Debbie Milke - 20 Jahre in der Todeszelle

Hier soll besprochen werden, wie die künftige Entwicklung der UN im Hinblick auf zuverlässigeren internationalen Rechtsschutz einzelner Staaten und Volksgruppen aussehen könnte.

Debbie Milke - 20 Jahre in der Todeszelle

Beitragvon GasGerd » Di 13. Mär 2012, 13:06

Ich habe Alis neues Thema auf dem Elsenforum nach gmx / web.de übertragen:

Debbie Milke - 20 Jahre in der Todeszelle

Das ist nicht der erste amerikanische Justiz - Skandal dieser Art, seltsamerweise hat er aber in den Medien bislang weniger Aufsehen erregt als viele andere:

"1991 wurde Debra Milke, Tochter einer deutschen Mutter und eines amerikanischen Vaters, im US-Bundesstaat Arizona zum Tode verurteilt - wegen Anstiftung zum Mord an ihrem kleinen Sohn Christopher. Beweise dafür gab es nicht. Nur die Aussage eines zwielichtigen Polizisten.

...

Was folgt, sind Ungereimtheiten bei den Ermittlungen, Schlampereien, ein Kommissar, der sich mit dem skandalösen Fall der "Kindsmörderin" profilieren will. Diesem Armando Saldate gesteht Debby angeblich ihre Tat, wie er selbst behauptet. Doch davon fehlen jeglich Beweise. Es gibt keine Tonbandaufzeichnung, keine Zeugen, nichts. Drei Tage nach der ungewöhnlichen Einvernahme fertigt Saldate schließlich ein "Gedächtnisprotokoll" an - die Originalnotizen habe er leider vernichtet.

Dieses Gedächtnisprotokoll, das Debbie nie unterschrieben hat, ist die einzige Basis für den Prozess, den man ihr machen wird: Debbie Milke, angeklagt des Mordes an ihrem Sohn Christopher. Sämtliche Beweismittel zu Debbies Gunsten, wie das Gutachten des Gefängnispsychiaters, der Debbie 14 Monate lang betreut, die Aussagen von Nachbarn und Kollegen - alles wird von der Anklage beiseite gefegt. Der - nach allgemeiner Einschätzung - total überforderte Pflichtverteidiger nimmt es hin.

..."

http://www.br.de/radio/bayern2/sendunge ... ke108.html

Also das alte Lied, Leute ohne Geld mit desinteressierten oder unfähigen Pflichtverteidigern landen viel leichter unschuldig im Gefängnis als in Europa (oder in der Todeszelle), Leute mit viel Geld und teuren Verteidigerstäben kommen auch als Schuldige leichter davon als in Europa. Wenn ich auswandern wollte, wären die USA allein deshalb für mich die allerhinterletzte Adresse dafür.

In diesem Fall ist aber die sattsam bekannte menschenverachtende amerikanische Justiz nicht der einzige Stein des Anstoßes. Der im Vergleich zu den Justizskandalen mit männlichen Opfern seltsam zurückhaltende Umgang der Medien mit diesem Fall wirft hinsichtlich der europäischen Medienöffentlichkeit dieselben Fragen auf wie hinsichtlich der amerikanischen. Liegt das vielleicht daran, dass weibliche Angeklagte in den Augen der Öffentlichkeit trotz identischer Mängel in der Beweisführung eher als schuldig gelten als männliche Angeklagte?

Hier noch ein Spiegel - Artikel von 1998 zu dem Fall:

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-7925442.html


http://meinungen.gmx.net/forum-gmx/post/14657905

http://meinungen.web.de/forum-webde/post/14657905

Wenn das jeder macht, der auf einem Forum oder bei einem sozialen Netzwerk registriert ist, auf dem das Thema noch nicht existiert, könnte das vielleicht sogar die Aufmerksamkeit der alten Medien erhöhen und weitere Zeitungartikel und Fernsehbeitrage nach sich ziehen.
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Re: Debbie Milke - 20 Jahre in der Todeszelle

Beitragvon maxikatze » Di 13. Mär 2012, 15:37

Sehr gut, dass wir das Thema mit aufgenommen haben.
Es überzeugt vllt noch diejenigen, die eine Todesstrafe befürworten, dass dieses Urteil niemals revidiert werden kann, wenn es einmal vollzogen ist. Während man bei herausgestellter Unschuld den Gefängnisaufenthalt mit Geld entschädigen kann und muss.

Todesstrafe in folgenden US-Bundesstaaten abgeschafft:
Alaska, Hawaii, Illinois, Iowa, Maine, Massachusetts, Michigan, Minnesota, North Dakota, New Mexico, Rhode Island, Vermont, West Virginia, Wisconsin, District of Columbia, Puerto Rico, New Jersey, New York.

