Artikel 20 Abs. 2 / Demokratieprinzip

Kommentare zu dem entstehenden Verfassungsentwurf bitte nur auf dieses Unterforum schreiben, nicht in den Verfassungstext selbst.

Artikel 20 Abs. 2 / Demokratieprinzip

Beitragvon AlexRE » Di 15. Dez 2015, 08:56

Die Deutschen zweifeln an der Demokratie. Die Demokratie hat allerdings auch Grund, an den Deutschen zu zweifeln:

Studie

Mehr als 60 Prozent bezweifeln Demokratie in Deutschland

Die Mehrheit der Deutschen hegt einer Studie zufolge Unbehagen gegenüber der derzeitigen Staatsform. Mehr als ein Viertel wähnt das Land gar auf dem Weg in eine Diktatur.

Einer Studie zufolge denken mehr als 60 Prozent der Bürger, dass in Deutschland keine echte Demokratie herrscht. Schuld sei der starke Einfluss der Wirtschaft auf die Politik, die mehr zu sagen habe als der Wähler.

(...)


http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitges ... ie-skepsis


Schuld sind in erster Linie die Leute, die an der Wahlurne das letzte Wort haben und trotzdem immer wieder die Bonzen wählen, denen sie dann Schuld zuweisen.
Der Stuttgarter OB Rommel:

Ich trete überall, wo das notwendig ist, der Meinung entgegen, der Umstand, dass die Diktatur zu allem fähig war, berechtige dazu, die Demokratie zu allem unfähig zu machen.
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Re: Artikel 20 Abs. 2 / Demokratieprinzip

Beitragvon maxikatze » Di 15. Dez 2015, 12:36

Schuld sind in erster Linie die Leute, die an der Wahlurne das letzte Wort haben und trotzdem immer wieder die Bonzen wählen, denen sie dann Schuld zuweisen.

Oder die Nichtwähler, die grundsätzlich jeder Wahl fern bleiben. Dann nämlich müssen wir uns nicht wundern, wenn das Parlament so zusammengesetzt ist, dass die Interessen des Volkes zu wenig Berücksichtigung findet.
"Die größte Errungenschaft unserer freiheitlichen Kultur ist die Überwindung von Denkverboten." (Vince Ebert)
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Re: Artikel 20 Abs. 2 / Demokratieprinzip

Beitragvon AlexRE » Di 15. Dez 2015, 19:01

maxikatze hat geschrieben:
Schuld sind in erster Linie die Leute, die an der Wahlurne das letzte Wort haben und trotzdem immer wieder die Bonzen wählen, denen sie dann Schuld zuweisen.

Oder die Nichtwähler, die grundsätzlich jeder Wahl fern bleiben. Dann nämlich müssen wir uns nicht wundern, wenn das Parlament so zusammengesetzt ist, dass die Interessen des Volkes zu wenig Berücksichtigung findet.


Zumindest bei uns sind die Nichtwähler sehr stark in der Minderheit. Ich kenne nur ein Vereinsmitglied, das mehrfach das Nichtwählen propagiert hat. :P
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Re: Artikel 20 Abs. 2 / Demokratieprinzip

Beitragvon Uel » Di 15. Dez 2015, 20:58

Ein Land, dass seinem Souverän nicht die Möglichkeit einer nationalen Volksabstimmung einräumt, ist keine echte Demokratie.

Ein Land, in dem beim Koalitionspoker nach der Wahl das Gegenteil herauskommen kann, als was im Wahlkampf dem Wähler versprochen wurde, ist keine Demokratie sondern eine betrügerische Veranstaltung.

Nach der großen Koalition bin ich der revidierten Meinung gegenüber den Nichtwählern: Der Nichtwähler macht die mangelnde Legimitierung von Politkern deutlicher als der Wähler, der wegen oppositionellen Ideen eine Partei wählte und nach Regierungsbildung das Gegenteil seiner Vorstellungen beim Machtaufstieg seiner Partei erdulden muss und nicht einmal das Not-Korrektiv einer Volksabstimmung hat.

Wenn wenigstens die Politiker gewisse Prinzipientreue besäßen wär es ja nicht so schlimm, man könnte auf eine sicherere Einschätzbarkeit setzen. Aber erfolgreich sind ja gerade medien- und machttaktische Meisterspieler, die Prinzipielles, Logik, Konsequenz und Diskussionen hassen. Es reicht ja noch nicht einmal mehr zur innerparteilichen Demokratie mit wenigstens nur einem Gegenkandidaten.

