Der NATO sind nach Ende des Kalten Krieges einige taktische Fehler und falsche Einschätzungen unterlaufen. Das bringt sie meiner Meinung nach jetzt in Schwierigkeiten.
Früher war für die NATO alles einfach. Da war die Welt klar in Gut und Böse geteilt. „To keep the Russians out, the Americans in, and the Germans down“: Das war das Motto des ersten Generalsekretärs der Verteidigungsallianz, Lord Ismay. Die älteren User erinnern sich noch!
Das Verhältnis zum früheren Gegner Russland ist auch in Nach-Kalte-Krieg-Zeiten immer delikat geblieben. Seit der Ukraine-Krise steht das westliche Militärbündnis einmal mehr vor der Frage, wie es mit Moskau verfahren soll. Diese Frage berührt die gesamte NATO. Denn gerade für die osteuropäischen Staaten hat die kollektive Verteidigung eine sehr große Bedeutung. Für sie ist die Allianz in erster Linie eine Schutzmacht gegen mögliche russische Übergriffe.Schon bei ihrem Beitritt hatten Balten und Polen gefordert, dass die NATO Kampftruppen bei ihnen stationiert. Doch damals sahen die „alten“ Mitglieder der Allianz Russland noch als potenziellen Partner an. Tja! Der frühere NATO-Generalsekretär George Robertson hatte am Ende seiner Amtszeit sogar davon geschwärmt, Russland werde selbst eines Tages dem Bündnis beitreten. Träumerei in Moll! Experten erinnern sich noch! Die NATO hatte Russland 1997 zugesagt, „auf absehbare Zeit“ auf eine „dauerhafte Stationierung substanzieller Kampftruppen“ in Osteuropa zu verzichten. Dass die Allianz dennoch die Osterweiterung betrieb, traf Russland schon ins Mark.
US-Präsident Barack Obama kündigte denn auch jüngst eine verstärkte Militärpräsenz in Osteuropa an. Beim Kongress will er eine Milliarde Dollar für die Sicherheitsinitiative lockermachen, um eine höhere Truppenpräsenz und zusätzliche Manöver bis September 2015 zu finanzieren. Ein solcher Schritt würde als „Demonstration feindlicher Absichten“ gewertet, hieß es dazu prompt aus Moskau. An den diversen militärischen Aktionen, die zu Land, zu Wasser und natürlich auch in der Luft stattfinden, sind inzwischen alle Verbündeten beteiligt – auch Deutschland: Die Bundeswehr stellt ein Drittel der Awacs-Aufklärer, die täglich acht Stunden über Polen und Rumänien im Einsatz sind. Sie hat mit einem Tender die Führung eines Minenabwehrverbandes in der Ostsee übernommen. Sie wird von September an für vier Monate von Estland aus mit sechs Eurofightern an der Luftraumüberwachung des Baltikums teilnehmen. Die Botschaft: Abschreckung und Bereitschaft zeigen.Das Bündnis will angesichts der veränderten Bedrohungslage „fitter, schneller und flexibler“ werden. Bis zum Gipfel im September will die NATO einen Plan zur Verbesserung ihrer Einsatzbereitschaft vorlegen.
Und genau da liegt das Problem: Der Konflikt mit Russland lenkt nämlich die Aufmerksamkeit auf die Schwäche des Bündnisses bei der Ausrüstung. Die Allianz ist nur bedingt einsatzbereit, weil die meisten NATO-Staaten seit Jahren drastisch die Verteidigungsausgaben herunterfahren oder gefahren haben.. Die USA prangern das schon lange an – und fordern von den Europäern mehr Engagement. Denn sie haben keine Lust mehr, immer die Kohlen aus dem Feuer zu holen. Die USA schultern fast drei Viertel der NATO-Gesamtausgaben. Laut Generalsekretär Rasmussen haben die NATO-Staaten ihre Militärausgaben in den letzten fünf Jahren insgesamt um 20 Prozent reduziert.
Die NATO kam kürzlich intern zu dem Schluss, sie sei derzeit außerstande, das Baltikum mit konventionellen Mitteln – Panzern, Flugzeugen und Bodentruppen – gegen Russland zu verteidigen. Kein Wunder !Die Allianz bewegte sich von der klassischen Landesverteidigung weg, hin zur Weltpolizei. Ganze Fähigkeitsbereiche wurden dabei aufgegeben. Das rächt sich nun. Rasmussen leitet ein Bündnis in Schwierigkeiten.