Erbschaftssteuer

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Erbschaftssteuer

Beitragvon AlexRE » Di 8. Jul 2014, 14:10

Seit heute verhandelt das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsmäßigkeit der erbschaftssteuerrechtlichen Privilegierung von Betriebsvermögen. Ich habe die diesbezügliche Umfrage in der Facebook - Gruppe "Meudalismus" kommentiert:

Wer wettet mit?
Das Bundesverfassungsgericht wird das Privileg von Betriebsvermögen bei der Erbschaftssteuer für verfassungswidrig erklären.

http://www.focus.de/finanzen/steuern/bundesverfassungsgericht-entscheidet-die-wichtigsten-fragen-zum-erbschaftssteuer-urteil_id_3973480.html

Nein

Ja



Ich bin mir nicht ganz sicher, es könnte sein, dass das BVerfG nach einer Kompromisslösung sucht. Frau Prof. Hey übersieht hier nämlich etwas:

>> Dass die Erbschaftsteuer die Fortführung eines Betriebes gefährde, sei durch nichts belegt. Mit dieser Einschätzung habe der Bundesfinanzhof recht, meint Johanna Hey, Professorin für Steuerrecht an der Universität Köln: "Es gibt keinen Beleg dafür, dass die Erbschaftsteuer zu Unternehmensinsolvenzen führt. Selbst wenn ein Unternehmen verkauft werden müsste aufgrund der Erbschaftsteuer, heißt das ja nicht zwingend, dass dann Arbeitsplätze verloren gehen, sondern: der Eigner wechselt." <<

http://www.tagesschau.de/inland/erbscha ... r-100.html

Wenn ein erheblicher Teil der mittelständischen Erben den Betrieb wegen der Erbschaftssteuer verkaufen muss, werden die Käufer nur höchst ausnahmsweise "von unten" kommen, also bisherige Arbeitnehmer des Betriebes oder sonstige Unternehmensgründer sein. In aller Regel werden größere Wettbewerber die Kaufgelegenheit wahrnehmen und dabei den Aufbau von Marktmachtpositionen im Auge haben.

Das würde aber ohnehin schon ordnungspolitisch und volkswirtschaftlich bedrohliche Entwicklungen verschärfen. Als Kompromiss könnte ich mir vorstellen, dass die Erbschaftssteuer für Betriebsvermögen künftig veranlagt, aber vorläufig nicht erhoben wird.

Erst wenn der Erbe in der Zukunft Gelder aus dem Unternehmen entnimmt, die einem Fremdvergleich mit dem Gehalt eines angestellten Geschäftsführers nicht standhalten, sollte die auf den entnommenen Betrag entfallende Erbschaftssteuer eingezogen werden.
Der Stuttgarter OB Rommel:

Ich trete überall, wo das notwendig ist, der Meinung entgegen, der Umstand, dass die Diktatur zu allem fähig war, berechtige dazu, die Demokratie zu allem unfähig zu machen.
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Re: Erbschaftssteuer

Beitragvon Staber » Di 8. Jul 2014, 18:04

Immer diese Themen, wo von ich keine Ahnung habe ;) . (Ironie aus )
"Wir werden Ambos ,wenn wir nichts tun um Hammer zu sein."
Fürst Otto Eduard Leopold von Bismarck-Schönhausen (1815-1898)

Gesund bleiben !
Gruß Staber
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Re: Erbschaftssteuer

Beitragvon Livia » Di 8. Jul 2014, 21:37

AlexRE hat geschrieben:Seit heute verhandelt das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsmäßigkeit der erbschaftssteuerrechtlichen Privilegierung von Betriebsvermögen. Ich habe die diesbezügliche Umfrage in der Facebook - Gruppe "Meudalismus" kommentiert:

Wer wettet mit?
Das Bundesverfassungsgericht wird das Privileg von Betriebsvermögen bei der Erbschaftssteuer für verfassungswidrig erklären.

