Beleg für den mangelhaften Schutz der Bürger

Hier wird das Problem des zunehmend mangelhaften Schutzes der Bürger vor Gewalttaten und dessen verfassungsrechtliche Relevanz erörtert. (Artikel 1 Abs. 1 Satz 2 GG)

Re: Beleg für den mangelhaften Schutz der Bürger

Beitragvon maxikatze » Sa 13. Nov 2010, 17:13

In dieser Woche bin ich im *Spiegel* auf einen Artikel gestoßen, der mich tief berührt hat.
http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,727654,00.html

In diesem Beitrag wird das Schicksal einer Frau geschildert, die einen neuen Personalausweis bekommt und mit einer völlig neuen Identität und neuem Wohnort praktisch ein ganz anderes Leben führen muss, damit der Gewaltverbrecher, der in diesen Tagen aus der Haft kommen soll, niemals herausfindet, wo das Opfer in Zukunft lebt. Das alte Leben ist für die Frau zu ihrer Sicherheit buchstäblich ausgelöscht. Das bedeutet auch, dass der Kontakt zu den allerengsten Familienmitgliedern auf Jahre hinaus abgebrochen werden muss.
Das alles geschieht, weil der Gewalttäter nicht nach der Haft in Sicherungsverwahrung kommt, sondern in Kürze auf freiem Fuß gesetzt wird.
Jetzt gibt es ein Urteil vom BGH (Az: 5StR 394/10), welches die Entlassung von Kriminellen aus nachträglicher Sicherungsverwahrung stoppt.
Wir erinnern uns, dass der EUMgh diese nachträgliche Sicherungsverwahrung als menschenrechtswidrig bezeichnete. Was zu Recht bei vielen Menschen auf Unverständnis gestoßen ist.
Es ist positiv, dass offensichtlich der BGH das Denken nicht abgeschaltet hat und sich nicht nach den Vorgaben des EUMgh richtet.
Wie sich das aber auf den o.g. Fall auswirkt, weiß ich nicht. Ich hoffe, man hört und liest, dass der genannte Schwerkriminelle in Sicherungsverwahrung kommt und dort bleiben muss.

Anmerken wollte ich noch, dass man es der Frau vorher verwehrt hat, eine Waffe zu besitzen. Ich war immer ein Gegner des Tragens von Waffen. Muss jetzt zugeben, dass ich meine frühere Einstellung korrigiere und manchmal - so zB wie in diesem Fall - eine Waffe für unabdingbar halte.
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Re: Beleg für den mangelhaften Schutz der Bürger

Beitragvon AlexRE » Sa 13. Nov 2010, 18:23

maxikatze hat geschrieben:Jetzt gibt es ein Urteil vom BGH (Az: 5StR 394/10), welches die Entlassung von Kriminellen aus nachträglicher Sicherungsverwahrung stoppt.
Wir erinnern uns, dass der EUMgh diese nachträgliche Sicherungsverwahrung als menschenrechtswidrig bezeichnete. Was zu Recht bei vielen Menschen auf Unverständnis gestoßen ist.


Die Auffassungen der Oberlandesgerichte waren zuvor geteilt, einige hatten nach dem EuGHMR - Urteil gefährliche Schwerverbrecher freigelassen, andere haben dagegen die jetzt glücklicherweise vom BGHSt bestätigte Rechtsauffassung vertreten, dass deutsche Gerichte deutsche Gesetze nicht gegen den eindeutigen Wortlaut im Sinne von EuGHMR - Urteilen auslegen dürfen:

http://www.kostenlose-urteile.de/5-Stra ... s10548.htm

Es wird aber dennoch m. M. n. allerhöchste Zeit, dass die Sicherungsverwahrung so umgestaltet wird, dass auch der EuGHMR sie nicht mehr als quasi - Bestrafung sieht und strafrechtliche Maßstäbe an die deutsche SV legt.

Wenn die SV kein Strafrecht mehr ist, gibt es auch kein Problem mit dem Rückwirkungsverbot / besonderen Bestimmtheitsgebot mehr.

Anmerken wollte ich noch, dass man es der Frau vorher verwehrt hat, eine Waffe zu besitzen. Ich war immer ein Gegner des Tragens von Waffen. Muss jetzt zugeben, dass ich meine frühere Einstellung korrigiere und manchmal - so zB wie in diesem Fall - eine Waffe für unabdingbar halte.


