Game over

Hier soll besprochen werden, wie die künftige Entwicklung der UN im Hinblick auf zuverlässigeren internationalen Rechtsschutz einzelner Staaten und Volksgruppen aussehen könnte.

Re: Game over

Beitragvon AlexRE » Do 19. Mai 2011, 16:57

Ein Radiointerview mit einem Völkerrechts - Professor, der die Tötungsaktion für rechtswidrig hält:

http://www.br-online.de/bayern2/radiowelt/voelkerrecht-11-kw18-osama-bin-laden-ID1304403158606.xml
Der Stuttgarter OB Rommel:

Ich trete überall, wo das notwendig ist, der Meinung entgegen, der Umstand, dass die Diktatur zu allem fähig war, berechtige dazu, die Demokratie zu allem unfähig zu machen.
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Re: Game over

Beitragvon Uel » Fr 20. Mai 2011, 00:09


Im Feuilleton der Zeit Nr.40 S.49 vom 12.05.11 ist ein polemischer Artikel über diese moralische Streitfrage unter dem Titel >Im Geisterreich der Moral< von Adam Soboczynski.
Da wird diese moralische Frage auf die philosophische Ebene der Ethik gehoben. Es wird unterschieden, nach einem alten klassischen Ethikstreit in Verantwortungs- und Gesinnungsethik.

Der Gesinnungsethiker würde niemals eine Tötung akzeptieren können, da für ihn das Tötungsverbot so absolut gilt, dass eine Ausnahme nicht tolerierbar scheint.

Der Verantwortungsesthetiker würde abwägen, ob die Folgen hinreichend vorteilhaft sind, um sie verantworten zu können.

Kurz gesagt, nach 1 wäre ein Töten OBLs nicht vorstellbar, nach 2 wäre es verantwortbar!
In dem Artikel wird gegen Gesinnungsethiker als Gutmenschen polemisiert. Ethik sei in Deutschland traditionell Gesinnungsethik, das sei das berüchtigte Gutmenschentum der Deutschen.

Ich denke es gibt hier kein Entweder-Oder sondern das Sowohl- Als Auch, es gibt Problematiken die das Eine fordern als auch Konstellationen die das Andere nahelegen.

PS.: nach Definition WIKI wird Gutmensch emotionalisierend gebraucht, ich bin also vorsichtig bei Autoren die diese Vokabular verwenden und zweifle an fairen Diskussionsabsichten.
Liebe Grüße
von Uel

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Re: Game over

Beitragvon AlexRE » Fr 20. Mai 2011, 10:46

Uel hat geschrieben:Der Verantwortungsesthetiker würde abwägen, ob die Folgen hinreichend vorteilhaft sind, um sie verantworten zu können.


Das würde ich anders formulieren. Für mich bedeutet Verantwortungsethik eine Abwägung der möglichen Folgen dahingehend, ob die möglichen Nachteile verantwortbar sind.

Als Beispiel für ethisch nicht verantwortbare ethische Ansprüche der Gesinnungsethiker kopiere ich die Randziffer 135 des BVerfG - Urteils zum Luftsicherheitsgesetz hier herein. Da hat das Gericht nämlich eine Frage offen gelassen:

(4) Der Gedanke, der Einzelne sei im Interesse des Staatsganzen notfalls verpflichtet, sein Leben aufzuopfern, wenn es nur auf diese Weise möglich ist, das rechtlich verfasste Gemeinwesen vor Angriffen zu bewahren, die auf dessen Zusammenbruch und Zerstörung abzielen (so etwa Enders, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, Art. 1 Rn. 93 <Stand: Juli 2005>), führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Dabei braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen dem Grundgesetz über die mit der Notstandsverfassung geschaffenen Schutzmechanismen hinaus eine solche solidarische Einstandspflicht entnommen werden kann. Denn im Anwendungsbereich des § 14 Abs. 3 LuftSiG geht es nicht um die Abwehr von Angriffen, die auf die Beseitigung des Gemeinwesens und die Vernichtung der staatlichen Rechts- und Freiheitsordnung gerichtet sind.