http://www.focus.de/finanzen/steuern/bundesverfassungsgericht-entscheidet-die-wichtigsten-fragen-zum-erbschaftssteuer-urteil_id_3973480.html

Nein

Ja



Ich bin mir nicht ganz sicher, es könnte sein, dass das BVerfG nach einer Kompromisslösung sucht. Frau Prof. Hey übersieht hier nämlich etwas:

>> Dass die Erbschaftsteuer die Fortführung eines Betriebes gefährde, sei durch nichts belegt. Mit dieser Einschätzung habe der Bundesfinanzhof recht, meint Johanna Hey, Professorin für Steuerrecht an der Universität Köln: "Es gibt keinen Beleg dafür, dass die Erbschaftsteuer zu Unternehmensinsolvenzen führt. Selbst wenn ein Unternehmen verkauft werden müsste aufgrund der Erbschaftsteuer, heißt das ja nicht zwingend, dass dann Arbeitsplätze verloren gehen, sondern: der Eigner wechselt." <<

http://www.tagesschau.de/inland/erbscha ... r-100.html

Wenn ein erheblicher Teil der mittelständischen Erben den Betrieb wegen der Erbschaftssteuer verkaufen muss, werden die Käufer nur höchst ausnahmsweise "von unten" kommen, also bisherige Arbeitnehmer des Betriebes oder sonstige Unternehmensgründer sein. In aller Regel werden größere Wettbewerber die Kaufgelegenheit wahrnehmen und dabei den Aufbau von Marktmachtpositionen im Auge haben.

Das würde aber ohnehin schon ordnungspolitisch und volkswirtschaftlich bedrohliche Entwicklungen verschärfen. Als Kompromiss könnte ich mir vorstellen, dass die Erbschaftssteuer für Betriebsvermögen künftig veranlagt, aber vorläufig nicht erhoben wird.

Erst wenn der Erbe in der Zukunft Gelder aus dem Unternehmen entnimmt, die einem Fremdvergleich mit dem Gehalt eines angestellten Geschäftsführers nicht standhalten, sollte die auf den entnommenen Betrag entfallende Erbschaftssteuer eingezogen werden.


Das ist eine ganz heikle Angelegenheit, die auch bei uns zur Debatte steht. Es ist aber möglich, dass kleine Firmen bei einer Auszahlung der Erbberechtigten Konkurs gehen kann und das Geschäft verkauft werden muss, und oft noch mit Verlust.

Unternehmensnachfolge[Bearbeiten]

In verschiedenen europäischen Ländern, wie Frankreich, Italien, Vereinigtes Königreich oder Deutschland wurden in den letzten Jahren Vergünstigungen bei der Betriebsnachfolge eingeführt, um den Bestand des Betriebes und der Arbeitsplätze infolge erbschafts- oder schenkungssteuerlicher Lasten nicht zu gefährden. Neben anderen [21] hat der Kanton Zürich eine entsprechende erbschaftsteuerrechtliche Regelung eingeführt. Dort wird von der Steuer ein bis zu 80-prozentiger Abschlag gewährt, wenn das Betriebsvermögen vorwiegend der selbständigen Erwerbstätigkeit des Erwerbers dient und dieser den Betrieb noch mindestens zehn Jahre fortführt.[22]

Bewertung[Bearbeiten]

Für die Steuerberechnung ist grundsätzlich der Verkehrswert massgebend, wobei einige Kantone aber auch eigene Bewertungsregeln aufstellen. Für an den Börsen gehandelte Wertpapiere ist der Kurswert zum Zeitpunkt des Vermögenserwerb, bei anderen Wertpapieren der Schätzwert massgebend, wobei die Kantone sich zur Herstellung einer einheitlichen Bewertungspraxis verständigen. Grundstücke werden überwiegend nach dem Verkehrswert oder dem Ertragswert oder in einer Kombination beider Wertfindungen bewertet. Zumeist übernehmen die Kantone dabei die in der Vermögenssteuererklärung angegebenen Werte, einige Kantone wenden auch andere Bewertungsmasstäbe an.

