Pflichtbesuche von Schülern in KZ-Gedenkstätten

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Pflichtbesuche von Schülern in KZ-Gedenkstätten

Beitragvon Staber » Mi 9. Feb 2022, 17:49

Eine deutliche Mehrheit der Deutschen ist dafür, alle Schüler zum Besuch eines ehemaligen Konzentrationslagers der Nationalsozialisten zu verpflichten.
https://www.domradio.de/artikel/mehrhei ... nkstaetten

Hallo!
Seit Jahren wird bundesweit darüber diskutiert, ob alle Jugendlichen dazu verpflichtet werden sollten, in ihrer Schullaufbahn mindestens einmal eine KZ-Gedenkstätte zu besuchen. Diese Idee ist gut. Nur ich frage mich, ob man mit einem solchen Besuch die innere Einstellung eines jungen Menschen wirklich beeinflussen kann ? Probieren sollte man es.
Solche Besuche müssen eingebettet sein in ein gut überlegtes pädagogisches Konzept, wo es dann nicht nur um Antisemitismus geht, sondern auch um Grundwerte der westlichen Gesellschaft (Demokratie, Toleranz, Freiheiten, Respekt etc). Schlussendlich muss die Frage lauten, was kann man tun, damit sich sowas nicht wiederholt ? Und wieso konnte es soweit kommen ? Antisemitismus gab es schon immer in Europa. Nur den ausrotten, ist schwer. Da muss man an die Wurzel des Übels.
"Wir werden Ambos ,wenn wir nichts tun um Hammer zu sein."
Fürst Otto Eduard Leopold von Bismarck-Schönhausen (1815-1898)

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Gruß Staber
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Re: Pflichtbesuche von Schülern in KZ-Gedenkstätten

Beitragvon AlexRE » Mi 9. Feb 2022, 18:43

Jedenfalls können sie sich dann nicht doof stellen und sind für Ihre innere Einstellung voll verantwortlich, wenn sie sich irgendwann antisemitische Aktionen herausnehmen.
Der Stuttgarter OB Rommel:

Ich trete überall, wo das notwendig ist, der Meinung entgegen, der Umstand, dass die Diktatur zu allem fähig war, berechtige dazu, die Demokratie zu allem unfähig zu machen.
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Re: Pflichtbesuche von Schülern in KZ-Gedenkstätten

Beitragvon maxikatze » Mi 9. Feb 2022, 19:19

Pflichtbesuche von Schülern in KZ-Gedenkstätten? War in der DDR, jedenfalls zu meiner Zeit, selbstverständlich.
Sogar als ich 1986 für 8 Wochen nach Weimar zur Weiterbildung musste (Februar und April 1986) - war extra ein Tag für
den Besuch des KZ Buchenwald vorgesehen. Wer nie ein KZ besucht hat, macht sich als junger Mensch keine Vorstellungen über das, was Menschen angetan wurde.
"Die größte Errungenschaft unserer freiheitlichen Kultur ist die Überwindung von Denkverboten." (Vince Ebert)
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The Third Wave

Beitragvon Excubitor » Mi 9. Feb 2022, 19:30

Leider hat das Sozialexperiment The Third Wave von 1967 gezeigt, dass sich so etwas immer und
nahezu überall wiederholen kann, zumindest bei und mit einem solchen Personenkreis der noch nichts oder
nicht allzu viel von den unsäglichen Vorkommnissen im Dritten Reich gehört hat.
https://de.wikipedia.org/wiki/The_Third_Wave
https://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:The_Third_Wave

Der Mensch ist relativ leicht manipulierbar und es ist lediglich eine Frage der Umstände wie viele durch gezielte
Massenindoktrination erreicht werden, die dann weitere über den gezielt eingesetzten Gruppenzwang in letztlich
einen solchen Wahn mitreißen. Bestes Beispiel heutzutage ist Nordkorea wo Massenindoktrination funktioniert,
obwohl weite Teile des Volkes hungern. Etwas mehr subtil verfährt man in China mit den Massen, im Ergebnis,
zumindest was diese Frage betrifft, ähnelt sich das ganze dann sehr.

Auch die Autoritätshörigkeit, die das Milgram-Experiment zum Gegenstand hatte, spielt dort mit hinein und
veranschaulicht u. a. die Berechenbarkeit und damit Manipulierbarkeit menschlichen Verhaltens bis in extreme
Situationen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Milgram-Experiment

Da gab es noch einige andere Experimente, die sehr stark an der These zweifeln lassen, dass sich so etwas nicht
wiederholen kann. Und genau deshalb ist es absolut sinnvoll die Erinnerung daran stets wach und durch die
Darstellungen in den Gedenkstätten bedingt "erlebbar" zu halten.
Vergessen heißt in dem Fall die Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung stark zu begünstigen.

Was die Zwangsverpflichtung betrifft, bin ich dagegen. Ich denke es wäre der bessere Weg in einem interessant
und wahrheitsgetreu sachlich gestalteten Geschichtsunterricht zielführend zu arbeiten und den Schülern dann als
Abschluss den Besuch einer KZ-Gedenkstätte anzubieten, um das Gelernte zu untermauern und mit "praktischer
Erfahrung" zu versehen. Zwang würde gerade dann, wenn es auf Akzeptanz des durch den Zwang zu Vermittelnden
ankäme, genau das Gegenteil des Beabsichtigten erreichen und schon Ablehnung schaffen, bevor die sehr nützliche
Erfahrung überhaupt akut wäre.

Da könnte man auch mal ein Experiment draus machen und den Schülern (die dann allerdings zu den älteren gehören
sollten) gar nicht vorher mitteilen, wohin die Reise geht und das als Überraschungstour tarnen. Ich könnte mir vor-
stellen, dass die Erfahrung dann deutlich länger in der Erinnerung "hängen" blieb.

Es ist angesichts dessen, was es dort an Bildmaterial und anderen tatsächlichen Objekten der NAZI-Greueltaten zu
sehen gibt, ohnehin eine Kardinalfrage mit Schülern welchen Alters man das überhaupt machen sollte.
Bild
© TU Graz

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