Quelle: bverfg.de

Wenn die Maßlosigkeit von Gesinnungsethikern als mögliche letzte Konsequenz die Beseitigung der staatlichen Rechts- und Freiheitsordnung hinnimmt und lieber den Todfeinden der freiheitlich demokratischen Grundordnung alle staatliche Macht überlässt, als sich selbst die edlen Händchen schmutzig zu machen ("Herrenmenschen der moralischen Art"), missachtet die Gesinnungsethik das einzige Rechtsprinzip, das über dem obersten Staatsziel des Schutzes der Menschenwürde steht, nämlich den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Alle staatliche Macht Verbrechern zu überlassen bedeutet nämlich, den Geltungsanspruch aller Grundgesetzpostulate einschließlich denen des Art. 1 GG aufzuopfern, um nicht unschuldige Menschen töten zu müssen. Damit würde die Menschenwürde aller Menschen preisgegeben, auch derjenigen, deren Menschenwürde man durch das Unterlassen ihrer Tötung schützen will. Die Aufopferung des Geltungsanspruches des Rechts ist also ungeeignet, irgendein Recht einschließlich des Anspruches auf den Schutz der eigenen Menschenwürde zu schützen. Ein ungeeignetes Mittel kann aber nicht verhältnismäßig sein. Da sich dies aus den Gesetzen der Logik und damit naturrechtlichen Sphären ergibt, kann auch kein menschlicher Wille die Menschenwürde über den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erheben, selbst wenn alle Parlamente der Welt und die UNO - Vollversammlung diesen gesinnungsethischen Anspruch in Gesetzesform gießen würden. Das wäre einfach nur Unrecht mit weltweitem Machtanspruch.

Als Beispiel für Verantwortungsethik im (Kriegs-) Recht führe ich hier ein historisches Beispiel aus dem 2. Weltkrieg an:

http://de.wikipedia.org/wiki/RMS_Laconia_(1921)

Am 12. September 1942 hatten US - Bomber 6 deutsche U-Boote während einer Rettungsaktion für die Passagiere - darunter viele deutsche und italienische Kriegsgefangene, die in die USA gebracht werden sollten - der zuvor versenkten Laconia angegriffen. Dadurch kamen sehr viele Schiffbrüchige um`s Leben (auch Staatsbürger alliierter Länder), weil sie massenhaft auf die Decks der U-Boote geholt worden waren und diese alarmtauchen mussten.

Der amerikanische Bombereinsatz wird heute noch vielfach als Kriegsverbrechen angesehen. Das ist aber falsch und aus naturrechtlichen Gründen praktisch unvertretbar. Im September 1942 war der Sieg der Alliierten noch nicht gesichtert und die zu der Zeit noch sehr erfolgreichen deutschen U-Boote waren ein wichtiges Element des "worst case scenario" des totalen Sieges des Nationalsozialismus, der die absolute Negierung jeglichen Rechts bedeutet hätte.

Wenn die militärischen Sachwalter des Weltrechtsprinzips unter diesen Umständen die Chance ausgelassen hätten, 6 deutsche U-Boote zu versenken, um die Schiffbrüchigen nicht töten zu müssen, hätten sie ein Verbrechen durch Unterlassen an diesem Prinzip begangen. Aus diesem Grund halte ich die negativ besetzte Bezeichnung "Gutmensch" für Gesinnungsethiker nicht für ehrabschneidend. Im Gegenteil, für Unterlassungstäter ist das noch eine nette Bezeichnung.

Ganz anders beurteile ich den Bombenterror der Westalliierten gegen die deutsche Zivilbevölkerung. Der konnte nur solange verhältnismäßig und damit kriegsvölkerrechtlich legal sein, solange die Verantwortlichen fest überzeugt waren, dass er zur Überwindung des Nationalsozialismus notwendig war. Das war m. M. n. jedenfalls in den letzten beiden Kriegsjahren - spätestens ab Frühjahr 1944 - nicht mehr der Fall. Zu der Zeit wollten sich die Verantwortlichen in London und Washington sehr wahrscheinlich nur nicht eingestehen, dass ihr Konzept des strategischen Bombenkriegs gegen die Zivilbevölkerung feindlicher Länder falsch war, sich selbst nicht und der ganzen Welt nicht.
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Re: Game over

Beitragvon Santo » Fr 20. Mai 2011, 13:43

AlexRE hat geschrieben:
Uel hat geschrieben:Der Verantwortungsesthetiker würde abwägen, ob die Folgen hinreichend vorteilhaft sind, um sie verantworten zu können.


Das würde ich anders formulieren. Für mich bedeutet Verantwortungsethik eine Abwägung der möglichen Folgen dahingehend, ob die möglichen Nachteile verantwortbar sind.

