Aussagen traumatisierter Vergewaltigungsopfer kein Beweis

Hier wird das Problem des zunehmend mangelhaften Schutzes der Bürger vor Gewalttaten und dessen verfassungsrechtliche Relevanz erörtert. (Artikel 1 Abs. 1 Satz 2 GG)

Aussagen traumatisierter Vergewaltigungsopfer kein Beweis

Beitragvon GasGerd » Fr 18. Mär 2011, 16:41

Zu dem aktuellen Urteil habe ich einen thread auf gmx / web.de eröffnet:

http://meinungen.gmx.net/forum-gmx/post/11563350

http://meinungen.web.de/forum-webde/post/11563350
___________________________________________________

Aussagen traumatisierter Vergewaltigungsopfer sind kein Beweis

Das meint jedenfalls das Landgericht Bremen:

Bremen. Das Landgericht Bremen hat sechs Männer von dem Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen. Sie waren angeklagt, ein 17-jähriges Mädchen im Juli 2007 zu sechst über Stunden vergewaltigt und sexuell misshandelt zu haben.

...

Da den Männern kein Vorsatz nachgewiesen werden konnte, wurden sie aus Mangel an Beweisen freigesprochen. „Bei den geschilderten Vorfällen, bei denen wir keinen Zweifel hatten, dass sie stattgefunden haben, kann einem nur schlecht werden“, so der Vorsitzende Richter bei der Urteilsbegründung."


http://www.weser-kurier.de/Artikel/Bremen/Vermischtes/342158/Freispruch+im+Vergewaltigungsprozess.html

Soweit, so schlecht. Sehr viele Vergewaltigungsprozesse enden mit einem Freispruch, weil es "Aussage" gegen "Aussage" steht, beide Aussagen gleich glaubhaft und der Beschuldigte sowie die Zeugin gleich glaubwürdig erscheinen.

Wenn aber wie hier nach dem Geschehensablauf eine typische Gruppenvergewaltigung vorliegt, kann man das mit der "Aussage gegen Aussage" - Situation in den vielen Fällen, in denen es um eine für das Gericht schwer überschaubare Zweierbeziehung geht, m. E. kaum vergleichen. Die Aussagen der mutmaßlichen Täter sind hier also EIGENTLICH weniger glaubhaft als die der Zeugin und der Freispruch ist deswegen keineswegs selbstverständlich.

Dafür hat das Gericht aber hier eine bemerkenswerte Begründung gefunden, den armen Jungs nicht ihre Zukunft versauen zu müssen:

"Die 17-Jährige habe Abtreibungen hinter sich und Erlebnisse mit sexueller Gewalt, so Richter Keller. Wenn sie jetzt traumatisiert sei, liege das vielleicht nicht nur an jener Nacht zum 1. Juli 2007. Die junge Frau habe offenbar Probleme, sich deutlich abzugrenzen. Gegenüber der Kriminalpolizei sagte sie einmal aus, ihr sei damals "alles egal" gewesen. Hatten die Angeklagten sie mit "K.O.-Tropfen" gefügig gemacht? Auch das war nun aus Sicht des Bremer Landgerichts nicht mehr feststellbar."


http://www.taz.de/1/nord/kultur/artikel/1/trauma-schuetzt-vor-strafe/

Künftig muss sich so eine Bande also nur Informationen verschaffen, welches Mädchen schon einmal Opfer war, dann sind die feinen Herrschaften vor der Justiz sicher. Sogar der Staatsanwalt hat zum Schluss Freispruch beantragt, das Mädchen ist ja ohnehin total fertig und die Jungs haben ja noch ihr ganzes Leben vor sich. Da darf man ihnen natürlich keine Steine in den Weg legen....
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Re: Aussagen traumatisierter Vergewaltigungsopfer kein Beweis

Beitragvon maxikatze » Fr 18. Mär 2011, 17:08

Es muss doch möglich sein, dieses Urteil zu kassieren!
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Re: Aussagen traumatisierter Vergewaltigungsopfer kein Beweis

Beitragvon AlexRE » Fr 18. Mär 2011, 17:42

maxikatze hat geschrieben:Es muss doch möglich sein, dieses Urteil zu kassieren!


Wenn selbst der Staatsanwalt Freispruch beantragt hat (wahrscheinlich in der Cafeteria abgequatscht), bleibt immer noch die Berufung oder Revision durch die Nebenklage:

http://www.kanzlei-breidenbach.de/gloss ... -395-stpo/

Für ein Vergewaltigungsopfer ist der Prozess aber immer eine große Belastung und in diesem Fall scheint das Opfer ja eher willensschwach (traumatisiert) zu sein. Ich glaube eher nicht, dass es da eine Revision geben wird.
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Re: Aussagen traumatisierter Vergewaltigungsopfer kein Beweis

Beitragvon maxikatze » Fr 18. Mär 2011, 18:04

Ich frage mich, was dieses Unrechtsurteil beim Opfer auslösen mag.....
Welche Folgen kann das haben?
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Re: Aussagen traumatisierter Vergewaltigungsopfer kein Beweis

Beitragvon AlexRE » Fr 18. Mär 2011, 18:35

maxikatze hat geschrieben:Ich frage mich, was dieses Unrechtsurteil beim Opfer auslösen mag.....
Welche Folgen kann das haben?