PS.: eine Demokratie, die nicht nach dem Mehrheitssystem eines 2Parteiensystems funktioniert, braucht die Möglichkeit einer Volksabstimmung, um als vollständige Demokratie zu gelten.
Liebe Grüße
von Uel

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Re: Artikel 20 Abs. 2 / Demokratieprinzip

Beitragvon maxikatze » Mi 16. Dez 2015, 10:13

AlexRE hat geschrieben:
maxikatze hat geschrieben:
Schuld sind in erster Linie die Leute, die an der Wahlurne das letzte Wort haben und trotzdem immer wieder die Bonzen wählen, denen sie dann Schuld zuweisen.

Oder die Nichtwähler, die grundsätzlich jeder Wahl fern bleiben. Dann nämlich müssen wir uns nicht wundern, wenn das Parlament so zusammengesetzt ist, dass die Interessen des Volkes zu wenig Berücksichtigung findet.


Zumindest bei uns sind die Nichtwähler sehr stark in der Minderheit. Ich kenne nur ein Vereinsmitglied, das mehrfach das Nichtwählen propagiert hat. :P


:lol: Erwischt.

Bin nur der letzten EU-Wahl fern geblieben. Eine Bundestagswahl habe ich noch nie verpasst.
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Re: Artikel 20 Abs. 2 / Demokratieprinzip

Beitragvon AlexRE » Mi 16. Dez 2015, 16:44

Uel hat geschrieben:Nach der großen Koalition bin ich der revidierten Meinung gegenüber den Nichtwählern: Der Nichtwähler macht die mangelnde Legimitierung von Politkern deutlicher als der Wähler, der wegen oppositionellen Ideen eine Partei wählte und nach Regierungsbildung das Gegenteil seiner Vorstellungen beim Machtaufstieg seiner Partei erdulden muss und nicht einmal das Not-Korrektiv einer Volksabstimmung hat.


Das Not-Korrektiv würde die parlamentarische Demokratie sogar stärken. Selbst das Gegenteil der Vorstellung der Wähler bei der Parlamentswahl würde demokratisch nachlegitimiert, wenn der Volkssouverän die Option einer direktdemokratischen Initiative nicht wahrnimmt bzw. Unterschriftensammlungen oder die Abstimmungen selbst scheitern. In der Weimarer Republik war das fast immer der Fall, nicht einmal die die Initiativen zur Enteignung der adligen Großgrundbesitzer und zur Verhinderung des unpopulären Kriegsschiffbaues waren erfolgreich.

Politische Gestaltungen ganz ohne demokratische Legitimation dagegen sind nach den jüngsten Erfahrungen instabil, weil sie als reine Akte der Macht zur beliebigen Disposition der vermachteten Seilschaften stehen, siehe Missachtung des Bail - Out - Verbots und des Schengen - Abkommens.
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Re: Artikel 20 Abs. 2 / Demokratieprinzip

Beitragvon Uel » Do 17. Dez 2015, 21:54

... genau deshalb erachte ich das "Not-Korrektiv" der Volksabstimmung für so substanziell für eine Demokratie und beneide daher die Schweizer ...
Liebe Grüße
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Re: Artikel 20 Abs. 2 / Demokratieprinzip

Beitragvon AlexRE » Do 3. Mär 2016, 18:30

Auf Facebook gesehen und kommentiert:

REPLIK: „WO STECKT DENN NUN DAS VOLK"

Das Volk, der Souverän und das Einwanderungsland Deutschland

(...)

„Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“, so heißt es in Artikel 20 des Grundgesetzes. Aber dort heißt es auch: „Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“ Zwischen den Wahlen hat der Souverän seine Souveränität abgetreten. Die Regierung nimmt also auch in der Flüchtlingskrise ihre Verfassungsrechte wahr, das Parlament ebenso. Bundestagspräsident Norbert Lammert hat darauf hingewiesen, wie häufig sich der Bundestag in den letzten Monaten mit der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin beschäftigt hat. Es wurde viel debattiert, vielfach wurden Gesetze geändert. Zuletzt wurde in der vergangenen Woche das Asylrecht verschärft. Das Argument, die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung sei demokratisch oder verfassungsrechtlich nicht legitimiert sei, stößt ins Leere. Und wer das Recht und die Pflicht zum Widerstand beschwört, verlässt den Boden der Verfassung.