Als Beispiel für ethisch nicht verantwortbare ethische Ansprüche der Gesinnungsethiker kopiere ich die Randziffer 135 des BVerfG - Urteils zum Luftsicherheitsgesetz hier herein. Da hat das Gericht nämlich eine Frage offen gelassen:

(4) Der Gedanke, der Einzelne sei im Interesse des Staatsganzen notfalls verpflichtet, sein Leben aufzuopfern, wenn es nur auf diese Weise möglich ist, das rechtlich verfasste Gemeinwesen vor Angriffen zu bewahren, die auf dessen Zusammenbruch und Zerstörung abzielen (so etwa Enders, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, Art. 1 Rn. 93 <Stand: Juli 2005>), führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Dabei braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen dem Grundgesetz über die mit der Notstandsverfassung geschaffenen Schutzmechanismen hinaus eine solche solidarische Einstandspflicht entnommen werden kann. Denn im Anwendungsbereich des § 14 Abs. 3 LuftSiG geht es nicht um die Abwehr von Angriffen, die auf die Beseitigung des Gemeinwesens und die Vernichtung der staatlichen Rechts- und Freiheitsordnung gerichtet sind.


Quelle: bverfg.de

Wenn die Maßlosigkeit von Gesinnungsethikern als mögliche letzte Konsequenz die Beseitigung der staatlichen Rechts- und Freiheitsordnung hinnimmt und lieber den Todfeinden der freiheitlich demokratischen Grundordnung alle staatliche Macht überlässt, als sich selbst die edlen Händchen schmutzig zu machen ("Herrenmenschen der moralischen Art"), missachtet die Gesinnungsethik das einzige Rechtsprinzip, das über dem obersten Staatsziel des Schutzes der Menschenwürde steht, nämlich den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Alle staatliche Macht Verbrechern zu überlassen bedeutet nämlich, den Geltungsanspruch aller Grundgesetzpostulate einschließlich denen des Art. 1 GG aufzuopfern, um nicht unschuldige Menschen töten zu müssen. Damit würde die Menschenwürde aller Menschen preisgegeben, auch derjenigen, deren Menschenwürde man durch das Unterlassen ihrer Tötung schützen will. Die Aufopferung des Geltungsanspruches des Rechts ist also ungeeignet, irgendein Recht einschließlich des Anspruches auf den Schutz der eigenen Menschenwürde zu schützen. Ein ungeeignetes Mittel kann aber nicht verhältnismäßig sein. Da sich dies aus den Gesetzen der Logik und damit naturrechtlichen Sphären ergibt, kann auch kein menschlicher Wille die Menschenwürde über den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erheben, selbst wenn alle Parlamente der Welt und die UNO - Vollversammlung diesen gesinnungsethischen Anspruch in Gesetzesform gießen würden. Das wäre einfach nur Unrecht mit weltweitem Machtanspruch.

Als Beispiel für Verantwortungsethik im (Kriegs-) Recht führe ich hier ein historisches Beispiel aus dem 2. Weltkrieg an:

http://de.wikipedia.org/wiki/RMS_Laconia_(1921)

Am 12. September 1942 hatten US - Bomber 6 deutsche U-Boote während einer Rettungsaktion für die Passagiere - darunter viele deutsche und italienische Kriegsgefangene, die in die USA gebracht werden sollten - der zuvor versenkten Laconia angegriffen. Dadurch kamen sehr viele Schiffbrüchige um`s Leben (auch Staatsbürger alliierter Länder), weil sie massenhaft auf die Decks der U-Boote geholt worden waren und diese alarmtauchen mussten.

Der amerikanische Bombereinsatz wird heute noch vielfach als Kriegsverbrechen angesehen. Das ist aber falsch und aus naturrechtlichen Gründen praktisch unvertretbar. Im September 1942 war der Sieg der Alliierten noch nicht gesichtert und die zu der Zeit noch sehr erfolgreichen deutschen U-Boote waren ein wichtiges Element des "worst case scenario" des totalen Sieges des Nationalsozialismus, der die absolute Negierung jeglichen Rechts bedeutet hätte.

Wenn die militärischen Sachwalter des Weltrechtsprinzips unter diesen Umständen die Chance ausgelassen hätten, 6 deutsche U-Boote zu versenken, um die Schiffbrüchigen nicht töten zu müssen, hätten sie ein Verbrechen durch Unterlassen an diesem Prinzip begangen. Aus diesem Grund halte ich die negativ besetzte Bezeichnung "Gutmensch" für Gesinnungsethiker nicht für ehrabschneidend. Im Gegenteil, für Unterlassungstäter ist das noch eine nette Bezeichnung.