Zumindest das Recht eines so schwer gefährdeten Menschen, selbst zu entscheiden, welches Risiko er eingehen will, ist unabdingbar. Es ist immer noch mit Gefahren verbunden, überhaupt mit Waffen umzugehen. Aber ob die Frau diese Risiken eingehen oder sie vermeiden will und dafür das Risko erhöht, zum wehrlosen Gewaltopfer zu werden, muss sie selbst entscheiden dürfen.
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Re: Beleg für den mangelhaften Schutz der Bürger

Beitragvon maxikatze » Sa 13. Nov 2010, 19:25

Aber ob die Frau diese Risiken eingehen oder sie vermeiden will und dafür das Risko erhöht, zum wehrlosen Gewaltopfer zu werden, muss sie selbst entscheiden dürfen.

Darf sie aber nicht! Legal bleibt ihr nur die Möglichkeit, ihre Identität zu wechseln. Eine Zumutung, bedenkt man die weitreichenden Konsequenzen und nur deswegen, weil ein Schwerverbrecher dieser Tage aus dem Knast kommt und Rache geschworen hat.
Illegal besteht die Möglichkeit, sich eine Waffe zu besorgen...
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Re: Beleg für den mangelhaften Schutz der Bürger

Beitragvon AlexRE » So 14. Nov 2010, 14:38

maxikatze hat geschrieben:Darf sie aber nicht! Legal bleibt ihr nur die Möglichkeit, ihre Identität zu wechseln. Eine Zumutung, bedenkt man die weitreichenden Konsequenzen und nur deswegen, weil ein Schwerverbrecher dieser Tage aus dem Knast kommt und Rache geschworen hat.
Illegal besteht die Möglichkeit, sich eine Waffe zu besorgen...


Die Voraussetzungen für einen Waffenschein sind in ihrer furchtbaren Bedrohungslange ganz sicher gegeben:

§ 8 Bedürfnis, allgemeine Grundsätze

Der Nachweis eines Bedürfnisses ist erbracht, wenn gegenüber den Belangen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung
1.besonders anzuerkennende persönliche oder wirtschaftliche Interessen, vor allem als Jäger, Sportschütze, Brauchtumsschütze, Waffen- oder Munitionssammler, Waffen- oder Munitionssachverständiger, gefährdete Person, als Waffenhersteller oder -händler oder als Bewachungsunternehmer, und
2.die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Waffen oder Munition für den beantragten Zweck
glaubhaft gemacht sind.


http://www.gesetze-im-internet.de/waffg_2002/__8.html

Ich würde mich allerdings nicht wundern, wenn die zuständigen Polizeibeamten der Frau den Waffenschein ausgeredet und dazu die Rechtslage falsch dargestellt hätten. Das war jedenfalls in der Vorgeschichte des "Arnsberger Prozesses" so, da wurden einer Familie in einer sehr ähnlichen Bedrohungssituation Waffenscheine versagt. In ihrer Not haben sie dann zu illegalen Mitteln gegriffen, ein Familienangehöriger hat sich eine illegale Waffe besorgt und den Verbrecher, der Rache angekündigt hatte, am Entlassungstag vor dem Gefängnistor erschossen. Die Geschichte ist Anfang der 90er Jahre verfilmt worden:

http://www.prisma-online.de/tv/film.html?mid=1993_angst

Wenn also etwas faul im Staate D. ist, liegt das nicht immer an den Gesetzen, sondern oft nur an den Staatsdienern, die für die Anwendung der Gesetze zuständig sind.
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Re: Beleg für den mangelhaften Schutz der Bürger

Beitragvon maxikatze » Mo 15. Nov 2010, 00:09

Ich würde mich allerdings nicht wundern, wenn die zuständigen Polizeibeamten der Frau den Waffenschein ausgeredet......

Man hat ihr den Waffenschein oder Waffenbesitzkarte nicht ausgeredet, sondern nicht genehmigt.
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Re: Beleg für den mangelhaften Schutz der Bürger

Beitragvon AlexRE » Mo 15. Nov 2010, 07:50

maxikatze hat geschrieben:Ich würde mich allerdings nicht wundern, wenn die zuständigen Polizeibeamten der Frau den Waffenschein ausgeredet......

Man hat ihr den Waffenschein oder Waffenbesitzkarte nicht ausgeredet, sondern nicht genehmigt.