Schuldenabzug[Bearbeiten]

Zur Ermittlung des massgeblichen Nettovermögens werden die Dritten gegenüber bestehenden Verbindlichkeiten abgezogen. Ohne Einschränkungen werden alle zum Zeitpunkt des Todes bestehenden (und nicht verjährten) persönlichen Schulden des Erblasser, auch wenn sie noch nicht fällig waren, berücksichtigt. Grundsätzlich gilt dies auch für die anlässlich des Erbgangs verursachten Kosten, wie etwa die der Beerdigung, wobei aber einige Kantone den Abzug beschränken.


http://de.wikipedia.org/wiki/Erbschafts ... er_Schweiz
Viele Leute würden bereitwillig zugeben, dass sie sich langweilen; aber kaum einer würde zugeben, dass er langweilig ist.

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Re: Erbschaftssteuer

Beitragvon AlexRE » Di 8. Jul 2014, 23:02

Livia hat geschrieben:Das ist eine ganz heikle Angelegenheit, die auch bei uns zur Debatte steht. Es ist aber möglich, dass kleine Firmen bei einer Auszahlung der Erbberechtigten Konkurs gehen kann und das Geschäft verkauft werden muss, und oft noch mit Verlust.


Eben, deshalb würde ich Erbschaftssteuern erst einziehen, wenn Gelder zum Privatverbrauch aus dem Unternehmen entnommen werden. Festlegen würde ich sie aber direkt nach dem Erbfall.
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Re: Erbschaftssteuer

Beitragvon AlexRE » Mi 17. Dez 2014, 16:22

Das Bundesverfassungsgericht hat die gegenwärtige Erbschaftssteuer für Firmenerben für verfassungswidrig erklärt:

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

Erbschaftsteuer ist verfassungswidrig

(...)

Das Gericht hatte über eine Vorlage des Bundesfinanzhofes zu entscheiden. Das oberste Steuergericht hatte die steuerliche Begünstigung von Firmenerben gegenüber Erben von Privatvermögen als Überprivilegierung infrage gestellt. Karlsruhe hatte zu klären, ob die Begünstigungen noch gerecht sind oder ob sie gegen das Grundgesetz verstoßen. Fachleute hatten damit gerechnet, dass das Gericht Nachbesserungen verlangt.

(...)


http://www.zeit.de/wirtschaft/2014-12/verfassungsgericht-erklaert-erbschaftsteuerrecht-fuer-verfassungswidrig


Das habe ich auf Facebook in einer FDP - Gruppe dazu geschrieben:

Erbschaftssteuer abschaffen!

(...)

"Wenn Betriebsvermögen nicht länger von der Erbschaftssteuer verschont werden dürfen, muss die Erbschaftssteuer komplett abgeschafft werden", sagte Duin. Eine Teilverstaatlichung von Familienunternehmen, wie sie SPD-Politiker fordern, wäre der "Einstieg in den Sozialismus" und würde Deutschland ruinieren.

(...)


http://www.fdp-bayern.de/Erbschaftssteuer-abschaffen/21878c42616i1p30/index.html


>> Das oft vorgebrachte Argument gegen die Erbschaftssteuer ("das Geld wurde ja schon einmal besteuert") ist aus meiner Sicht sehr fragwürdig. <<

Selbst wenn man der These von der Zweitbesteuerung folgt: Die indirekten Steuern (MwSt usw.) sind erst recht eine Zweitbesteuerung bereits versteuerten Einkommens, die Geringverdiener und Familien ohne nennenswerte Sparquote härter trifft als Besserverdiener, die einen Teil ihres Einkommens frei von dieser Zweitbesteuerung kumulieren können.

