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Schlechtere Gesundheitsversorgung durch Verwaltungskosten

BeitragVerfasst: So 22. Feb 2009, 17:17
von Santo
Wie ich soeben aus einem Protestschreiben nordrhein-westfälischer Hausärzte erfahren habe, sollen die Verwaltungskosten der Krankenkassen das gesamte Honorar deutscher Hausärzte übersteigen. Es müsste jedem klar sein, dass das nicht ohne erhebliche negative Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung der deutschen Bevölkerung bleiben kann.
Angesichts dieses in unbeschreiblicher Weise aufgeblähten Verwaltungsapparats, der schon häufig kritisiert, aber nie wirklich durchgreifend gemindert wurde, scheinen mehrere Änderungen unabdingbar, um den derzeit ungebremsten Niedergang dieses Landes in allen möglichen Lebensbereichen, zumindest in diesem günstig zu beeinflussen.

:arrow: 1. Die 'Allmacht' der Krankenkassen muss gebrochen werden. Das 'Diktat' der Vertretungen dieser Institutionen in allen möglichen Bereichen des Gesundheitssystems, häufig zum Nachteil der Patienten, ist nicht mehr hinnehmbar. Doch solange Patienten sich alles bieten und vorschreiben lassen, wird sich nichts ändern. In allen möglichen Lebensbereichen gilt die Regel, wer das Geld hat, bzw. bringt, hat das Sagen; nicht so im Gesundheitssystem. Die über die Beitragssätze zu Zahlungen Gezwungenen, also diejenigen, die das Geld liefern, haben hier gar nichts zu melden... Bezeichnend für die 'Qualität' des Systems.

:arrow: 2. Die Einkünfte der Chefetagen dieser Institutionen, insbesondere derer Vorstandsvorsitzenden muss notfalls gesetzlich festgelegt und auf einem deutlich niedrigeren Stand als heute festgeschrieben werden. Es kann angesichts der angespannten Lage des Gesundheitssystems nur als unvertretbar angesehen werden, dass Vorstandsvorsitzende gesetzlicher Krankenkassen teils deutlich mehr als 200 000 € jährlich einnehmen; von verdienen möchte ich hier nicht unbedingt sprechen. Beispiel: Der Vorstandsvorsitzende der DAK bekommt laut Meldung von krankenkassen-direkt.de aus 2004, 221.000 € pro Jahr, dessen Stellvertreter je 210 000 €. (Aktuellere Zahlen waren momentan nicht zu bekommen, es dürfte jedoch mehr als unwahrscheinlich sein, dass die Einkommen zwischenzeitlich gesunken sind...)
Quelle: http://www.krankenkassen-direkt.de/news ... s=72260160

:arrow: 3. Der Verwaltungsaufwand der Kassen muss einem alljährlichen, explizit einer Wirtschaftlichkeitprüfung unterliegenden, Monitoring unabhängiger Wirtschaftsinstitute unterzogen werden. Dieser muss die gesetzlich normierte Möglichkeit beinhalten, den Verwaltungsaufwand der Krankenkassen jeweils auf den wirtschaftlichst möglichen Stand vorzuschreiben und dessen Einhaltung konsequent durchzusetzen. Die Finanzierung dieser Aufwandsprüfung dürfte sich, zumindest teilweise, schon einmal aus oben genannten Einsparungen bestreiten lassen.

Die angesprochenen Änderungen entsprechen nur einem dringend notwendigen Minimalerfordernis; weitere müssten wahrscheinlich folgen.

Re: Schlechtere Gesundheitsversorgung durch Verwaltungskosten

BeitragVerfasst: Mo 23. Feb 2009, 21:52
von AlexRE
Santo hat geschrieben: :arrow: 3. Der Verwaltungsaufwand der Kassen muss einem alljährlichen, explizit einer Wirtschaftlichkeitprüfung unterliegenden, Monitoring unabhängiger Wirtschaftsinstitute unterzogen werden. Dieser muss die gesetzlich normierte Möglichkeit beinhalten, den Verwaltungsaufwand der Krankenkassen jeweils auf den wirtschaftlichst möglichen Stand vorzuschreiben und dessen Einhaltung konsequent durchzusetzen. Die Finanzierung dieser Aufwandsprüfung dürfte sich, zumindest teilweise, schon einmal aus oben genannten Einsparungen bestreiten lassen.

Die angesprochenen Änderungen entsprechen nur einem dringend notwendigen Minimalerfordernis; weitere müssten wahrscheinlich folgen.


