Afghanistan

Ein Unterforum für rechtsvergleichende Themen

Re: Afghanistan

Beitragvon maxikatze » Mo 5. Jul 2021, 19:40

Uel hat geschrieben:
.... oder die Nato ist ganz schnell wieder da.

Glaub ich nicht!


Ich auch nicht. Die Taliban wittern jetzt Morgenluft.
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Re: Afghanistan

Beitragvon AlexRE » Mo 5. Jul 2021, 20:08

Uel hat geschrieben:
.... oder die Nato ist ganz schnell wieder da.

Glaub ich nicht!


Wirst du schon sehen. Wenn die Taliban in Afghanistan gewinnen sollten und erneut internationale Terroristen Marke Bin Laden beherbergen, passiert selbstverständlich das selbe wie 2001. Was gibt es da überhaupt zu glauben? Das ist schlichtweg selbstverständlich.

Sie werden aber keinen Bin Laden mehr zu sich einladen, da fehlt mir der Glaube.
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Re: Afghanistan

Beitragvon maxikatze » Di 6. Jul 2021, 07:51

AlexRE hat geschrieben:Der Begriff "Kollateralschaden" ist kein verunglückter sprachlicher Verharmlosungsversuch, dafür wird er nur allgemein gehalten. Tatsächlich handelt es sich um einen zentralen Begriff des aktuellen Kriegsvölkerrechts, der nach dem 2. WK eingeführt wurde. In diesem Krieg hat sich nämlich herausgestellt, dass sich an die damals geltenden absoluten Verbote der Schädigung von Zivilisten usw. überhaupt niemand gehalten hat, weil selbst die kriegführenden Rechtsstaaten jede Missachtung dieser Regeln mit einem sich aus militärischen Notwendigkeiten ergebenden übergesetzlichen Notstand begründet haben.

Diesen rechtsfreien Raum wollte man danach durch neue Regeln ausfüllen, wann welcher Kollateralschaden zulässig ist und wann nicht. Der Begriff dient also nicht der Verharmlosung, sondern der Schadensminderung.

Detailliert:

https://www.researchgate.net/publicatio ... lkerrechts


Der Begriff "Kollateralschaden" in Verbindung mit versehentlich durch Angriffe ums Leben gekommenen Menschen scheint mir doch ziemlich verbrannt und trägt nicht zur Schadensminderung bei. Hört sich so an wie "Pech gehabt".
Das Wort vernahm ich zum ersten Mal während des Kosovo-Krieges. Der damalige SPD-Verteidigungsminister Rudolf Scharping sprach davon.
Ich verstehe unter Kollateralschäden die unbeabsichtigte Zerstörung von Häusern, Denkmäler, Krankenhäuser, Folgeschäden oder ähnliches aber keine im Krieg ums Leben gekommenen Menschen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Begleitsc ... des_Jahres
„Kollateralschaden“ wurde in Deutschland zum Unwort des Jahres 1999[5][6] gewählt. Zur Begründung[6][7] nannte die Jury zwei Faktoren: Zum einen habe die Übernahme der Medien dieses „nur halb übersetzte[n]“[7] Wortes (→ Anglizismus) aus der NATO-Berichterstattung über Interventionen der NATO in Ex-Jugoslawien durch die schwere Verständlichkeit eine imponierende Wirkung, die vom wahren Inhalt des Begriffes ablenke; zum zweiten verharmlose die Verwendung dieses Wortes – gerade wenn man es wörtlich übersetze – „militärisch[e] Verbrechen“[7] als unwichtige Nebensache.
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Re: Afghanistan

Beitragvon Staber » Di 6. Jul 2021, 08:29

Maxikatze schrieb
Hört sich so an wie "Pech gehabt".


