Die Todesstudie von Tuskegee

Hier soll besprochen werden, wie die künftige Entwicklung der UN im Hinblick auf zuverlässigeren internationalen Rechtsschutz einzelner Staaten und Volksgruppen aussehen könnte.

Die Todesstudie von Tuskegee

Beitragvon AlexRE » Fr 8. Jun 2012, 22:06

Das kommt dabei heraus, wenn man nicht aus der Geschichte lernen will:

Es war ein schockierender Menschenversuch: 1932 startete in den USA die Tuskegee-Studie. An Syphilis erkrankte afroamerikanische Landarbeiter hofften auf Hilfe - und wurden Opfer eines grausamen Experiments. Denn die Regierungsärzte heilten nicht, sie sahen den ahnungslosen Menschen beim Sterben zu. Von Johanna Lutteroth

(...)


Selbst als 1942 die ersten Syphilis-Fälle mit Penicillin geheilt wurden und der PHS Mitte der vierziger Jahre das Medikament als Standardtherapie genehmigte, dachte keiner an die Versuchskaninchen von Macon County. Im Gegenteil: Vonderlehr und Wenger achteten akribisch darauf, ihre Probanden gegen jeden Einfluss von außen abzuschirmen. Sie durften in kein anderes Krankenhaus gehen und keine anderen Ärzte konsultieren. Es galt um jeden Preis zu verhindern, dass sie das lebensrettende Penicillin in die Hände bekamen. Die Götter in Weiß nahmen ihnen jede Chance auf Heilung. Und der PHS spielte mit, obwohl der Sinn des Experiments angesichts einer wirksamen Therapie noch fragwürdiger wurde.

(...)


http://einestages.spiegel.de/static/top ... kegee.html

1948 wurden in Landsberg deutsche Ärzte von amerikanischen Henkern gehängt, weil sie in Konzentrationslagern ähnliche Verbrechen wie die begangen hatten, die amerikanische Ärzte dann noch bis 1972 in Tuskegee begangen haben - und das war kein Einzelfall.

Siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Tuskegee-Syphilis-Studie

Auszug:

Bei einer weiteren Studie in Guatemala von 1946 bis 1948 wurden Gefangene, Soldaten und Geisteskranke mit Syphilis infiziert. Es sollte dabei untersucht werden, ob Penicillin Syphilis heilen kann. Erst 2010 entschuldigte sich die US-Regierung für diese Versuche.[4]


Wenn so etwas unter dem zeitnahen Eindruck des Naziterrors in der freien Welt der Nachkriegszeit möglich war, sollten wir uns heute erst recht nicht blind darauf verlassen, dass die politischen, kulturellen und verfassungsrechtlichen Errungenschaften unserer Zeit eine naturgebene Selbstverständlichkeit sind.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.
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Ich trete überall, wo das notwendig ist, der Meinung entgegen, der Umstand, dass die Diktatur zu allem fähig war, berechtige dazu, die Demokratie zu allem unfähig zu machen.
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Re: Die Todesstudie von Tuskegee

Beitragvon AlexRE » Sa 9. Jun 2012, 11:32

Diesen thread habe ich auf 5 verschiedenen Foren veröffentlicht. Das wurde zwischenzeitlich auf "Klabautermänneken" geschrieben:

Blitz hat geschrieben:Wenn es um die Forschung und Entwicklung eines neuen Medikamentes oder Kampfstoffes geht, sind die Götter in Weiß zu allem fähig. Auch in Japan wurden US-Gefangene dazu mißbraucht Gegenmittel für die Pest und andere Erreger zu entwickeln.

http://www.focus.de/politik/ausland/usa ... 52441.html


Noch so hohe ethische Ansprüche sind eben kleine Münze, wenn es um Geld, Macht und Ruhm geht. Was mich aber noch mehr beunruhigt als das Versagen der Mediziner hinsichtlich ihrer ethischen Selbstverpflichtungen ist der Umstand, dass so eine Sauerei über Jahrzehnte hinweg im Geltungsbereich einer Verfassung wie der amerikanischen ablaufen kann. Anspruchsvolle Rechtsordnungen funktionieren offenbar nicht, wo arme und ungebildete Menschen sich nicht selbst wehren können.
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Re: Die Todesstudie von Tuskegee

