Notwehr, Mittäterschaft & Co. - Fallsammlung

Hier wird das Problem des zunehmend mangelhaften Schutzes der Bürger vor Gewalttaten und dessen verfassungsrechtliche Relevanz erörtert. (Artikel 1 Abs. 1 Satz 2 GG)

Re: Notwehr, Mittäterschaft & Co. - Fallsammlung

Beitragvon maxikatze » Do 24. Apr 2014, 14:44

Staber hat geschrieben:Gab bei den Ausbildern in der BW so ein Schnack" ...„und nach dem Warnschuss immer nur auf die Beine schiessen! Brustbeine, Nasenbeine, Jochbeine …“ Ist jetzt nicht sooo ein Aufreger, meine ich mal. ;)


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Re: Notwehr, Mittäterschaft & Co. - Fallsammlung

Beitragvon AlexRE » Do 24. Apr 2014, 22:10

Die Begründung des OLG Celle hatte ich bislang im Netz gesucht und erst heute gefunden:

(...)

Die Aktenlage lasse keine Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten, er habe einen Schuss gehört und sich gegen diesen verteidigt, erkennen. Es bestehe vielmehr eine ausreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Angeklagte weder aus Gründen der Notwehr infolge eines Schusses, noch aufgrund eines diesbezüglichen Irrtums gehandelt habe. Auch könne der Senat keine Anhaltspunkte für eine Notwehrlage aufgrund eines gegenwärtigen Angriffs auf das Eigentum des Angeklagten feststellen. Eine Notwehrlage hätte vorausgesetzt, dass sich der Angeklagte eines solchen Angriffs bewusst gewesen wäre und aus diesem Grund in Verteidigungsabsicht gehandelt hätte.

(...)


http://www.oberlandesgericht-celle.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=13597&article_id=112901&_psmand=54


Wenn das OLG den Sachverhalt so beurteilt, dass der Rentner sein Eigentum wahrscheinlich gar nicht verteidigen wollte (bzw. nicht wusste, welcher Räuber das Geld bei sich hatte), dann muss natürlich das Verfahren eröffnet werden. Der Angriff auf seine Persönlichkeitsrechte war ja mit der Flucht der Täter ganz eindeutig beendet. Wenn er dann schießt, ohne sein Eigentum verteidigen zu wollen, bleibt nur noch Wut und das Bedürfnis nach Rache als Motiv für den Todesschuss. Und das ist in jedem Land der Welt ganz eindeutig rechtswidrig, da gibt es nichts zu diskutieren.
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Re: Notwehr, Mittäterschaft & Co. - Fallsammlung

Beitragvon AlexRE » Do 1. Mai 2014, 18:48

Der Tod eines deutsch-türkischen Austauschschülers in den USA wird derzeit auf fast allen Foren diskutiert:

Montana

Austauschschüler erschossen: Anklage in USA

(...)

Das Tor zu seiner Garage stand rund anderthalb Meter weit geöffnet, als der Teenager sich in der Nacht auf das Grundstück in einer ruhigen Wohngegend von Missoula begab. Die Partnerin des Mannes hatte eine Handtasche mit persönlichen Gegenständen in die Garage gestellt - "damit sie es nehmen", sagte sie der Polizei. Beide überwachten den Bereich mit Hilfe von Bewegungssensoren, einem Babyfon und einer Live-Videoübertragung aus dem Innenraum der Garage.

Auf die Lauer gelegt

"Ich warte nur darauf, einen verdammten Typen zu erschießen", soll der Angeklagte einer Zeugin zufolge gesagt haben. Drei Nächte in Folge habe er bereits mit seinem Gewehr gewartet, um die Einbrecher zur Strecke zu bringen.

(...)


http://www.heute.de/anklage-deutscher-austauschschueler-in-usa-erschossen-32954474.html

Die meisten Foristen nehmen an, dass das Notwehrrecht in den USA den dortigen schießwütigen Bürgern entgegenkommt und deshalb sehr weitgehend ist. Dem ist aber nicht so. Tatsächlich ist das deutsche Notwehrrecht (jedenfalls auf dem Gesetzespapier, viele Urteile gehe in unzulässiger Weise restriktiv mit dem hiesigen Notwehrrecht um) das weitestgehende der Welt. Die "stand your ground" - Regelung in den USA erlaubt nur auf dem eigenen Territorium (Grundstück, aber auch im eigenen Auto) eine offensive Notwehr, die in Deutschland auch in der Öffentlichkeit bzw. auf neutralem Territorium uneingeschränkt erlaubt ist. In den USA gibt es insofern Einschränkungen, wer sich ohne jedes Eigenrisiko zurückziehen und die Polizei rufen kann, muss das in vielen Situationen auch tun, während in Deutschland das Beharren auf der eigenen rechtmäßigen Position immer und überall zulässig ist.