Moin!
Kann man wohl schon so sagen.
Im Kriegsrecht ist festgelegt, dass im Krieg nur militärische Ziele angegriffen werden dürfen. Damit sind Militärlager, Flughäfen, Munitionsfabriken und ähnliche Einrichtungen gemeint.
Solch ein „Kollateralschaden“ gilt nur dann nicht als Kriegsverbrechen, wenn er bei einem Angriff auf ein militärisches Ziel als „Nebenwirkung“ entstanden ist und nicht beabsichtigt war. Wie du schon erwähnt hast, Krankenhäuser, Schulen usw. Diese sogenannten “Nebenwirkungen“ dürfen nicht zu groß sein. Ob sie groß sind, wird daran gemessen, welchen Erfolg man durch den Angriff auf das militärische Ziel erzielt hat.
Also wenn es Wohnhäuser ,Schulen udgl betrifft ist das nicht nur Pech !
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Re: Afghanistan

Beitragvon AlexRE » Di 6. Jul 2021, 12:36

Ich habe doch erklärt, dass das ein wichtiger juristischer Begriff in den Genfer Konventionen ist und kein überholter Neusprech.
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Re: Afghanistan

Beitragvon Uel » Di 6. Jul 2021, 13:06

Wirst du schon sehen. Wenn die Taliban in Afghanistan gewinnen sollten und erneut internationale Terroristen Marke Bin Laden beherbergen, passiert selbstverständlich das selbe wie 2001.


Ich bin mir recht sicher, dass die USA dann den Job alleine machen müssten, vielleicht mit Jens Stoltenberg als freiwilligen Einzelkämpfer der NATO, der Rest der NATO wird hoffentlich nach diesem erfolglosen Geldversenken und Tote heimfliegen in Sachen Afghanistan die Schnautze voll genug haben. Wenn die Taliban erst mal aufgeräumt haben im Lande, wird man keine freiwilligen aber notwendigen einheimische Helfer mehr finden.

Wie ersichtlich, nur eine Meinung und die Gabe eines Zukunftssehers hat zum Glück keiner von uns.
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Re: Afghanistan

Beitragvon AlexRE » Di 6. Jul 2021, 17:34

Uel hat geschrieben:
Wirst du schon sehen. Wenn die Taliban in Afghanistan gewinnen sollten und erneut internationale Terroristen Marke Bin Laden beherbergen, passiert selbstverständlich das selbe wie 2001.


Ich bin mir recht sicher, dass die USA dann den Job alleine machen müssten, vielleicht mit Jens Stoltenberg als freiwilligen Einzelkämpfer der NATO, der Rest der NATO wird hoffentlich nach diesem erfolglosen Geldversenken und Tote heimfliegen in Sachen Afghanistan die Schnautze voll genug haben. Wenn die Taliban erst mal aufgeräumt haben im Lande, wird man keine freiwilligen aber notwendigen einheimische Helfer mehr finden.

Wie ersichtlich, nur eine Meinung und die Gabe eines Zukunftssehers hat zum Glück keiner von uns.


Wieso erfolglos? Der Endstand ist das, was die Amerikaner 2001 verlangt haben, um den Krieg zu vemeiden. Bin Laden ist erledigt und die Taliban haben unterschrieben, keine Terroristen mehr zu beherbergen.

Also die echten Kriegsziele erreicht, aber den Krieg verloren, weil es ja die Amis sind und es so schön ist, sich über deren Niederlagen zu unterhalten.
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Re: Afghanistan

Beitragvon Staber » Di 6. Jul 2021, 19:09

Alex schrieb.
weil es ja die Amis sind und es so schön ist, sich über deren Niederlagen zu unterhalten.


