«Man muss die eigene Heimat pflegen, wir haben keine andere»: Historiker und Politiker Höcke zu Hause in Bornhagen. Dirk Lässig
Der AfD-Spitzenpolitiker Björn Höcke, 47-jährig, vierfacher Familienvater, ist die grösste Reizfigurder deutschen Politik. Seine Fans huldigen ihm. Seine Gegner sehen in ihm den Teufel höchstpersönlich. Hier gibt er erstmals ausführlich Auskunft über seinen Werdegang, seine Ziele, seine Fehler und das Verhältnis der Deutschen zu ihrer Geschichte.
27.11.2019
Von Roger Köppel und Dirk Lässig (Bilder)
(…)
Die Deutschen, sagten Sie auch mal, sollen nicht mehr «Schaf», sondern «Wolf» sein. Das exakt gleiche Bild verwendete Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels. Muss man sich vor Ihnen fürchten, Herr Höcke?
Ich meine es nicht böse. Und ich wildere nicht im Nazi-Wortschatz. Ich überprüfe vor meinen Reden allerdings nicht, ob dies oder das auch schon von Goebbels gesagt wurde. Mein Geschichtshorizont geht über die letzten 75 Jahre hinaus. Von meiner romantischen Ader haben wir gesprochen. Ich habe keine Rhetorikkurse besucht, aber in der Rhetorik geht es um eine bilderreiche Sprache. Wenn ich das Wort «Wolf» verwende, dann lehne ich mich an Tierfabeln an, die es schon im Lateinischen gibt.
(…)
Was ist rückblickend Ihr grösster Fehler?
Ich denke, meine Dresdner Rede. Sie war inhaltlich richtig, die Botschaft stimmte, aber ich habe ein grosses, vielleicht das grösste Thema für die Deutschen, die eigene Geschichte, auf dem Niveau einer Bierzeltrede vergeigt.
Dort fielen die berüchtigten Sätze mit der erinnerungspolitischen 180-Grad-Wende und dem Holocaust-Mahnmal als «Mahnmal der Schande».
Ja, das war falsch. Nicht der Inhalt, aber der Stil. Punkt. Das darf einem Politiker grundsätzlich nicht passieren. Aber ich habe mich dafür öffentlich entschuldigt, was von den Medien weder wahr- noch angenommen wurde. Das ist nicht nur unfair, es ist unanständig. Ich sehe leider bei vielen Journalisten menschliche Defizite.
(…)
Es gab aufgrund Ihrer Dresdner Rede ein Parteiausschlussverfahren gegen Sie, das aber ad acta gelegt wurde. Wie stark hat Ihnen das Ganze geschadet?
Die AfD steht seit ihrer Gründung unter Druck, intern wie extern. Es gab auch Machtkämpfe. Man versuchte, meine verbalen Missgriffe gegen mich auszunützen für eigene Vorteile. Diese Leute sind aber gescheitert. So schmerzlich das Ganze für mich persönlich war, so habe ich es doch auch als eine Art Erziehungsprogramm empfunden. Die Partei hat mehr Zusammenhalt und Disziplin gelernt.
(…)
Laut Gerichtsurteil darf man Sie «Faschist» nennen. Was sagen Sie dazu?
Das ist, zumindest im Rahmen einer öffentlichen Kundgebung, durch die Meinungsfreiheit gedeckt, Artikel 5 Grundgesetz. Als Bürger können Sie so auch einen Innenminister als üblen Landesverräter bezeichnen oder eine Kanzlerin als Diktatorin. Das heisst noch lange nicht, dass sie es sind. Besonders Schlaue haben aus dem Urteil gefolgert, ich wäre nun ein amtlich festgestellter Faschist. Was für ein Blödsinn.
(…)
Wie definieren Sie Rechtsextremismus?
Politischer Extremismus, links oder rechts, ist vor allem die Durchsetzung politischer Ziele mit Gewalt. Das lehne ich in schärfster Form ab. In Deutschland aber wird dieser Begriff mittlerweile auf alle angewendet, die eine aus Sicht des Establishments falsche Gesinnung haben. Der Verfassungsschutz betreibt sogar Gesinnungsschnüffelei, dabei geht den Staat die Gesinnung seiner Bürger nichts an. Der Verfassungsschutz soll die Verfassung schützen, nicht die Etablierten.
(…)