Dazu verlinke ich noch einmal den LTO - Artikel, den ich im vergangenen Jahr kommentiert hatte:

Aufregung über US-Notwehrrecht unberechtigt

Stand your ground

Nach dem Freispruch von George Zimmerman, der im vergangenen Jahr den 17-jährigen* Afroamerikaner Trayvon Martin erschossen hatte, ist die Empörung groß. Hierzulande machen viele das amerikanische Notwehrrecht für das als ungerecht empfundene Urteil verantwortlich – und verkennen dabei, dass die deutsche Rechtslage sogar weiter geht als die amerikanische.

(...)


http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/george-zimmerman-trayvon-martin-usa-notwehrrecht-stand-your-ground/

Mein damaliger Kommentar zu diesem Artikel:

---

>> Die Kombination eines überscharfen Notwehrrechts mit einem extrem liberalen Waffenrecht - mit der Folge, dass es eben sehr häufig gerade um Schusswaffeneinsatzt geht - wird deshalb völlig zu recht kritisiert. <<

Das passt sehr gut zusammen. Mehr Freiheit bedeutet immer auch mehr Verantwortung. Außerdem ist ein Rückzug eher zumutbar, wenn man eine Schusswaffe trägt und eine Verschlechterung der Verteidigungsposition durch die Fluchtbewegung nicht ins Gewicht fällt.

---

In dem aktuellen Fall in Montana ist es also sehr unwahrscheinlich, dass das im Vergleich zum deutschen Notwehrrecht restriktivere amerikanische die Fallenstellerei des Hausbesitzers als Notwehr anerkennt.

Im deutschen Notwehrrecht würde das nämlich sehr wahrscheinlich von einem hier zuständigen Gericht als Notwehrprovokation angesehen und der fallenstellende "Verteidiger" verurteilt:

http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/archiv/10-02/index.php?sz=10
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Re: Notwehr, Mittäterschaft & Co. - Fallsammlung

Beitragvon AlexRE » Mo 9. Jun 2014, 16:06

Auf Facebook gesehen und kommentiert:

Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.06.2014 - VIII ZR 289/13

BGH-Urteil: Keine Kündigung wegen Rausschmiss des Vermieters

Wenn ein Vermieter die Räume seines Mieters betritt, obwohl er aufgefordert wurde diese zu verlassen, darf sich nicht wundern, wenn er vom Mieter "rausgeschmissen" wird. In diesem Fall trug der Mieter seine Vermieterin kurzerhand aus dem Haus.

(...)

Angesichts der Gesamtumstände, insbesondere des vorangegangenen pflichtwidrigen Verhaltens der Vermieterin, stellt das mit der Kündigung beanstandete Verhalten des Beklagten - selbst wenn er damit, wie das Berufungsgericht angenommen hat, die Grenzen erlaubter Notwehr (geringfügig) überschritten haben sollte - jedenfalls keine derart gravierende Pflichtverletzung dar, dass der Vermieterin deshalb die weitere Fortsetzung des Mietverhältnis nicht zugemutet werden könnte (§ 543 Abs. 1 Satz 2 BGB). Auch von einer Vertragsverletzung von einem Gewicht, das ein berechtigtes Interesse der Vermieterin an der Beendigung des Mietvertrags rechtfertigt (§ 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB), kann unter diesen Umständen nicht ausgegangen werden.

(...)


http://www.rechtsindex.de/mietrecht/4300-viii-zr-289-13-bgh-urteil-keine-kuendigung-wegen-rausschmiss-des-vermieters


>> - selbst wenn er damit, wie das Berufungsgericht angenommen hat, die Grenzen erlaubter Notwehr (geringfügig) überschritten haben sollte - <<

Die Begründung möchte ich mal sehen. Immerhin verletzt ein tatbestandlicher Hausfriedensbruch, wie in diesem Fall von der Vermieterin begangen, eine grundgesetzlich besonders geschützte Rechtsposition des Mieters (Art. 13 GG).