Die Begründung möchte ich mal sehen. Dass sie eine "gefährdete Person" ist, kann noch nicht einmal ein typisch deutscher Unrechtsverwalter im Staatsdienst bestreiten. Also müssen sie ihr unterstellt haben, dass sie persönlich ungeeignet sei, eine Waffe zu tragen. Das ist anscheinend nur was für Machos mit Jagdschein und Juweliere.
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Re: Beleg für den mangelhaften Schutz der Bürger

Beitragvon Uel » Mo 15. Nov 2010, 22:08

Hallo Maxi,
bin sehr erfreut wieder was von Dir zu hören, :D


… obwohl das Thema widerlich ist, bekam gewaltige Wut, als ich das mit der Frau lesen musste.
Wie Du Dich sicherlich erinnern kannst, habe ich die Meinung vertreten, wie sie dann später auch vom EGH rüberkam und finde es richtig, wie das Justizministerium es jetzt regeln will, wenn ich es richtig verstanden habe.

Anhand dieser Geschichte muss ich meine rigorose Position (keine nachträgliche Sicherungsverwahrung wenn das aburteilende Gericht das nicht bei Urteilsverkündung in Aussicht gestellt hatte) doch einschränken:
Wenn ein Täter nachweislich Versuche macht, sein Opfer aufzufinden und gegen dessen Willen Kontaktaufnahmen versucht (z.B. das Vorbeischicken entlassener Kumpel), so müsste sofort ohne weiteres Prozedere Sicherungsverwahrung + psychologische Behandlung angeordnen werden. Nimmt er an der psychologischen Behandlung nicht mit Erfolg teil, so sollte die Sicherungsverwahrung dann nicht aufgehoben werden.


Aber bei der Dramatik der Geschichte und unserer verständlichen Wut darüber darf eins nicht aus den Augen verloren werden: Die größten Übeltäter in diesem Zusammenhang sind Staat und Justiz:
Der Staat hat nicht die Frau und ihre Kinder vor der Haupttat geschützt, obwohl die anderen Taten des Mannes eindeutig und eskalierend waren und ihm ein Kontaktverbot auferlegt wurde, was er ignorierte.

Wieso wurde er nicht gleich bei dem ersten Versuchen wegen Einbruchs verhaftet?

Wieso wurden die zuständigen Beamten nicht wegen Untätigkeit, Begünstigung im Amt, unterlassener Hilfeleistung oder was es sonst noch für juristische Folterinstrumente gegen unwillige Beamten gibt, angeklagt?

Er leistete Widerstand gegen die Staatsgewalt. Im Augenblick geistert durch die Presse, dass Widerstand gegen die Staatsgewalt (bei Demonstrationen) von 2 auf 3 Jahre Gefängnis erhöht werden soll. Aber bei dieser >Perle der Gesellschaft< war man nicht Willens, sie für 2 Jahre im Gefängnis ruhig zu stellen.
Was soll ein Annährungsverbot, wenn es nicht strafbewehrt ist?

Was soll ein Straftäter noch alles (10 vorhergehende Verurteilungen) tun um auf sich aufmerksam zu machen, damit die Justiz ihn endlich seiner kriminellen Energie entsprechend würdigt und seinen mangelnden Willen zur Besserung anerkennt ?

Wieso kann ein Gericht bei diesem kriminellen Lebenslauf und der Schwere der Tat auf eine psychologische Beurteilung verzichten?

Wie kann ein Gericht bei solch einem Fall vergessen, Sicherungsverwahrung in Aussicht zu stellen?

Wieso gab es keine Staatsanwaltschaft, die Revisionen ankündigte und das bis ganz oben durchfocht?

Wieso muss ein Opfer, dass der Staat mit seinem Gewaltmonopol nicht schützen kann oder will, dann selbst noch sein Abtauchen in die Anonymität selbst finanzieren und organisieren? Wofür bezahlen wir Profis für so etwas, unseren Geheimdienst?

Bekommen die Familienmitglieder wenigstens Schadenersatz für verringerte Lebensqualität?

Wenn also so viele Fragen entstehen, die Versagen oder nicht-Handelnwollen des Staates und der Justiz offenbaren, so sollte man nicht generell die Einwände des Europäischen Gerichts gegen nachträglich aus dem Hut gezauberte Sicherungsverwahrungen als haltlos diskreditieren. Denn wer bei Staat und Justiz derart im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen sondern seine ihm auferlegten Pflichten nachkommen, und zwar vor und während des Prozesses und nicht erst hektisch, wenn die Entlassung droht. Europa kann nicht für die Laxheit, Fehler und Versäumnisse der Deutschen Justiz und Behörden verantwortlich gemacht werden.