Auch das wird erst praktisch umsetzbar sein, wenn sich nicht mehr ein paar Spitzenparteibuchkarrieristen diesen Staat zur Beute machen können. Die brauchen unter den derzeitigen Gegebenheiten nämlich solche das Volk auszehrenden Pfründe (Verwaltungsaufwand!) als Parkplätze für ihre ausrangierten Parteisoldaten.

Re: Schlechtere Gesundheitsversorgung durch Verwaltungskosten

BeitragVerfasst: Mo 23. Feb 2009, 21:55
von DJ_rainbow
Aber hier werden wieder mal aus egoistischen Motiven (Jammern gehört halt zum Handwerk) Äpfel mit Birnen verglichen.

Die sog. Hausärzte sind nur ein Teil der Ärzteschaft - und diese Teilmenge wird mit der Gesamtmenge aller GKVs verglichen.

Hier sollten wir aufpassen, dass wir nicht Propaganda-Vergleichen und -Relationen aufsitzen - auch wenn ich die Zahlen nicht anzweifle!

Re: Schlechtere Gesundheitsversorgung durch Verwaltungskosten

BeitragVerfasst: Di 24. Feb 2009, 17:01
von Santo
@DJ

Der Einwand ist berechtigt, Zahlen sind immer mit Vorsicht zu genießen, erst recht wenn sie von anderen kommen und zu deren Propaganda genutzt werden könnten.

Im vorliegenden Fall ist für mich das Honorar der Teilmenge des größten Teils der niedergelassenen Ärzte als Vergleichsgröße zum Wert der Krankenkassenverwaltungskosten jedoch ausreichend, um deren oftmals in den Medien angeprangerte, deutlich überzogene Höhe als kritikwürdig zu erachten. Soweit, das als "Äpfel mit Birnen zu vergleichen", würde ich nicht gehen. Bei beiden Vergleichswerten geht es um geldwerte Zahlengrößen, bei denen sich lediglich der Grund ihrer Entstehung nach Art und Anzahl unterscheidet.

Entscheidend ist hier auch nicht vorrangig die zahlenmäßige Vergleichsgröße, sondern die sich daraus ergebenden nachteiligen Wirkungen für die Patientenversorgung. Aufgrund der hohen Verwaltungskosten der Krankenkassen bleiben als Honorar und Aufwandentschädigung für die Ärzte nur geringere Möglichkeiten als bei niedrigeren derartigen Kosten. Daraus ergibt sich beinahe zwangsläufig eine schlechtere Versorgung der Patienten...

Ein praktisches Beispiel aus dem Klinikbereich, der sich von der Vorgehensweise in Fällen wie dem vorliegenden nicht grundlegend unterscheiden dürfte:
Für eine bestimmte Schulteroperation zahlen die Kassen eine Pauschale von etwa 2.500 €. Ein dabei benötigter "Kippdübel" auf höchstem medizintechnischen Stand aus Kunststoff, der sich nach etwa einem halben Jahr selbst auflöst, kostet ca. 150 €, ein solcher vorhergehender Entwicklungsreihen aus Metall, der sich nicht auflöst, nur 50 €. Verwendet der Operateur das bestmögliche Material im Sinn des Patienten, mindert er sein eigenes Einkommen und bekommt unter Umständen Stress mit der Klinikverwaltung... Die Einkommensminderung betreffend dürfte für niedergelassene Ärzte dem Grunde nach nichts anderes gelten, da meinem Kenntnisstand zufolge auch dort nur bestimmte Pauschalsätze für vorgegebene Tätigkeiten und den dafür notwendigen Aufwand gezahlt werden.

Re: Schlechtere Gesundheitsversorgung durch Verwaltungskosten

BeitragVerfasst: Di 24. Feb 2009, 18:08
von AlexRE
Santo hat geschrieben:Entscheidend ist hier auch nicht vorrangig die zahlenmäßige Vergleichsgröße, sondern die sich daraus ergebenden nachteiligen Wirkungen für die Patientenversorgung. Aufgrund der hohen Verwaltungskosten der Krankenkassen bleiben als Honorar und Aufwandentschädigung für die Ärzte nur geringere Möglichkeiten als bei niedrigeren derartigen Kosten. Daraus ergibt sich beinahe zwangsläufig eine schlechtere Versorgung der Patienten...


Dazu kommt dann noch der Verwaltungsaufwand, den die Kassenbürokratie den Ärzten selbst aufzwingt, das liegt im zweistelligen Prozentbereich der Gesamtarbeitszeit der Mediziner. Alles in Allem ist die Maßlosigkeit der Bürokratie eine der grössten Bedrohungen für die Qualität der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung.

