Prioritätenfolge der Verfassungsrechtsgüter

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Prioritätenfolge der Verfassungsrechtsgüter

Beitragvon AlexRE » So 17. Apr 2011, 14:35

Gelegentlich einer Diskussion auf dem Forum politikarena.net ist mir der Gedanke gekommen, dass die Rechtspraxis - leider - Anlass dazu gibt, über einen deklaratorischen Artikel im Grundgesetz oder in einer neuen Verfassung zu diskutieren (etwa ein Art. 20 b oder 104 a GG), der die Verbindlichkeit der Prioritätenfolge der Schutzgüter des Grundgesetzes für alle Richter hervorhebt. Schließlich hat der Kernschutzbereich des Artikels 1 GG eine höhere verfassungsrechtliche Gravität als etwa das Eigentumsrecht.

Ich kopiere zunächst zwei meiner Beiträge von der Arena mitsamt den zitierten Texten anderer dortiger Teilnehmer hierher:

NukNuk hat geschrieben:Ich habe weder etwas mit der Familie Miri zu tun noch mit dem BnR-Blog. Sollten also Schuldzuweisungen bezüglich der Affäre Miri in Deinem Text versteckt sein, darf ich diese mit Fug zurückweisen. Überdies erkenne ich jedoch die Notwendigkeit juristischer Massregelungen gerade bei braunen Pappnasen wie Volker an. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, auch im Internet dürfen Menschen nicht frei beleidigt werden.

Das ist für mich auch kein politischer Willkürakt, sondern entspringt dem Gedanken, dass die Würde des Menschen, die Würde jedes Menschen, auch die der Familie Miri, unantastbar ist und auch bleiben soll. Warum diese Gesetze vom Staat rigoros umgesetzt werden, wissen wir ebenfalls: Weil Volkers politische Vorbilder anno dazumal gerade nicht die Würde des Menschen für unantastbar hielten, sondern Menschen aufgrund ihrer ethnischen Herkunft, ihrer sexuellen Vorlieben, ihrer Religion sowie ihrer politischen Ausrichtung in lebenswert und lebensunwert unterteilt haben.

Wenn Volker für seine Beiträge also verurteilt wird, sollte er nicht die Schuld beim Staat suchen, sondern sich bei seinem grossen Vorbild Hitler bedanken.

Überdies egagiere ich mich nicht gegen rechts, sondern gegen rechtsextrem. Diese Verallgemeinerung, die hier durch mediale wie gesellschaftliche Sprache tobt, solltest gerade Du zu vermeiden wissen.

Bild

NukNuk


1. meine ich mit "rechts" in so einem Zusammenhang immer eindeutig rechts, das heißt für mich = "rechtsextrem". Verfassungsdemokraten werden auch gelegentlich als "rechts" angepöbelt, besonders wenn es um rechtspolitische Fragen im Zusammenhang mit Gewaltkriminalität geht. Das ist mir auch schon öfters passiert, wie absurd das auch immer sein mag.

2. ist die Unterscheidung zwischen "rechts" und "rechtsextrem" im Zusammenhang mit dem hier thematisierten Volksverhetzungsparagraphen obsolet, da geht es schließlich nur um rechtsextreme Äußerungen. Und ich erlaube mir eben Zweifel daran zu äußern, dass man mit obrigkeitsstaatlichen Mitteln wie Meinungsdelikten im Strafgesetzbuch den höchstrangigen Verfassungsrechtsgütern, insbesondere der Menschenwürde, wirklich dienen kann. Ich halte das für latent kontraproduktiv, so werden Rassisten zu politischen Märtyrern aufgewertet und Leute wie Du und ThiloS zu hohlen Forenschwätzern - weil überflüssig und scheinbar nur persönliche Eitelkeiten auslebend - abgewertet.

Kurz gesagt befürworte ich einen "besonders schweren Fall" der Beleidigung oder der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener, wenn die Motivation für die direkte Anfeindung bestimmter anderer Menschen rassistischer oder sexistischer Natur ist, dies unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit von Beleidiger und Beleidigtem (also auch bei Beleidigungen dieser Art gegen Angehörige der Mehrheitsbevölkerung), lehne aber reine Meinungsdelikte prinzipiell ab, weil ich sie für politisch dumm und im Sinne verfassungsdemokratischer Zielsetzungen für kontraproduktiv halte.

Findest Du es etwa richtig, wenn so ein junger Bursche wie hier auf dem thread nach einer Schlägerei mit Ausländern bei einem auf das 5 - fache erhöhten Adrenalinspiegel "Heil Hitler" ruft und dafür mehr als das Doppelte an Tagessätzen wie für die Körperverletzung bekommt und nur deshalb vorbestraft ist? Was sagt das denn über die Wertigkeit der Menschenwürde in diesem Staat aus, wenn eine Körperverletzung - also ein vorsätzlicher Übergriff gegen die physische Integrität eines Menschen und damit gegen den harten Kern seiner Persönlichkeitsrechte - ganz offen als Kavaliersdelikt im Vergleich zu politischer Unbotmäßigkeit ausgewiesen wird?

Armseliger geht es ja wohl wirklich nicht mehr.
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Re: Prioritätenfolge der Verfassungsrechtsgüter

Beitragvon AlexRE » So 17. Apr 2011, 14:40

... und der zweite Beitrag von der Arena:

Disturbed hat geschrieben:Unterschreib.
Absolut auf den Punkt gebracht Bild
Das war auch das erste was ich dachte, als ich das mit den Tagessätzen gelesen habe.
Verkehrte Welt Bild


Danke.

Die Repliken von Nuk Nuk bzw. Mr. Smith auf diesen Beitrag dokumentieren eine Art von Akzeptanz von Gewalt, die in der Gesellschaft noch immer weit verbreitet ist. Junge Männer seien eben so, das sei nur "natürlich". Wirklich skandalös wird es, wenn Gerichtsurteile nicht das Gegenteil signalisieren, sondern diese gesellschaftliche Anschauung auch noch bestätigen. Wenn es um den Kernschutzbereich von Grundrechten geht, steht es Richtern nicht zu, freihändig nach ihren individuellen sittlichen Anschauungen zu urteilen.

Die Würde des Menschen sowie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit stehen in der Prioritätenfolge des Grundgesetzes ganz oben. Das ist für jeden Richter absolut verbindlich. Wenn derselbe Richter regelmäßig Gewaltkriminelle sehr milde aburteilt, aber ausgesprochen unnachsichtig gegenüber Steuerhinterziehern, Betrügern usw. ist, dann ist das eine grobe Pflichtverletzung, wenn nicht im Einzelfall gar Rechtsbeugung.
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