New Mexico hat die Todesstrafe im März 2009 abgeschafft, allerdings nicht rückwirkend, deshalb verbleiben zwei Insassen in der Todeszelle.
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Re: Debbie Milke - 20 Jahre in der Todeszelle

Beitragvon AlexRE » Di 13. Mär 2012, 21:51

maxikatze hat geschrieben:Todesstrafe in folgenden US-Bundesstaaten abgeschafft:
Alaska, Hawaii, Illinois, Iowa, Maine, Massachusetts, Michigan, Minnesota, North Dakota, New Mexico, Rhode Island, Vermont, West Virginia, Wisconsin, District of Columbia, Puerto Rico, New Jersey, New York.


Das können sie sich aber auch jederzeit wieder anders überlegen und nach einem entsprechenden Stimmungsumschwung die TS wieder einführen. Das ist da alles schon vorgekommen ... :|
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Re: Debbie Milke - 20 Jahre in der Todeszelle

Beitragvon GasGerd » Sa 7. Jul 2012, 15:21

Ein Amerikaner wurde nach 32 Jahren (!) aus der Haft entlassen, weil ein DNA - Test seine Unschuld bewiesen hat:

"Nach Angaben des Zentrums für fehlerhafte Verurteilungen der Northwestern University zählt der Mann zu 42 früheren Häftlingen in Illinois, die durch DNA-Tests entlastet wurden. Er ist in der Gruppe derjenige, der den längsten Zeitraum hinter Gittern verbrachte."

Wenn in 42 Fällen die Unschuld nachträglich bewiesen werden konnte, wie viele Menschen sitzen dann dort unschuldig im Knast, ohne dass sich absolut zuverlässige Beweise für ihre Unschuld finden lassen?

In den USA scheinen sie wirklich ein Riesenproblem mit dem Grundsatz "in dubio pro reo" zu haben - jedenfalls wenn sich die Angeklagten keine top - Anwälte leisten können.

In Deutschland sind solche Fälle eindeutig nachgewiesener schwerer Justizirrtümer zum Glück seltener. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten scheinen die Risiken weitaus unbegrenzter als die Chancen zu sein. Da sollten sich Auswanderungswillige wirklich anderswo umsehen, bloß nicht in die USA ...


http://meinungen.gmx.net/forum-gmx/post/15636822?sp=266#jump
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Re: Debbie Milke - 20 Jahre in der Todeszelle

Beitragvon Staber » Sa 7. Jul 2012, 16:11

Das Problem ist, dass bei solchen Fällen von Fehlurteilen gerade auch nach 20 Jahren kein Mensch, der was zu sagen/entscheiden hat, großes Interesse hat, dass diese Fälle neu aufgerollt werden. Denn es wirft ein schlechtes Bild auf die Justiz und Regierung des ganzen Landes in der Weltöffentlichkeit, automatisch muss man sich fragen, wie es zu solchen offensichtlichen Fehlurteilen kommen kann und wieviele noch unschuldig sitzen. Es erinnert an andere Fälle wie z.B. von Jeff MacDonald http://de.wikipedia.org/wiki/Jeffrey_MacDonald oder Darlie Routier http://mitglied.multimania.de/menschenr ... rafe7.html, die alle lebenslang oder "on death row" sitzen seit Jahrzehnten und trotz neuen Hinweisen und Beteuerung der Unschuld, nachweislichen Fehlern in den Ermittlungen werden die Anträge auf Neuaufrollung der Fälle immer wieder abgelehnt. Die entscheidenden Richter haben wahrscheinlich einfach keinen Bock, irgendwelchen hohen Tieren mit so einer Entscheidung ans Bein zu pinkeln und die damit verbundenen Repressalien zu erdulden.

Ergo, wenn ein solcher unschuldig Inhaftierter keinen wirklich einflussreichen Fürsprecher in Politik und Gesellschaft findet, der sich öffentlich für ihn stark macht und seinen Einfluss spielen lässt, wird er kaum eine Chance haben auf das Neuaufrollen des Falls. :( Darum schreiben diese Häftlinge ja oft einflussreiche bekannte Persönlichkeiten an um bitten um Hilfe, werden aber nur ganz selten überhaupt angehört.

gruß staber
Zuletzt geändert von Staber am Sa 7. Jul 2012, 16:31, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Debbie Milke - 20 Jahre in der Todeszelle

Beitragvon AlexRE » Sa 7. Jul 2012, 16:18

Staber hat geschrieben:Ergo, wenn ein solcher unschuldig Inhaftierter keinen wirklich einflussreichen Fürsprecher in Politik und Gesellschaft findet, der sich öffentlich für ihn stark macht und seinen Einfluss spielen lässt, wird er kaum eine Chance haben auf das Neuaufrollen des Falls. :( Darum schreiben diese Häftlinge ja oft einflussreiche bekannte Persönlichkeiten an um bitten um Hilfe, werden aber nur ganz selten überhaupt angehört.