Insofern würde die Erbschaftssteuer nur einer verfassungsrechtlich fragwürdigen Privilegierung der Besserverdienenden entgegenwirken, wenn sie denn auch tatsächlich erhoben würde. Auch deshalb ist das aktuelle Urteil des BVerfG zu begrüßen.

>> dass jene, die sich über die "Doppelbesteuerung" durch Einkommens- und Erbschaftssteuer aufregen, praktisch ausschließlich die Erbschaftssteuer angreifen. <<

Richtig, diese seltsamen Freiheitshelden vergessen nämlich, dass es zwei Arten von leistungslosen Einkommen gibt. Die reichen Erben kommen die arbeitenden Steuer- Zins-. und Mietenzahler nämlich mindestens so teuer zu stehen wie die Sozialleistungsempfänger. Wem es wirklich um Gerechtigkeit (und gesamtwirtschaftliche Vernunft) im Sinne der Leistungsträger ginge, der müsste eigentlich höhere Substanzsteuern zu Lasten der reichen Erben bei gleichzeitiger Absetzbarkeit aller Substanzsteuern von der Einkommenssteuer zu Gunsten der Leistungsträger verlangen.
Der Stuttgarter OB Rommel:

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Re: Erbschaftssteuer

Beitragvon AlexRE » So 21. Dez 2014, 19:18

Auf dem Facebook - Profil von Ursula Weidenfeld gesehen und kommentiert:

Ein Zwischenruf

Was, wenn der Erbe ein Nichtsnutz ist?

Jemand, der Aktien oder Häuser erbt, kann ebenso zum Erhalt von Arbeitsplätzen beitragen wie einer, der eine Firma besitzt. Deshalb gibt es nur zwei vernünftige Entscheidungen zur Erbschaftsteuer. Ein Kommentar

(...)

Es gibt viele gute Gründe für ein Land, auf eine Erbschaftsteuer zu verzichten.

Schließlich wurde das Geld schon einmal versteuert. Außerdem ist es gut, wenn es eine Sparkultur gibt, wenn die Menschen also Geld für das Alter, für Krankheiten oder für die Kinder und Enkel zurücklegen. Würden sie das auch tun, wenn der Staat das Geld nach dem Tod komplett einzöge? Wahrscheinlich nicht. Deshalb ist es richtig, mit der Erbschaftsteuer vorsichtig umzugehen.

(...)


http://www.tagesspiegel.de/politik/einzwischenruf-was-wenn-der-erbe-ein-nichtsnutz-ist/11148244.html


>> Deshalb gibt es nur zwei vernünftige Entscheidungen zur Erbschaftsteuer. <<

Ich möchte wirklich niemandem zu nahe treten, aber ich finde es etwas unbescheiden, von der (Grund-) Gesetzeslage abweichende eigene Meinungen als "einzig vernünftige" darzustellen. Der Artikel 6 GG gebietet die erbschaftssteuerrechtliche Besserstellung eigener Kinder.

Außerdem: Wenn der Erblasser sich so einen tollen Hecht als Nachfolger aussucht, dann kann der den Kindern auch den Pflichtteil auszahlen und eine höhere Erbschaftssteuer tragen - und zwar ganz locker. Er ist ja immer noch viel besser gestellt als ein Unternehmensgründer ohne reiche Eltern, der sich sein gesamtes Eigenkapital erst zusammensparen muss.

Was das (aus der Tastatur wirtschaftlich kompetenter Autoren wirklich seltsam anmutende Argument) der Doppelbesteuerung betrifft: Vermögen ist kumuliertes Einkommen, für das keine MwSt und andere indirekten Steuern bezahlt wurden. Sollen nur Geringverdiener ohne Sparquote einer Doppelbesteuerung unterliegen?
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Re: Erbschaftssteuer

Beitragvon AlexRE » Fr 2. Jan 2015, 20:19

Bild
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