Ich weiß es auch nicht, ich komme bei so etwas selbst nicht mehr mit. Nach meinem Rechtsverständnis ist das eigentlich ein eindeutiger Fall, der Grundtatbestand war noch nicht einmal streitig:

.§ 177
Sexuelle Nötigung; Vergewaltigung.(1) Wer eine andere Person

1. mit Gewalt,
2. durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder
3. unter Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist,

nötigt, sexuelle Handlungen des Täters oder eines Dritten an sich zu dulden oder an dem Täter oder einem Dritten vorzunehmen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1. der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder an sich von ihm vornehmen läßt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere, wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2. die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(...)



http://dejure.org/gesetze/StGB/177.html


Einer der Strafverteidiger will ja die Bildzeitung verklagen, weil die seinen Mandanten als "feigen Vergewaltiger" bezeichnet hat. Wollen wir mal sehen, ob der Bursche an seiner so auf längere Zeit fortgeschriebenen Medienpräsenz viel Freude hat.
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Re: Aussagen traumatisierter Vergewaltigungsopfer kein Beweis

Beitragvon GasGerd » Sa 19. Mär 2011, 14:52

Auf gmx läuft heute ein thread zum Thema "NPD", dort habe ich in einem Beitrag einen Zusammenhang zu unserem Thema hier hergestellt und dann auf meinen gmx - thread kopiert:
__________________________________

Q. E. D., S. 1

Ja ja, die bösen Ausländer....

Wenn die nicht so böse wären, müsste unsere Justiz nicht ständig Mist bauen. *augenroll*

Ich habe das Thema hier auf dem aktuellen NPD - thread:

http://meinungen.gmx.net/forum-gmx/post/11557724?sp=427#jump

... verlinkt, da gehört es unbedingt hin:
________________________________________________________

Na, wenn sich dieser Aufruf mal nicht als kontraproduktiv erweist. Das vernehmen ja auch die vielen Menschen, die stinksauer auf die etablierten Parteien sind und eigentlich gar nicht wählen wollen. Wenn man denen jetzt in den Ohren liegt, blooooß nicht NPD zu wählen, kommen sie noch auf die Idee, dass man gerade mit dieser Protestwahl die Sch......politiker noch am meisten ärgern kann.

Anstatt den Bürgern zu erzählen, was sie nicht tun sollen, sollten unsere hohen Herrschaften mal lieber ihren eigenen Job vernünftig machen, dann gibt es auch weniger Protestwähler.

Der Fall hier betrifft z. B. ein typisch deutsches opferverachtendes Schwachsinnsurteil, das von dem Staatsanwalt auch noch mitgetragen wird (der hat auch Freispruch beantragt):

http://meinungen.gmx.net/forum-gmx/post/11563350

http://meinungen.web.de/forum-webde/post/11563350

Ein demokratischer Rechtsstaat muss sich gegen Degenerationserscheinungen in der Justiz wehren können, sei es durch gesetzlich eingeschränkte Ermessenspielräume für die Gerichte in Fällen schwerer Gewaltkriminalität, sei es durch neue Einrichtungen wie z. B. Bundesstaatsanwaltschaften, die den Akteuren in kranken Justizsoziotopen wie Hamburg und Bremen notfalls in sensiblen Fällen die Zuständigkeit wegnehmen können.

Wenn der Rechtsstaat friedlichen Bürgern den Eindruck vermittelt, dass ihr Schutz vor Gewaltverbrechen ein weit nachrangiges Thema ist, nimmt die Friedlichkeit auch der harmlosesten Schafe irgendwann Schaden. Der für jeden Einzelnen risikoloseste und bequemste Weg, seiner wachsenden Unfriedlichkeit Ausdruck zu verleihen, ist nun einmal, in der Wahlkabine das Kreuzchen bei einer unfriedlichen Partei zu platzieren.