Ganz anders beurteile ich den Bombenterror der Westalliierten gegen die deutsche Zivilbevölkerung. Der konnte nur solange verhältnismäßig und damit kriegsvölkerrechtlich legal sein, solange die Verantwortlichen fest überzeugt waren, dass er zur Überwindung des Nationalsozialismus notwendig war. Das war m. M. n. jedenfalls in den letzten beiden Kriegsjahren - spätestens ab Frühjahr 1944 - nicht mehr der Fall. Zu der Zeit wollten sich die Verantwortlichen in London und Washington sehr wahrscheinlich nur nicht eingestehen, dass ihr Konzept des strategischen Bombenkriegs gegen die Zivilbevölkerung feindlicher Länder falsch war, sich selbst nicht und der ganzen Welt nicht.


Das ist eine insgesamt extrem schwer zu beantwortende Frage, die sich meines Erachtens pauschal gar nicht beantworten lässt, sondern jeweils einzelfallabhängig beantwortet werden muss, um den speziellen "Eigenheiten" desselben gerecht werden zu können. Es kann nämlich durchaus so sein, dass sich die Tötung Weniger mit einem abstrakt in der Ferne liegenden Schaden eben nicht rechtfertigen lässt, wie das Beispiel aus dem zweiten Weltkrieg zeigt. Die inzidenter gelieferte Rechtfertigung, ohne die Versenkung der U-Boote hätten die Nazis möglicherweise den Krieg gewinnen können ist nicht direkt situationsbezogen viel zu abstrakt und sowohl sachlich als auch zeitlich zu weit in der Ferne liegend als dass diese in dem Fall als stichhaltige Begründung hätte dienen können.
Mit der "conditio sine qua non"-Formel (wörtlich: „Bedingung, ohne die nicht“) in der Juristerei verhält es sich bezüglich der Argumentationsnähe ähnlich. Auch dort kann man nicht bis zu Adam und Eva zurück gehen, was sicherlich im einen oder anderen Fall einer Kausalkette möglich wäre, um eine Verknüpfung zu dem damit begründeten Ergebnis zu erlangen...
Wir müssen die Veränderung sein, die wir in der Welt sehen wollen.

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Re: Game over

Beitragvon Uel » Fr 20. Mai 2011, 14:03

__________________________________________________________________________.
Uel hat geschrieben:
Der Verantwortungsesthetiker würde abwägen, ob die Folgen hinreichend vorteilhaft sind, um sie verantworten zu können.



Alex hat geschrieben:
Das würde ich anders formulieren. Für mich bedeutet Verantwortungsethik eine Abwägung der möglichen Folgen dahingehend, ob die möglichen Nachteile verantwortbar sind.


@ Alex,

hab ich so nur aufgeschnappt, aber muss zugeben dass Du die vorsichtigere Variante wählst.

Beim Gesinnungsethiker wähltest du extremste Beispiele, die können natürlich jedes Prinzip zur Prinzipienreiterei karikieren. Bei dem mich beschäftigenden Sachverhalt Gutmenschen geht es ja um andere Gewichtung: der Begriff ist ja nicht nur für extremen Gesinnungsethikern vorbehalten, er wird ja inflationär benutzt, wenn jemanden die banalen moralischen Anforderungen des Gegenübers in Misskredit bringen will, nur weil sie ihm zu hoch erscheinen. Denn erstens kann jeder leicht in irgendeinem Teilgebiet vom Verantwortungs- zum Gesinnungsethiker werden, oder ungekehrt, zweitens gibt es immer wieder Sachgebiete, wo Prinzipientreue unerlässlich und drittens wird die Diffamierung oft auf den gesamten moralischen Bereich ausgedehnt, oftmals wird dadurch darüberhinaus nur angestrebt, an sich positive Eigenschaften ins Lächerliche zu ziehen.

Ich denke, die Unterscheidung ist ehr eine akademische, und die Worte von radikal, prinzipientreu, gemäßigt, tolerant bis lax reichen an sich aus, um Positionen hinreichend zu werten.