Re: Schlechtere Gesundheitsversorgung durch Verwaltungskosten

BeitragVerfasst: Di 24. Feb 2009, 18:11
von Santo
AlexRe schrieb [...]
Dazu kommt dann noch der Verwaltungsaufwand, den die Kassenbürokratie den Ärzten selbst aufzwingt, das liegt im zweistelligen Prozentbereich der Gesamtarbeitszeit der Mediziner. Alles in Allem ist die Maßlosigkeit der Bürokratie eine der grössten Bedrohungen für die Qualität der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung.


Genau, und auch hier das praktische Beispiel zum leichteren Verständnis: Die allseits "geliebte", von den Ärzten mit unnützem Verwaltungsaufwand abzuführende, Praxisgebühr...

Re: Schlechtere Gesundheitsversorgung durch Verwaltungskosten

BeitragVerfasst: Fr 16. Apr 2010, 15:02
von maxikatze
In der Kundenzeitschrift meiner Krankenkasse wurde im 1.Quartal 2010 die Vorstandsvergütung
veröffentlicht.
Die Jahresvergütung 2009 betrug 85.725.- € einschliesslich der privaten Nutzung des Dienstwagens.
Daraus ergibt sich ein Monatseinkommen von brutto ca 7.144.- €.
Ich finde das sehr moderat, im Gegensatz zu den Gehaltszahlungen
anderer Kassen.

http://www.krankenkassen.de/ref/vorstan ... 009-bonus/

Re: Schlechtere Gesundheitsversorgung durch Verwaltungskosten

BeitragVerfasst: Sa 17. Apr 2010, 12:30
von AlexRE
maxikatze hat geschrieben:In der Kundenzeitschrift meiner Krankenkasse wurde im 1.Quartal 2010 die Vorstandsvergütung
veröffentlicht.
Die Jahresvergütung 2009 betrug 85.725.- € einschliesslich der privaten Nutzung des Dienstwagens.
Daraus ergibt sich ein Monatseinkommen von brutto ca 7.144.- €.
Ich finde das sehr moderat, im Gegensatz zu den Gehaltszahlungen
anderer Kassen.

http://www.krankenkassen.de/ref/vorstan ... 009-bonus/


Der obere und der untere Teil der verlinkten Tabelle:


Techniker Krankenkasse 270.979 EUR 270.979 EUR -8,4%
DAK 235.287 EUR 235.287 EUR 1,7%
AOK PLUS 179.500 EUR 227.380 EUR 5,9%
AOK Bayern 176.000 EUR 226.820 EUR 2,6%
SIGNAL IDUNA IKK 184.506 EUR 220.244 EUR n.m.
AOK Baden-Württemberg 170.000 EUR 210.000 EUR

(...)

BKK Schott-Rohrglas GmbH 55.250 EUR 60.850 EUR k.A.
BKK MEM 53.502 EUR 60.664 EUR 4,4%
G & V BKK 40.000 EUR 40.000 EUR 0,0%
BKK TUI 29.900 EUR 29.900 EUR -20,5%
SIGNAL IDUNA BKK 8.742 EUR 16.742 EUR n.m.
BKK Publik -
Partner der BKK Salzgitter 14.400 EUR 14.400 EUR 3,6%
BKK Kassana 11.759 EUR 13.085 EUR -80,8%
IKK Nord 12.000 EUR 12.000 EUR 0,0%
BKK sport direkt 4.150 EUR 4.150 EUR


Woraus auch immer die enormen Unterschiede sich ergeben, mit der persönlichen Leistung der Vorstände kann das nichts zu tun haben. Die ist ebenso irrelevant wie der Wettbewerb in dem Bereich simuliert ist.

Re: Schlechtere Gesundheitsversorgung durch Verwaltungskosten

BeitragVerfasst: Mo 2. Jan 2012, 14:57
von Excubitor
Folgende Nachricht vom heutigen Tag bringt diesen schon fast drei Jahre alten Strang in der Aktualität wider ganz nach oben: (Man sieht, es macht keinen Sinn auf dem Forum etwas Älteres zu löschen, da sich in diesem Land nichts zu bessern scheint und so bestens der Beleg geführt werden kann.)

"Krankenkassen verschwenden unser Geld"
viewtopic.php?f=66&t=740&p=28214#p28214

Es kann kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass dies erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung hat.

Re: Schlechtere Gesundheitsversorgung durch Verwaltungskosten

BeitragVerfasst: Di 5. Mär 2019, 09:13
von maxikatze
Alex schrieb:
mit der persönlichen Leistung der Vorstände kann das nichts zu tun haben


Das haben Boni-Zahlungen für die Vorstände der Krankenkassen auch nicht.
Wer genehmigt eigentlich diese zusätzlichen Zahlungen?

Zahlen zur Höhe der Boni standen gestern in der Bild. Habe leider keinen Link gefunden.