PS.: Ein Staat, der Juwelieren zur Verteidigung ihres Besitzes oder Waffensammler zur Befriedigung ihres Spleens Waffen erlaubt, aber einer Frau Waffen verweigert, einfach ihr nacktes Leben zu verteidigen, der ist ein Unrechtstaat.

PPS.: eine Frage an Alex: Wieso haben Täter eigentlich meist die gerissensten Anwälte und die Opfer zahnlose Luschen? Färben die Täter- oder Opfereigenschaften auf die Anwaltsleistungen ab? :lol:
Liebe Grüße
von Uel

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Re: Beleg für den mangelhaften Schutz der Bürger

Beitragvon AlexRE » Di 16. Nov 2010, 08:20

Uel hat geschrieben:PPS.: eine Frage an Alex: Wieso haben Täter eigentlich meist die gerissensten Anwälte und die Opfer zahnlose Luschen? Färben die Täter- oder Opfereigenschaften auf die Anwaltsleistungen ab? :lol:


1. Das ist zunächst einmal eine Frage der Wahrnehmung von Kriminalfällen. Du liest in erster Linie etwas über solche Fälle, die für die Medien interessant sind. Die sind aber auch für solche Anwälte interessant, die über eine gewisse Medienpräsenz mit spektakulären Fällen das öffentliche Bild des Top - Anwalts abgeben und so an weitere, sehr lukrative Mandate kommen können. Wie gut die tatsächlich sind, ist eine ganz andere Frage.

2. "Im Zweifel für den Angeklagten" & Co.: Die Strafverteidiger haben viel mehr Möglichkeiten, auf den Prozessverlauf Einfluß zu nehmen als die Vertreter der Nebenkläger. So kann der Eindruck entstehen, dass die einen gerissen und die anderen "zahnlose Luschen" sind.

3. Die Nebenklage vertritt andere Interessen als der Staatsanwalt. Wenn nicht gerade eine neue Straftat gegen dasselbe Opfer droht, spielt die Prävention (General- und Spezialprävention zum Schutz der Allgemeinheit) eine geringere Rolle für ein traumatisiertes Vergewaltigungsopfer als die Chance, sich eine Aussage und damit eine neuerliche Konfrontation mit dem Täter zu ersparen und möglicherweise sogar Schmerzensgeld zu kassieren. Deshalb kommen von den vermeintlichen Luschen - Anwälten der Opfer eher Vorschläge, mit den Täter - Anwälten fragwürdige "deals" zu machen (Bewährung gegen Geständnis und Schmerzensgeld) als von Staatsanwälten.
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Re: Beleg für den mangelhaften Schutz der Bürger

Beitragvon AlexRE » Fr 20. Jan 2012, 16:13

Ich habe unser Dauerthema hier heute auf dem neuen und recht gut besuchten Forum politikboard.org verlinkt und drei Beiträge auf den thread zu dem amerikanischen Notwehrfall mit den telefonischen Anweisungen der Polizei betr. Schusswaffeneinsatz geschrieben:

A.O.P. hat geschrieben:Wie willst Du Dich denn sonst (ohne aufwändige Schutzkleidung) gegen einen Messerangriff verteidigen. Gut, Du kannst Glück haben, aber auch erfahrene Kampfsportler halten das üblicherweise für recht unrealistisch.


Ich halte das auch für unrealistisch. Der von Dir zitierte Satz sollte die Behauptungen von Weissglut über das österreichische Notwehrrecht zusammenfassen und nicht meine Rechtsauffassung wiedergeben. Ich halte es auch für unmöglich, dass in Österreich oder sonstwo irgendein Richter die Meinung vertreten würde, dass der Schusswaffeneinsatz zur Abwehr eines Messerangriffes immer unverhältnismäßig sei.


Ein guter Satz. Wollte den nur noch mal hervorheben.

Die Handlung der 18jährigen finde ich übrigens in Ordnung. Schade (und schlimm), daß man in Deutschland so schwer legal an eine Schusswaffe kommt (und sie dann auch noch so aufbewahren muss, daß sie sowieso wenig bringt).


Auch da - und gerade da - gilt der hervorgehobene Satz. Wenn jemand ernsthaft bedroht wird, gesteht ihm auch das deutsche Waffenrecht einen Waffenschein zu. Aber in der Praxis finanzieren sie lieber ein sauteures Zeugenschutzprogramm als einen Waffenschein auszustellen. Manche bedrohte Menschen lassen sie auch ganz im Stich, verweigern ihnen aber trotzdem den Waffenschein. Das kann in Einzelfällen auf einen glatt verfassungswidrigen Eingriff in das Lebensrecht des Bedrohten hinauslaufen.