PS.: Deute ich das philosophisch richtig, dass Du im Gegensatz zu Deiner üblichen Positionen im Fall Bin Laden >Gesinnungs- < und ich Verantwortungsethiker bin?
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Re: Game over

Beitragvon AlexRE » Fr 20. Mai 2011, 14:35

Uel hat geschrieben:PS.: Deute ich das philosophisch richtig, dass Du im Gegensatz zu Deiner üblichen Positionen im Fall Bin Laden >Gesinnungs- < und ich Verantwortungsethiker bin?


Nein, ich bin immer Verantwortungsethiker. Im Fall Bin Laden bin ich skeptisch, weil die Aktion möglicherweise unverhältnismäßig und damit rechtswidrig war. Auch unter den rechtlichen Bedingungen des Kriegsvölkerrechts darf man grundsätzlich niemanden töten, der sich ergeben will. Wenn die Amerikaner die Tötungsaktion nur deshalb der Festnahme vorgezogen haben, weil sie einen für sie unangenehmen Prozess vermeiden wollten, in dem der ehemalige Verbündete gegen die Sowjets vielleicht unangenehme Wahrheiten vorgetragen hätte, war das ganz sicher rechtswidrig.

Weil ich aber Verantwortungsethiker bin, mache ich sogar da eine Ausnahme: Wenn die Amerikaner ernstlich befürchten mussten, dass Bin Ladens Festnahme zu einer Serie schwerster Terror - Anschläge mit dem Ziel seiner Freipressung führen würde und / oder der Feind in Afghanistan durch die Festnahme und den Prozess aus irgendwelchen Gründen - z. B. starker personeller Zulauf - massiv gestärkt werden könnte, wäre die Tötungsaktion aus meiner Sicht ein legaler Akt der Kriegsführung.

Insofern bin ich sogar noch verantwortungsethischer als Du, ich habe nämlich den Vergleich mit der RAF durchaus ernst gemeint. Die personelle Schwäche und die fehlende Kontrolle über ein Territorium halte ich (letzteres gegen die herrschende Meinung der Völkerrechtler) nicht für hinreichend, um eine Kriegssituation abzulehnen. Die RAF hat sich selbst als Kriegspartei angesehen und der Bundesrepublik den Krieg erklärt. Das ist für mich maßgeblich.

Deshalb wäre für mich die von den RAF - Sympathisanten behauptete Tötung der Terroristen in Stammheim (an die ich nicht glaube) zur Meidung weiterer Flugzeugentführungen zumindest als legaler Akt der Kriegsführung diskutabel. Allerdings hätten sie die Terroristen dann auch wie Kriegsgefangene behandeln müssen.
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Re: Game over

Beitragvon AlexRE » Do 26. Mai 2011, 19:53

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Re: Game over

Beitragvon AlexRE » Fr 27. Mai 2011, 10:53

Und noch einmal "game over":

Mladic bei Verhaftung im Schlaf überrascht

Wenigstens dieser Verbrecher wird sich vor dem Internationalen Strafgerichtshof verantworten müssen. Wenn die Amerikaner Bin Laden lebend gefangengenommen hätten, wäre das jetzt trotz der Beteiligung verbündeter Staaten an dem Krieg gegen die Al Qaida und die Taliban eine Angelegenheit der nationalen amerikanischen Justiz:

Härtester Opponent des IStGH sind die USA. Die US-Regierung hat im Jahr 2000 das Statut des IStGH unterzeichnet, aber schon 2002 die völkerrechtlich unübliche, aber zulässige Rücknahme der Unterzeichnung erklärt. Bill Clinton erklärte dazu, dass er das Rom-Statut nicht ratifizieren wollte, so lange den Vereinigten Staaten keine ausreichende Möglichkeit geboten wird, den Internationalen Strafgerichtshof und dessen Funktionsweise über einen längeren Zeitraum zu überprüfen.


http://de.wikipedia.org/wiki/Internationaler_Strafgerichtshof
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Re: Game over

Beitragvon Uel » Fr 27. Mai 2011, 20:49


@ Staber,

ich sehe das ähnlich wie Alex, wieso soll sich der gesellschaftliche Fortschritt von den Langsamsten der Welt bestimmen lassen, im technischen, volkswirtschaftlichen und wissenschaftlichen Bereich machen wir das doch auch nicht. Wenn die USA meinen, moralisch abrüsten zu wollen, so ist das und wird das, wenn man die Stimmung der Länder auf der Welt sich anhört, zunehmend ihr Problem werden. In vielen Ecken der Welt haben die USA durch ihre grandiose Politik es geschafft, vom angehimmelten Vorbild in den 50ern zum heutigen Hassobjekt zu werden. Ich glaube nicht das Märchen, die USA und ihr Militär und die CIA seien gänzlich unschuldig an der Entwicklung.