Beitragvon Staber » Sa 9. Jun 2012, 14:37

Aber wie wahrscheinlich ist es, dass es auch heute noch verbotene Menschenexperimente gibt? Glaubt man den Aussagen verschiedener Medizinhistoriker ist das sogar sehr wahrscheinlich: So sagt etwa Susan Reverby, dass „irgendwo in der Dritten Welt Versuche laufen, die uns genauso schockieren würden, wie die Tuskegee-Studie“. Und der Historiker Prof. Dr. Volker Roelcke http://www.uni-giessen.de/cms/fbz/fb11/ ... er/roelcke vom Institut für Geschichte der Medizin in Giessen schreibt in seiner Publikation „Forschung am Menschen im 20. Jahrhundert“ sinngemäß: Forscher neigen dazu existierende Regeln zu umgehen, in dem sie sich juristische Freiräume suchen, in denen ihre Forschung weniger stark kontrolliert wird. Und diese Freiräume finden sie eben häufig in Dritte Welt Ländern, in den Slums von Großstädten oder in abgelegenen ländlichen Gebieten.Folgt man diesen Ausführungen existieren auch heute noch perfekte Labore für Medikamente-Experimente an Menschen.

Weitere Infos
http://www.scienceblogs.de/frischer-win ... schung.php

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Re: Die Todesstudie von Tuskegee

Beitragvon AlexRE » Sa 9. Jun 2012, 14:46

Staber hat geschrieben:Forscher neigen dazu existierende Regeln zu umgehen, in dem sie sich juristische Freiräume suchen, in denen ihre Forschung weniger stark kontrolliert wird. Und diese Freiräume finden sie eben häufig in Dritte Welt Ländern, in den Slums von Großstädten oder in abgelegenen ländlichen Gebieten.Folgt man diesen Ausführungen existieren auch heute noch perfekte Labore für Medikamente-Experimente an Menschen.

Weitere Infos
http://www.scienceblogs.de/frischer-win ... schung.php

gruß staber


Diese "Freiräume" findet man überall, wo Menschen zu arm und zu ungebildet sind, ihre bestehenden Rechte zu wahren. Das hatte ich heute schon auf Klabautermänneken geschrieben:

Blitz hat geschrieben:Wenn es um die Forschung und Entwicklung eines neuen Medikamentes oder Kampfstoffes geht, sind die Götter in Weiß zu allem fähig. Auch in Japan wurden US-Gefangene dazu mißbraucht Gegenmittel für die Pest und andere Erreger zu entwickeln.

http://www.focus.de/politik/ausland/usa ... 52441.html


Noch so hohe ethische Ansprüche sind eben kleine Münze, wenn es um Geld, Macht und Ruhm geht. Was mich aber noch mehr beunruhigt als das Versagen der Mediziner hinsichtlich ihrer ethischen Selbstverpflichtungen ist der Umstand, dass so eine Sauerei über Jahrzehnte hinweg im Geltungsbereich einer Verfassung wie der amerikanischen ablaufen kann. Anspruchsvolle Rechtsordnungen funktionieren offenbar nicht, wo arme und ungebildete Menschen sich nicht selbst wehren können.

Blitz hat geschrieben:Als ich noch als junger Soldat bei der Nato war, lernten wir den Umgang mit chemischen Kampfstoffen und schnelle Gegenmaßnahmen. So wurde uns damals gelehrt, dass einige Gegenmittel vorher an Strafgefangenen in Australien ausbrobiert wurden. Dafür bekamen sie Hafterleichterungen. Viele sind dabei unter ärztlicher Aufsicht krepiert.


Solche Geschäfte - Geld oder Hafterleichterungen gegen Mitwirkung bei lebensgefährlichen Forschungsprojekten - sind natürlich ethisch auch höchst fragwürdig, aber eine völlig andere rechtliche Qualität als tödliche Experimente ohne Wissen oder gegen den Willen der Betroffenen. Das ist nämlich schlicht und ergreifend Mord in jedem Sinne des Begriffes, auch im juristischen Sinne. Die amerikanischen Ärzte hätten wegen Mordes zur Höchststrafe verurteilt werden müssen, wenn da alles mit rechten Dingen zuginge.
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