Wenn man also kein Verbot der NPD hinbekommt, dann kann man sie auf keinen Fall durch Aufrufe kleinhalten, sondern durch saubere politische Arbeit an Themen, die die NPD andernfalls für sich instrumentalisiert.
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Re: Aussagen traumatisierter Vergewaltigungsopfer kein Beweis

Beitragvon Uel » Sa 19. Mär 2011, 15:00

Alex schrieb:
Ich weiß es auch nicht, ich komme bei so etwas selbst nicht mehr mit. Nach meinem Rechtsverständnis ist das eigentlich ein eindeutiger Fall, der Grundtatbestand war noch nicht einmal streitig:


Ich auch nicht :!: :!: :!: So entschieden ich im Zweifel für den Angeklagten bin, so entschieden bin ich, wenn da keine Zweifel mehr sind, dass dann genau in dem Rahmen, den das Gesetz vorsieht, auch v e r u r t e i l t - w e r d e n
- m u ß!
Nach dem obigen Gesetzestext offensichtlich mindestens 1 Jahr, wahrscheinlicher aber ehr 2 Jahre.

Und wenn sich eine Gruppe versucht, gegenseitig zu schützen, so muss sie der Bildung einer kriminellen Vereinigung strafverschärfend behandelt werden. Denn wenn irgendwo vergewaltigt wird, stehen da ja nicht gleich 6 Leute bereit herum, da braucht es ja schon einer organisatorischen Verabredung. Da müssen die sich ja auch sicher sein, dass nicht einer kurz mal rausgeht, und per Handy die Polizei anruft.


Können Richter und Staatsanwaltschaft nicht wegen Rechtsbeugung und Begünstigung im Amt angeklagt werden. Waren die Eltern der jungen Vergewaltiger im gleichen Lions-Club, sodass der Staatsanwalt so sehr an der Zukunft dieser Perlen der Gesellschaft interessiert ist? Wegen der prinzipiellen Bedeutung des Falles müßten Organisationen wie der Weiße Ring oder Menschenrechtler mit massiver Unterstützung sich dieses Falles annehmen. Denn die Logik des Urteils, wenn es hier richtig wiedergegeben wurde, gefährdet den allgemeinen Rechtsfrieden im Lande!
Liebe Grüße
von Uel

Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke: --- Kein Plan übersteht den ersten Feindkontakt --- (gefunden bei Vince Ebert) Mein Zusatz: ... der Feind kann auch Realität heißen!
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Re: Aussagen traumatisierter Vergewaltigungsopfer kein Beweis

Beitragvon AlexRE » Sa 19. Mär 2011, 15:59

GasGerd hat geschrieben:Auf gmx läuft heute ein thread zum Thema "NPD", dort habe ich in einem Beitrag einen Zusammenhang zu unserem Thema hier hergestellt und dann auf meinen gmx - thread kopiert:


Für diesen Zusammenhang haben wir schon lange einen speziellen thread, ich kopiere mal den ganzen Beitrag dorthin:

Grundgesetz Aktiv > Politische Gefahren
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Re: Aussagen traumatisierter Vergewaltigungsopfer kein Beweis

Beitragvon AlexRE » Sa 19. Mär 2011, 16:23

Uel hat geschrieben:Wegen der prinzipiellen Bedeutung des Falles müßten Organisationen wie der Weiße Ring oder Menschenrechtler mit massiver Unterstützung sich dieses Falles annehmen. Denn die Logik des Urteils, wenn es hier richtig wiedergegeben wurde, gefährdet den allgemeinen Rechtsfrieden im Lande!


Ich rufe am Montag die Nebenklagevertreterin in diesem Fall an und frage, ob grundsätzlich erwogen wird, in Berufung oder Revision zu gehen. Falls ja, werde ich zunächst Unterstützung dabei durch GG-Aktiv (Internetpublizität, Geldsammelaktion für einen Rechtshilfefonds, kostenlose Unterstützung durch Ricardas Kanzlei usw.) anbieten und dann den Weißen Ring kontaktieren.
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Re: Aussagen traumatisierter Vergewaltigungsopfer kein Beweis

Beitragvon AlexRE » Mo 21. Mär 2011, 11:37

Als Kontrast ein Beispiel eines Strafverfahrens gegen eine Vergewaltigerbande, die K. O. - Tropfern verwendet hatte und verurteilt wurde:

Wegen der stundenlangen und mehrfachen Vergewaltigung einer zuvor mit K.- o.-Tropfen betäubten Wiesn-Besucherin hat das Landgericht am Freitag drei angeklagte Münchner zu hohen Haftstrafen verurteilt. Die beiden Haupttäter müssen für zehn Jahre und neun Monate beziehungsweise acht Jahre und neun Monate hinter Gitter.


http://www.sueddeutsche.de/muenchen/liserl-prozess-unfassbare-dimension-von-brutalitaet-1.36987

Über zehn Jahre (!!!, das kriegt man sonst für Totschlag oder versuchten Mord) für dasselbe Verbrechen, für das die Bremer Justiz freispricht.

Aber das Münchener Opfer war ja auch zuvor noch nicht vergewaltigt worden und die Aussage konnte deshalb verwertet werden. Wenn dieselbe Frau nochmal vergewaltigt wird, kommen die Täter wahrscheinlich auch davon, die ist ja dann traumatisiert und als Zeugin "verbrannt".
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