Das Erdichten schräger Begründungen für angebliche Notwehrüberschreitungen scheint sich zu einer Zeitgeisterscheinung bei Gericht auszuwachsen.
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Re: Notwehr, Mittäterschaft & Co. - Fallsammlung

Beitragvon AlexRE » Sa 4. Okt 2014, 10:35

Diese (vermutliche gestellte) Aktion stellen sich die Facebook - User zu einfach vor:

Link


https://www.facebook.com/video.php?v=775333065841941

Wenn das asoziale Stück Sch ... Anzeige erstattet und Strafantrag stellt, kostet das mindestens einen Tausender wegen tätlicher Beleidigung. Was noch so entfernt nach Selbstjustiz aussieht, stört unsere Halbgötter in schwarz und rot weitaus mehr als asoziales Pack in öffentlichen Verkehrsmitteln.
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Re: Notwehr, Mittäterschaft & Co. - Fallsammlung

Beitragvon AlexRE » Mo 27. Okt 2014, 17:56

Der Sittenser Rentner ist wegen minderschweren Totschlags bei verminderter Schuldfähigkeit zu 9 Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt worden:

16-Jährigen bei Überfall erschossen: Bewährungsstrafe für Rentner

(...)

Nach Überzeugung des Gerichts gab der Rentner die Schüsse aus Angst um sein Leben bewusst ab, überschritt dabei aber die Grenzen der Notwehr. „Ein gezielter Schuss auf Arme oder Beine wäre ausreichend gewesen und hätte auch den Angreifer gestoppt“, sagte der Vorsitzende Richter Berend Appelkamp in seiner Urteilsbegründung.

So habe der Rentner auf einen ohnehin fliehenden Menschen geschossen. Als Jäger sei er waffenkundig gewesen und hätte wissen müssen, dass er nicht auf den Oberkörper zielen dürfe. „Er hat den Tod des Räubers subjektiv billigend in Kauf genommen.“

(...)


http://www.kreiszeitung.de/lokales/rotenburg/sittensen-ort53359/urteil-landgericht-stade-16-jaehrigen-ueberfall-sittensen-erschossen-bewaehrungsstrafe-rentner-4265480.html


Also haben wir es mal wieder mit richterlichen Combat - Spezialisten zu tun. Ein Gericht kann genau beurteilen, dass man den Vorturner einer Tottreter - Gang wegschubsen oder mit dem Messer in den Arm pieksen kann und ein Stich in den Hals deshalb nicht erforderlich ist, ein anderes Gericht weiß dagegen, dass man einen Angreifer ohne vorherigen Warnschuss durch eine verriegelte und noch nicht vollständig aufgebrochene Tür erschießen darf, weil der Warnschuss "die Kampfposition unzumutbar verschlechtern" würde, und jetzt erklärt uns das Landgericht Stade, dass man einen rennenden Gegner (dessen Kumpan eine vermeintlich tödliche Scheinwaffe trägt) bei Nacht und Nebel mit einer normalen Pistole ins Bein treffen kann.

Vielleicht sollte die Verteidigungsministerin darüber nachdenken, ein aus deutschen Richtern bestehendes Bundeswehr - Spezialkommando aufzustellen. Wenn diese allwissenden Kriegsgötter in Afghanistan einfliegen, sind die Taliban in zwei Tagen am Arsch ... :roll:
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Re: Notwehr, Mittäterschaft & Co. - Fallsammlung

Beitragvon Staber » Mo 27. Okt 2014, 19:41

@ Alex
Vielleicht sollte die Verteidigungsministerin darüber nachdenken, ein aus deutschen Richtern bestehendes Bundeswehr - Spezialkommando aufzustellen. Wenn diese allwissenden Kriegsgötter in Afghanistan einfliegen, sind die Taliban in zwei Tagen am Arsch ... :roll:

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Re: Notwehr, Mittäterschaft & Co. - Fallsammlung

Beitragvon Staber » Mo 27. Okt 2014, 20:03

Rentner wehrt sich...Freispruch in Sicht!
Gute Aussichten für einen alten Mann, der von 5 (in Worten fünf) Männern überfallen, gedemütigt und ausgeraubt wurde.
Dubiose Rolle des OLG Celle, das den ersten Freispruch aufgehoben hat! Erneut vor Gericht gezerrt...was hat der Rentner in den letzten Monaten über sich ergehen lassen müssen?
War es nicht auch Celle...Staatsanwaltschaft...die sich hinsichtlich Christian Wulf wg. ca. 800 Euro einen Prozess von ca. 5 Millionen Euro auf Kosten der Steuerzahler gegönnt hat. In dubio pro reo!...wohl nicht, wenn die 3. Gewalt im Staate in CELLE glaubt, sich auf Kosten von Opfern profilieren zu müssen.
Fazit: Vor Gericht bekommst du keine Gerechtigkeit, sondern ein Urteil...
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Re: Notwehr, Mittäterschaft & Co. - Fallsammlung