________________

Hier ein typischer Fall, in dem ein Waffenschein hätte ausgestellt werden müssen:

Dem Rat der Polizei zu folgen ist Frau G. äußerst schwergefallen. "Wenn ich keine Kinder hätte, dann hätte ich vielleicht gezögert, hätte mehr riskiert", erklärt sie. "Dann hätte ich mir eine Waffe besorgt, um mich im Notfall wehren zu können." Allerdings: Der Antrag der ausgebildeten Sportschützin auf Erteilung einer Waffenbesitzkarte wurde abgelehnt.


http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,727654-4,00.html

Stattdessen gestehen sie der Frau noch nicht einmal eine Waffenbesitzkarte zu und zwingen sie in ein Zeugenschutzprogramm.

Ein bekannter Fall ("Arnsberger Prozess") wurde sogar verfilmt:

http://www.prisma.de/film.html?mid=1993_angst

Da haben sich die Bedrohten eine illegale Waffe besorgt, allerdings nicht auf den Eintritt einer Notwehrsituation gewartet, sondern die menschliche Bestie bei der Entlassung aus dem Gefängnis am Gefängnistor erschossen. Das kostet dann 4 1/2 Jahre wegen minderschweren Totschlags statt eine Geldstrafe wegen unerlaubten Waffenbesitzes:

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13503125.html

Mehr hätten sie nämlich nicht bekommen, wenn sie den Angriff abgewartet hätten, vor dem der "Rechtsstaat" sie nicht schützen wollte. Dass ein Verteidigungsmittel sich illegal im Besitz des Verteidigers befindet, spielt nämlich bei der Beurteilung der Notwehrsituation selbst keine Rolle.

Siehe auch das Dauerthema auf dem Forum von GG-Aktiv:

http://grundgesetzaktiv.de/phpBB3/viewtopic.php?f=7&t=61&start=20

_______________________________

Casper hat geschrieben:danke. somit wissen also nun etwaig betroffene, wie sie sich verhalten sollten.


In so einer Extremsituation würde ich zusätzlich noch über alle Instanzen auf Erteilung eines Waffenscheins klagen und notfalls bis zum EGHMR gehen. In den beiden Beispielsfällen wurden durch die Verweigerung der Waffenscheine Verfassungs- und Menschenrechte verletzt. Im Arnsberger Fall hat sich der Staat sogar zum Co - Aggressor an der Seite des Verbrechers gemacht.

Wenn man so nicht rechtzeitig an einen Waffenschein kommen kann, kann man nach der Verurteilung zu einer Geldstrafe wegen unerlaubten Waffenbesitzes immer noch den Weg durch die Instanzen antreten. Das ist dann ein klarer Fall von rechtfertigendem Notstand, den die hiesige Justiz nur verleugnen muss, weil sie den Notstand selbst verursacht hat. Aber der Tritt in die höchstrichterlichen Hintern auf Straßburger Parkett ist bei dem Thema schon lange überfällig.

http://politikboard.org/showthread.php?1264-18-jährige-Mutter-feuerte-in-den-USA-auf-Einbrecher/page14
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Re: Beleg für den mangelhaften Schutz der Bürger

Beitragvon AlexRE » Fr 17. Feb 2012, 20:27

Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten der Prävention von Straftaten:

Autohändler Janis Z. verzichtet auf seine tägliche Wodka-Dosis, weil er nicht betrunken am Steuer erwischt werden will. Unter Entzug stehend überfällt er einen Rentner. Jetzt fällt das Urteil

(...)

Der Vorsitzende Richter Thomas Denz erläutert in seiner Urteilsbegründung: „Hätte der Angeklagte seine übliche Tagesdosis von einem Liter Wodka getrunken, wäre die Tat nicht passiert.“ Juristisch heißt das: Janis Z. (Anwalt Christian Gerber) war zur Tatzeit „schuldunfähig“. Der Autohändler aus Riga (Lettland) war vor der Tat im Juni 2011 nach München gereist. Er hatte sich selber auf Entzug gesetzt, weil er die Sanktionen bei Alkohol am Steuer in Deutschland fürchtete.

(...)


http://www.abendzeitung-muenchen.de/inh ... d7256.html

Man muss potentielle Straftäter nur auf Staatskosten so mit Alkohol abfüllen, dass sie friedlich werden, und schon geht die Kriminalitätsrate zurück. ;)
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