Hi Alex!
Mir kommen die Tränen bei solchen Äusserungen.Wir verteidigen unsere Freiheit eben doch nicht am Hindukusch.Aber mussten wir für diese Erkenntnis auf Donald Trump warten ???
Die Regierung Bush hat viel Chaos und Schaden angerichtet weil Sie ihre Feldzüge im Irak und in Afghanistan nicht zu Ende gedacht haben.
Mit "Nationbuilding " ist sogar die USA überfordert , das müssen sich alle Beteiligten eingestehen.
Man mag zum angekündigten Abzug der US-Truppen stehen wie man will, kann ihn als richtig oder falsch ansehen. Was freilich nicht geht, ist, dass in vielen Forenbeiträgen von Befürwortern zu diesem Thema so getan wird, als hätten sich die Afghanen die Suppe selbst eingebrockt und dass es daher nur recht und billig sei, wenn sie sie selbst auslöffeln. Auch wenn die Gemengelage am Hindukusch komplex ist, können die Hauptverantwortlichen für vier Jahrzehnte Krieg klar benannt werden: das sind die Russen auf der einen Seite, die das Land ab 1977 zehn Jahre besetzt hielten, und das ist die Eindämmungspolitik der USA auf der anderen, die letztlich zur Geburt der Taliban geführt hat. So gesehen wird aber auch klar: Mit dem Truppenabzug macht sich einer der Hauptverantwortlichen für die katastrophale Lage der Afghanen einfach aus dem Staub, nach dem Motto „Sollen sie sich doch gegenseitig die Köpfe einschlagen, was haben wir damit zu schaffen?“ oder „Mission erfüllt, nach uns die Sintflut“. Tut mir Leid für die Gefallenen und deren Angehörigen auf allen Seiten.
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Re: Afghanistan

Beitragvon maxikatze » Di 6. Jul 2021, 19:40

Professor Dr. Reinhard Merkel, Hamburg
Die „kollaterale“Tötung von Zivilisten im Krieg
Rechtsethische Grundlagen und Grenzen einer prekären Erlaubnis
des humanitären Völkerrechts


https://www.researchgate.net/publicatio ... lkerrechts

... Eine solche Pflicht
zur Hinnahme des Geopfertwerdens durch andere, die man
nicht bedroht, zugunsten von Zielen, mit denen man nichts
zu schaffen hat, ist aber jedenfalls in individuellen Rechts-
und Moralverhältnissen schlechterdings nicht zu begrün-
den.Hartgesottene Konsequentialisten mögen das bestrei-
ten. Doch abgesehen davon, dass ihre Position schon als
ethische nicht überzeugt (und nirgends wird die moralische
Überforderung der Pflichtsubjekte so deutlich wie in kon-
sequentialistischen Kalkülen einer transpersonalen Verrech-
nung von Menschenleben), ist sie zur Begründung recht-
licher Prinzipien a limine ungeeignet. Die Legitimität jeder
rechtlichen Ordnung gründet zuletzt im Schutz subjektiver
Grundrechte der Individuen....
... Wie selbstverständlich setzt man voraus, dass solche Tötungen, sofern sie
verhältnismäßig sind, ohne weiteres legitim seien.
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Re: Afghanistan

Beitragvon AlexRE » Di 6. Jul 2021, 19:44

Was freilich nicht geht, ist, dass in vielen Forenbeiträgen von Befürwortern zu diesem Thema so getan wird, als hätten sich die Afghanen die Suppe selbst eingebrockt und dass es daher nur recht und billig sei, wenn sie sie selbst auslöffeln.


Afghanen können sich keine Suppe selbst einbrocken? Sind das unschuldige Kinder? Wenn die eigene Regierung Leuten Obhut gewährt, die maßlos großkotzig als Yankee - Killer auf amerikanischem Boden auftreten (Auch Hitler hatte Träume von zusammenstürzenden Wolkenkratzern in New York), wird den Menschen in so einem Land selbstverständlich eine hohe Rechnung für die Vermessenheit der arroganten Gewaltherrscher präsentiert, so wie den Deutschen im und nach dem 2. WK und allen anderen, deren Bonzokratie sich mit Stärkeren angelegt hatte.

Dabei vergesse ich übrigens keine Sekunde, dass die USA bzw. die CIA sowohl Al Quaida als auch die Taliban zu diversen Zwecken aufgebaut hatten. Das spricht massiv gegen die Rolle der USA in dem ganzen Chaos, ist aber nicht für das Schwarze unter dem Fingernagel als politisch - moralische Entlastung der Massenmörder geeignet, die den Amis aus dem Ruder gelaufen sind.
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