Beitragvon AlexRE » Mo 27. Okt 2014, 21:58

Staber hat geschrieben:@ Alex
Vielleicht sollte die Verteidigungsministerin darüber nachdenken, ein aus deutschen Richtern bestehendes Bundeswehr - Spezialkommando aufzustellen. Wenn diese allwissenden Kriegsgötter in Afghanistan einfliegen, sind die Taliban in zwei Tagen am Arsch ... :roll:

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Danke :)
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Re: Notwehr, Mittäterschaft & Co. - Fallsammlung

Beitragvon AlexRE » Di 28. Okt 2014, 17:36

Auf dem Forum "Politopia" zu dem Sittenser Fall geschrieben:
----

Noch einmal, weil da bei vielen Leuten (nicht nur hier auf dem Forum) ein Missverständnis besteht: Dass der Rentner mangels milderer Mittel auch sein Eigentum an den 2.000 Euro mit tödlicher Gewalt verteidigen durfte, haben die Richter in Celle und Stade nicht bestritten. Das Fass wollten sie nicht aufmachen, weil es seit jeher im deutschen Notwehrrecht so ist, dass alle Rechtsgüter notwehrfähig sind und die Rechtsgüter des Aggressors nicht mit denen des Verteidigers abgewogen werden (von sog. "Bagatellangriffen" abgesehen). Wenn man keine andere Möglichkeit hat, einen nennenswerten Geldbetrag gegen Räuber zu verteidigen, darf man also schießen. Diese Prinzipien wollte hier keiner der beteiligten Richter durch einen konfliktgeneigten und arbeitsaufwändigen "Versuchsballon" (völlig neue Rechtsprechung als Vorlage für den BGH) in Frage stellen:

(...)

Dem Gericht zufolge bestand für den Angeklagten zum Zeitpunkt der Schüsse keine Lebensgefahr mehr, da die Täter bereits auf der Flucht waren. Auch zur Verteidigung seines Eigentums seien die auf Oberkörperhöhe abgegebenen Schüssen ohne Warnung nicht angemessen gewesen. Zwar sei die Verteidigung von Eigentum auch mittels Schusswaffe durchaus erlaubt. Der Angeklagte hätte aber zumindest einen Warnschuss abgeben „können und müssen“.

Die Angeklagte sei zudem Jäger und daher auch im Umgang mit Schusswaffen geübt gewesen. Außerdem waren laut Urteil durch die Aktivierung der Alarmanlagen starke Lampen rund um das Haus angegangen, sodass der Schütze zum fraglichen Zeitpunkt eine gute Sicht hatte.

(...)



http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/bewaehrungsstrafe-rentner-wegen-toedlicher-schuesse-auf-fliehenden-raeuber-verurteilt-13232364.html

Stattdessen behauptet das Gericht einfach, der Rentner hätte den Flüchtenden ins Bein schießen können und wäre zu einem Warnschuss verpflichtet gewesen, obwohl aus seiner Sicht einer der Täter bewaffnet war. Das wiederum kollidiert mit der Feststellung des BGH im Falle des Koblenzer Rockers, nach der Notwehrübenden ein Warnschuss nicht zuzumuten sei, wenn sie dadurch "ihre Kampfposition" verschlechterten.

Das soll jetzt im Fall des Sittenser Rentners nicht mehr gelten, weil für die Fallkonstellation des flüchtenden Räubers ein anderes rechtspolitisches Signal erwünscht ist als im Koblenzer Fall?

Solche Unterschiede kann nur der Gesetzgeber in neuen Vorschriften machen, etwa durch die Splittung des Notwehrrechts in uneingeschränkt (auch mit tödlichen Mitteln) zu verteidigende Rechtsgüter wie Leib und Leben auf der einen Seite und zurückhaltender zu verteidigende Rechtsgüter wie das Eigentum auf der anderen Seite. Wenn Richter sich so eine gesellschaftliche / rechtspolitische Gestaltungsmacht anmaßen und dafür das geltende Recht mal in die eine und mal in die andere Richtung biegen, schaffen sie nur Rechtsunsicherheit. Das ist aber auf einem Rechtsgebiet wie dem Notwehrrecht, wo es um Leben und Tod geht, absolut unakzeptabel.
Der Stuttgarter OB Rommel:

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