gruß staber


Jedenfalls halte ich 42 solcher Fälle in einem Bundesstaat mit knapp 13 Mio. Einwohnern für eine beachtliche Zahl:

http://de.wikipedia.org/wiki/Illinois

Meines Wissens hat es in der gesamten Geschichte der Bundesrepublik keine 20 Fälle dieser Art gegeben. Fragt sich nur, ob die deutschen Strafgerichte weniger Fehlurteile fällen oder noch beharrlicher als die amerikanischen Wiederaufnahmeverfahren und damit das Eingeständnis schwerer Fehler von Kollegen verweigern.
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Re: Debbie Milke - 20 Jahre in der Todeszelle

Beitragvon AlexRE » Fr 15. Mär 2013, 22:39

Der Fall wird neu aufgerollt. Das habe ich heute auf Klabautermänneken und auf dem schlauen Forum dazu geschrieben:

http://www.klabautermaenneken.de/t2884f ... l#msg33768

http://globaltalk.userboard.org/post10053.html#p10053

Blitz hat geschrieben:http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/hoffnung-auf-leben-todeskandidatin-koennte-nach-22-jahren-frei-kommen/7937934.html

Ich verfolge den Fall bereits seit Jahren und hatte vor einiger Zeit eine Petition unterschrieben. Nun besteht doch noch Hoffnung, dass ihr Fall neu aufgerollt und ihre Unschuld bewiesen wird.


Nicht sie muss ihre Unschuld, sondern die Ankläger müssen ihre Schuld beweisen. Das haben sie nämlich bislang nicht getan, sonst würde der Prozess nicht wegen Unverwertbarkeit der im ersten Prozess verwendeten Beweise neu aufgerollt werden:

Nun könnten die Jahre des Wartens und Bangens für „Debbie“ ein für alle Mal vorüber sein: Ein Berufungsgericht setzte die gegen sie verhängte Todesstrafe am Donnerstag aus. Akten der Staatsanwaltschaft, die ein angebliches Geständnis Milkes enthalten und Grundlage des Todesurteils waren, dürfen ab sofort nicht mehr verwendet werden.

Der Staat Arizona hat nun 90 Tage Zeit, den Fall Milke neu aufzurollen – oder muss die Todeskandidatin in die Freiheit entlassen.


Das Urteil auf die Aussage dieses Dreckskerls zu stützen war jedenfalls so gut wie ein Todesurteil ohne jeden Beweis:

Debra Milke wurde nur aufgrund der Aussage eines dubiosen Ermittlers verurteilt! Es gab ansonsten keine Verbindung der jungen Mutter zu dem Verbrechen, stellt der Oberste Richter des neunten Berufungsgerichtes, Alex Kozinski, jetzt fest.

„Die Verfassung fordert einen gerechten Prozess. Das war bei Milke nicht der Fall“, erklärte Kozinski.


Grund: Der damalige Richter und die Geschworenen wussten „nicht von Saldates Geschichte, dass er bereits unter Eid gelogen und weitere Verfehlungen begangen hatte.“ Saldate war zuvor unter anderem wegen einer Lüge bereits mehrere Tage vom Dienst suspendiert worden.


http://www.bild.de/news/ausland/todesst ... .bild.html
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Re: Debbie Milke - 20 Jahre in der Todeszelle

Beitragvon maxikatze » Sa 16. Mär 2013, 07:28

Nicht sie muss ihre Unschuld, sondern die Ankläger müssen ihre Schuld beweisen


So sollte man meinen. Aber die Realität sieht manchmal anders aus - leider. Ganz besonders tragisch, wenn das Leben eines Angeklagten davon abhängt. Was man am o.g. Beispiel erkennen kann.

Erstaunlich ist, dass das Gericht den Aussagen des Ermittlers Glauben schenkte, der mehr als einmal nachgewiesenermaßen die Unwahrheit sagte oder bei Verhören erpresserisch und körperverletzend auf Angeklagte einwirkte um ein Geständnis abzuringen.

Ein Todesurteil, ob schuldig oder nicht, ist und bleibt Mord und gehört weltweit abgeschafft.


http://web.de/magazine/nachrichten/pano ... #.A1000311

...Die Staatsanwaltschaft in Arizona muss nun innerhalb eines Monats entscheiden, ob der Fall neu vor Gericht gehen soll. Ansonsten soll Milke nach Anordnung eines Bezirksgerichts freigelassen werden.
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Re: Debbie Milke - 20 Jahre in der Todeszelle

Beitragvon maxikatze » Sa 16. Mär 2013, 07:40

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Re: Debbie Milke - 20 Jahre in der Todeszelle

Beitragvon maxikatze » Sa 16. Mär 2013, 12:32

Aus dem Klabautermänneken habe ich einen Link von Blitz mitgezeichnet:
Ich bitte Euch, unterzeichnet:




https://www.change.org/petitions/govern ... ment#share
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