AlexRE hat geschrieben:Könnte es nicht sein, dass Sarrazin diesen Eklat absichtlich provoziert hat, damit die Massenmedien sich für das Theater interessieren und er kostenlose Reklame für sein neues Buch erhält? Eine Podiumsdiskussion vor einem größeren und nicht sortierten Publikum, bei der es darum geht, ob man in der Vergangenheit mühsam und teilweise blutig erkämpfte sowie heute verfassungsrechtlich garantierte Minderheiten- und Menschenrechte in Frage stellen darf, kann eigentlich gar nicht friedlich verlaufen.
Ich will auch hinsichtlich homophober und latent rassistischer Thesen keine absoluten Meinungsverbote rechtfertigen, aber ob jede Meinung jedweden Gegenstands zu jeder Zeit an jedem Ort und in jeder Form bedingungslos geäußert werden darf, halte ich zumindest für fragwürdig.
Wie sicher jeder Teilnehmer des Forums weiß, muss im Falle strittiger Äußerungen, die einzelne Personen oder Personengruppen beleidigen, das Verfassungsrechtsgut der Meinungsfreiheit mit den Persönlichkeitsrechten der Beleidigten abgewogen werden. Dabei müssen die Persönlichkeitsrechte nach allgemeiner Auffassung und nach der Rechtsprechung etwas weiter zurückstehen, wenn die fragliche Meinung sich gegen (prominente) "Personen der Zeitgeschichte" richtet oder wegen ihres politischen Gegenstands für die Allgemeinheit von Belang und deshalb besonders schützenswert ist.
Letzteres hat allerdings damit zu tun, dass in einer demokratischen Gesellschaft jeder Mindermeinung die Chance zusteht, im Rahmen einer öffentlichen Diskussion irgendwann zur Mehrheitsmeinung zur Mehrheitsmeinung zu werden und evtl. in Gesetze einzufließen. Das aber ist bei solchen Meinungen, die sich gegen verfassungsrechtlich geschützte Rechte Dritter wenden, ausgeschlossen.
Deshalb spricht m. M. n. viel dafür, Meinungen mit verfassungswidrigem Inhalt gegenüber den Persönlichkeitsrechten von beleidigten Personen ebenso abzuwägen wie völlig unpolitische und für die Öffentlichkeit belanglose Meinungen.
Diese Überlegung rechtfertigt natürlich immer noch keine Gewalt linker Randalierer, wohl aber den Anspruch an die Vertreter der provokanten Auffassungen, in öffentlichen Veranstaltungen zumindest in der Form ihrer Äußerungen "den Ball flach zu halten" und evtl. die Anrechnung eines Mitverschuldens, falls es im Nachgang zu einem öffentliche Eklat zu Rechtsstreitigkeiten um die dabei angerichteten Schäden kommt.