Tagesschau heute aktuell: Die USA wollen weiter an Drohneneinsätzen über Pakistan festhalten und pakistanische Abgeordnete fordern die Schließung der Nachschubbasen auf pakistanischen Gebiet für den Afghanistaneinsatz. Worst case, die Einsatzkräfte in Afghanistan stehen in der labilsten Phase, dem Abzug, ohne günstige Nachschublinien da.

Uns scheint ja auch nicht der Umzug der Regierung von Bonn nach Berlin moralisch bekommen zu sein. Die alte Berliner Großmannssucht greift wieder um sich: aktuell heute im Bundestag, alle Parteien bis auf die Linkspartei sehen auf eine so >>>große Wirtschaftsmacht, wie Deutschland es ist >moralische< Verpflichtungen für internationale Einsätze zukommen<<<, dafür müsse die Bundeswehr in Zukunft ertüchtigt werden. Die spinnen, die Berliner!

Wieso begibt man sich ohne Not in solch eine Position, was sind das für Strategen? Man kann auch aus Schaden zum Vorteil lernen: nach dem 2.Weltkrieg vornehme Zurückhaltung üben, jeder muss dafür Verständnis haben, es wäre im Militärischen zunehmend eine fast neutrale Politik möglich.

Deutsche sollten in der weiten Welt nur in der Uniform der UNO auftreten, sonst hat nirgendwo ein deutscher Soldat in Konfliktgebieten >out of area< und jenseits des Bündnisfalls etwas verloren.

Wenn das der Preis der Abschaffung der Wehrpflicht sein sollte, Berufssoldaten aus Nachweisgründen ihrer Existenzberechtigung in die weite, weite Welt hinauszuschicken, dann sollten wir lieber schleunigst die Wehrpflicht wiedereinführen und uns diesen harmlosen Luxus einfach leisten. :lol:
Liebe Grüße
von Uel

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Re: Game over

Beitragvon AlexRE » Sa 28. Mai 2011, 09:46

Uel hat geschrieben:Wenn das der Preis der Abschaffung der Wehrpflicht sein sollte, Berufssoldaten aus Nachweisgründen ihrer Existenzberechtigung in die weite, weite Welt hinauszuschicken, dann sollten wir lieber schleunigst die Wehrpflicht wiedereinführen und uns diesen harmlosen Luxus einfach leisten.


Ehrlich gesagt verstehe ich nicht ganz, wieso Du die Wehrpflicht so positiv siehst. Ich empfand es schon zu der Zeit kalten Krieges, als die Wehrpflicht aus sicherheitspolitischen Gründen noch notwendig war, als eine ausgesprochene Staatsunverschämtheit, militärischem Personal einen "Erziehungsauftrag" gegenüber jungen erwachsenen Staatsbürgern zuzuweisen. Mittlerweile hat das BVerfG meine damalige Skepsis im Zusammenhang mit der Rechtsprechung zu dem "Recht auf Krankheit" auch bestätigt. Der Staat hat keine Erzieherfunktion gegenüber erwachsenen psychisch gesunden Staatsbürgern, die z. B. über eine Betreuung von Spiel- und anderen Süchtigen gegen deren Willen wahrzunehmen wäre.

Die einzigen noch verbliebenen akzeptablen Gründe für die Wehrpflicht sind zwei abstrakte Risiken: Die außenpolitische Lage könnte sich verschlechtern und eine schnelle Rückkehr zu einem Massenheer erforderlich machen und es könnten möglicherweise irgendwann in einem reinen Berufheer verfassungsfeindliche Machenschaften aufgedeckt werden (was ich nicht für wahrscheinlich halte). Diesen Risiken könnte man aber auch mit einer sehr kurzen Wehrpflicht von maximal 3 Monaten und vielen Materialeinheiten wirksam begegnen, so dass es völlig unverhältnismäßig ist, jungen Leuten zwangsweise 1 Jahr ihres Berufslebens abzuschneiden.

Völlig unakzeptabel weil verfassungswidrig ist die von manchen konservativen Politikern zu vernehmende Begründung, dass man die Wehrpflicht zum Erhalt des angeblich kostengünstigen Zivildienstes brauche, um z. B. einen Pflegenotstand zu verhindern. Das ist mit dem Wortlaut des Art. 12 GG schlichtweg unvereinbar.
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