(...)


http://www.cicero.de/berliner-republik/ ... en-und-das

>> Zwischen den Wahlen hat der Souverän seine Souveränität abgetreten. <<

Zum Glück kommt das relativ früh in dem langen Artikel. So ein Satz erspart das Weiterlesen. Wer ernsthaft glaubt, dass die Souveränitätsrechte des Volkes zwischen den Parlamentswahlen ein absolutes Nullum seien, kann nur für die Tonne texten.
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Re: Artikel 20 Abs. 2 / Demokratieprinzip

Beitragvon AlexRE » Di 3. Mai 2016, 19:38

Das BVerfG sieht keine Möglichkeit, einer extrem schwachen Opposition gegen den Wortlaut des GG die Möglichkeit zu Normenkontrollklagen zu verschaffen:

Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Karlsruhe verwehrt Opposition mehr Rechte

Das Verfassungsgericht hat die Klage der Linkspartei auf mehr Oppositionsrechte im Bundestag zurückgewiesen. Dies erlaube das Grundgesetz nicht. Die Linkspartei wollte, dass Oppositionsfraktionen unabhängig von ihrer Größe Normenkontrollklagen einreichen können.

(...)

Um solch eine Klage auf den Weg bringen zu können, ist laut Grundgesetz ein Quorum von 25 Prozent aller Bundestagsabgeordneten nötig. Derzeit halten Linke und Grüne aber nur etwa 20 Prozent der Sitze im Plenum. Dementsprechend ist die Rolle der Opposition in dieser Legislatur besonders schwach - und das Urteil stärkt sie nach Einschätzung von ARD-Rechtsexperte Kolja Schwartz nicht. Damit bleibe es beim "Weiter so".


https://www.tagesschau.de/inland/verfas ... e-101.html

Die ganze Entscheidung:

http://www.bundesverfassungsgericht.de/ ... 00414.html

Im Gegensatz zu den Linksparteilern und den Grünen sehe ich in der Entscheidung aber auch keine Schwächung der Opposition. Wenn die deutschen Wähler unbedingt ein CDUSPD - Einparteiensystem haben wollen und den etabliertesten Seilschaftern eine 80 %ige Mehrheit verschaffen, kann die Regierung mit ihren parlamentarischen Bediensteten (den Anforderungen an Abgeordnete im Sinne des Art. 38 GG haben diese Vögel natürlich noch nie entsprochen) bei Bedarf auch das GG ändern. Mit ihren Normenkontrollklagen hätten die Grünen und Linken also sowieso keinen Hering vom Teller ziehen können. Das wären allenfalls politisch - propagandistische Gerichtshows geworden, von denen die meisten Deutschen die Schnauze voll haben.
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Re: Artikel 20 Abs. 2 / Demokratieprinzip

Beitragvon AlexRE » Mo 20. Jun 2016, 21:29

Ich habe mich auf Facebook bei "Mehr Demokratie e. V. NRW" unbeliebt gemacht. Kann man nix machen ... :roll:

Pressemitteilung


19. Juni 2016

Fünftes Quorumsopfer bei fünftem Bürgerentscheid 2016

(...)

Die Initiative "Mehr Demokratie" kritisiert das Zustimmungsquorum als ungerecht gegenüber Bürgerbegehren. "Die Beteiligung an Bürgerentscheiden liegt meist niedriger als die an Wahlen. Um erfolgreich zu sein, braucht ein Bürgerbegehren bei einer Beteiligung von 25 Prozent die Ja-Stimmen von 80 Prozent der Abstimmenden. Den Gegnern des Begehrens reicht hingegen ein Viertel dieser Stimmen, um das Bürgerbegehren zu stoppen. Das ist undemokratisch", sagt Landesgeschäftsführer Alexander Trennheuser. Mehr Demokratie fordert deshalb die Abschaffung von Abstimmungsquoren. "Nach ungültigen Bürgerentscheiden in Espelkamp, Gladbeck, Sprockhövel und Willich ist Heinsberg die fünfte Stadt, in denen der Bürgerwille dieses Jahr trotz Abstimmungsmehrheit nicht zur Geltung kommt", zählt Trennheuser auf. Seit 1994 waren damit von 222 Bürgerentscheiden in NRW 104 ungültig.

(...)


https://nrw.mehr-demokratie.de/7106.htm ... db62d7427f

Die altbekannten Methoden ...

So werdet Ihr niemals zu " mehr Demokratie" kommen, dazu muss man sich parteipolitisch formieren, neue Wahlalternativen schaffen und der demokratieverachtenden Vermachtung eine Machtdemonstration des Volkssouveräns um die Ohren hauen.

Derzeit gaukelt Euer Verein den Leuten nur vor, dass sich jemand um mehr Demokratie kümmert und kein akuter Handlungsbedarf besteht. Das befördert den Demokratieabbau.
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