder Spielsucht anhäufen kann, so kommt das Ganze zu Ende gedacht einer Abschaffung der Volljährigkeit und einer damit verbundenen umfassenden Geschäftsfähigkeit gleich.

Die Begründung für das Ganze halte ich für sehr schwach: eine grandiose Überschätzung der Erziehung im Gegensatz zu gesellschaftlichen und persönlichen Deformationen, die wirksam werden. Ich halte den Staat bei einem Großteil der Versagensfälle für mitschuldig!!! (militärischer Schutz des Drogenanbaus in Afghanistan, Parteispenden der Spielautomatenbranche, mangelnder Jugendschutz in Film, TV und Computerspielen ect.)

Die Lösung in Richtung Gerechtigkeit, die GasGerd schon angedeutet hat, kann nur in einer Gesamtbilanz liegen, - für finanzielle Stützungsmaßnahmen -, die der Staat für den einzelnen Empfänger in seinem Leben getätigt hat und im Erbfall wird Bilanz gemacht und komplett gegengerechnet.
Liebe Grüße
von Uel

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Re: Positive Diskriminierung

Beitragvon AlexRE » Mo 28. Feb 2011, 11:51

Uel hat geschrieben:wenn ein systemischer Fehler besteht (ewige Unterhaltspflicht von Eltern für behinderte Kinder) macht man das Ganze nicht besser, dass man einen weiteren einführt (ewige Unterhaltspflicht der Eltern für arbeitsunwillige Kinder).


Das habe ich auch nicht behauptet. Ich habe nur die Auffassung vertreten, dass diese eine Ausnahme von der generellen Unterhaltspflicht für Verwandte in auf- und absteigender Linie sachlich nicht gerechtfertigt ist. Schließlich sind sogar finanziell leistungsfähige Kinder für bedürftige Eltern unterhaltspflichtig, wenn diese nicht erwerbsfähig sind.

Ob die Unterhaltspflicht für erwachsene Angehörige überhaupt richtig ist, ist ein rechtspolitisches Thema für sich.
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Re: Positive Diskriminierung

Beitragvon Uel » Di 1. Mär 2011, 21:42



@Alex,

Ob die Unterhaltspflicht für erwachsene Angehörige überhaupt richtig ist, ist ein rechtspolitisches Thema für sich.


genau das ist die Preisfrage: Will man das archaische Familien-, Sippen- und Clanversorgungsprinzip haben oder das individualisierte, mobilisierte, moderne Menschenbild.

Wenn man das 1tere will, so müßte man auch Vetternwirtschaft legal finden, Aufträge, Posten und Privilegien werden nach Familienzugehörigkeit vergeben und die Familien haben sich im Glück wie auch im Unglück selbst untereinander zu versorgen. (aktuelles Beispiel: arabische Despoten)

Wenn aber ein Vater in gehobener Position in einer wie auch gearteten nicht privaten Organisation nicht das Recht hat, legal weder seinen gesunden noch seinen behinderten Sohn in eine gesicherte Position innerhalb dieser Organisation zu positionieren, ohne sich den Vorwurf der Vetternwirtschaft gefallen zu lassen, so muss der Staat ALLE Versorungsaufgaben IM NOTFALL übernehmen.

Wir sind, so scheint es aus dem 1. System noch nicht richtig hinausgewachsen und im 2. noch nicht wirklich angekommen.

Zumal viele Schlauberger beide Systeme kombinieren, um beider Vorteile nutzen zu können. Widerstand muss insbesondere dem Versuch entgegengebracht weden, die archaische Sippenloyalität durch Netzwerke und Seilschaften zu ersetzen. Da ist jedenfalls das archaische Modell ehrlicher: ich kann oftmals schon am Namen erkennen, wie die Beziehungsgeflechte verlaufen.
Liebe Grüße
von Uel

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Re: Positive Diskriminierung

Beitragvon GasGerd » Do 10. Mär 2011, 16:57

Gerade auf gmx geschrieben:

Den thread zu dem seltsamen Urteil mit dem Verbot des Verkaufs von Lotterielosen an H 4 Empfänger halte ich hier mal per Link fest:

http://meinungen.gmx.net/forum-gmx/post/11445572?sp=371#jump

Vielleicht ist das ja auch eine "positive Diskriminierung", wenn Arbeitslose vor Glücksspiel - Abzocke und Spielsucht geschützt werden und alle anderen Bürger nicht.
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