Die mutmaßlich rechtswidrige Macht der Krankenkassen...

Hier können Beiträge zu dem gesamten Themenkomplex von der Finanzierung des Gesundheitswesens bis zu speziellen Gesundheitsrisiken geschrieben werden.

Die mutmaßlich rechtswidrige Macht der Krankenkassen...

Beitragvon Santo » Do 5. Sep 2013, 11:44

Beitrag von Santo » Sa 1. Okt 2011, 16:45
Dieser Artikel wurde aus der Rubrik "Weitere aktuelle Beiträge" dem Gesundheitsforum zur weiteren Beobachtung der Problematik zugeordnet.

Ein Beispiel dafür wie ausgeartet die Verhältnisse in Deutschland mittlerweile sind, bietet die folgende Sachlage aus dem Gesundheitsbereich:
Mit § 20 SGB V (Sozialgesetzbuch Fünf), dem sogenannten "Präventionsparagraphen", haben die verantwortlichen Politiker den (gesetzlichen) Krankenkassen ein mutmaßlich unkontrolliertes, an Willkürpotential grenzendes Machtinstrument in die Hände gegeben, das jeder Beschreibung spottet. Dieses beinhaltet die Möglichkeit der Krankenkassenvertreter, willkürlich, ohne gesetzlich konkretisierte Vorgaben, darüber befinden zu dürfen wer mit welchen Qualifikationen die von den Kassen angebotenen Präventionskurse, beispielsweise in den Bereichen Yoga, Tai Chi Chuan, Qui Gong, etc., durchführen darf. Daran ist zunächst nichts Verwerfliches. Doch betrachtet man sich die Marktmachtposition der Kassen, so ergibt sich daraus ein einschneidender Eingriff in die Berufsauswahl- und -ausübungsfreiheit des Art. 12 GG (Grundgesetz), der so nie vorhanden sein dürfte.
Beginnen wir von vorn: Die Kassenvertreter haben sich aufgrund der Erlaubnis in der genannten Gesetzesvorschrift einen Präventionsleitfaden geschaffen, der nur für bestimmte Berufgruppen als sogenannte "Grundqualifikationen" zulässt, dass man mit diesen und mit einer zusätzlichen, weiteren Ausbildung einer ebenfalls von den Kassen vorgegebenen Länge in den genannten Präventionsfeldern, beispielsweise einer solchen als Yogalehrer, für die Kassen tätig werden darf. Konkret bedeutet das, dass zum Beispiel ein Arzt oder ein Physiotherapeut Yogalehrer für die Krankenkasse sein dürfte, ein früherer Jurist beispielsweise nicht, selbst wenn dieser eine mehrjährige(!) Ausbildung zum Yogalehrer gemacht hat. Das scheint zunächst einmal im Sinne der Kassenpatienten. Doch nur auf den ersten Blick. Wovon reden wir hier: Vom Präventions- also Vorbeugungs-, nicht vom Heilungsbereich, bei dem es darum ginge Krankheiten zu heilen. Hier geht es lediglich darum bei Gesunden eine Vorbeugung vor eventuell einmal eintretenden Problemen zu schaffen. Nach allgemeingesetzlichen Vorschriften darf das grundsätzlich jeder mit entsprechenden Kenntnissen, jedenfalls ohne dafür einer heilkundlichen Erlaubnis zu bedürfen, die erst bei Absicht und Durchführung einer heilenden Tätigkeit erforderlich würde. Schon an dieser Stelle schießen die Kassenvertreter also deutlich über das Ziel hinaus. Aber es kommt noch viel schlimmer, (oder unverschämter?).
Der Präventionsleitfaden ist an einigen Stellen schlicht lebensfremd und unrealistisch, so dass man daraus folgern könnte, dass sich mit dessen Erstellen vorwiegend Theoretiker beschäftigt haben dürften. Wieviele Ärzte kennen Sie, werte Leser, die eine zusätzliche Ausbildung als Yogalehrer gemacht haben und diesen Beruf ebenfalls ausüben? Wieviele Physiotherapeuten kennen Sie in dieser Hinsicht? Zugegeben, bei Letzteren gibt es schon einige. Diese leiden jedoch unter dem Makel, dass sich die beiden Berufe an entscheidenden Stellen sogar widersprechen und grds. nicht miteinander vereinbar sind. Während ein echter Yogalehrer einem Klienten keine Schmerzen zufügen darf, muss ein Physiotherapeut das unter Umständen bei Patienten tun, weil es sich aufgrund einer Behandlungsform nicht vermeiden lässt... (Was auch auf Ärzte zutrifft.)
Und selbst wenn ein Arzt, Physiotherapeut oder sonst ein von der Kasse zugelassener Berufsvetreter gleichzeitig Yogalehrer sein will, geht das immer auf Kosten der Qualität mindestens einer der beiden Tätigkeiten. Die Tätigkeit eines Yogalehrers ist verantwortungsvoll ausgeübt mindestens so zeitintensiv, wie die eines Physiotherapeuten oder Mediziners. Schlicht inakzeptabel ist in diesem Zusammenhang die Tätigkeit eines Hobby-Yogalehrers so nebenbei, welche selbst Mindestanforderungen nicht genügen würde. Beides, beispielsweise Arzt und Yogalehrer, nebeneinander auszuführen ginge aus fachlicher Sicht also ohnehin nicht qualitativ hochwertig. Da müsste man sich schon für eine entscheiden...
Die von den Kassenvertretern erarbeiteten engen Zulassungsvorausetzungen führen nun zu einem bereits angedeuteten grundgesetzlichen Problem. Verständlicherweise möchte heute jeder Kassenpatient wenigstens einen Teil seiner Kosten von den Kassen ersetzt bekommen, auch im Präventionsbereich. Das hat dazu geführt, dass freiberufliche, von den Kassen nicht anerkannte Yogalehrer kaum noch eigene Kunden bekommen, da letztere die Kosten selbst tragen müssten. Weiterhin hat diese Entwicklung als Ergebnis, dass solche Yogalehrer trotz guter Ausbildung und reichlich Erfahrung weder in Fitnessstudios, noch in Volkshochschulen oder ähnlichen Institutionen tätig werden können, da in diesen aus vorgenannten Gründen auch nur noch Yogalehrer mit Kassenzulassung Aufträge bekommen... Perfider Weise hat man den Yogalehrern und anderen das Leben noch weiter dadurch erschwert, dass es gar keine allgemeine Kassenzulassung gibt, sondern sich diese grds. bei jeder einzelnen der über dreihundert Krankenkassen in Deutschland um eine Zulassung bemühen müssten. (Das habe ich vom Gesamtverband der gesetzlichen Krankenkassen GKV schriftlich.) Nach alledem wird einem die Berufsausübung als gut ausgebíldeter Yogalehrer somit ohne zwingendes Erfordernis unmöglich gemacht. Das führt zu der begründeten Annahme, dass die unbegrenzte Machtbefugnis, die den Kassenvertretern mit § 20 SGB V an die Hand gegeben wurde grundgesetzwidrig sein und gegen die Freiheitsrechte des Art. 12 GG, Berufswahl- und -ausübungsfreiheit, verstoßen könnte. Einen Beruf zu wählen, den man letztlich nicht in angemessener Weise ausüben kann macht keinen Sinn, so dass beide Varianten des Schutzbereichs von Art. 12 betroffen sind.

Die Krankenkassenvertreter, unter anscheinender Vorreiterrolle der AOK (zumindest im hiesigen geographischen Bereich), nach deren Vorgehen sich andere richten, haben mit den genannten Maßgaben eine perfide Methodik angestrengt, die allein aufgrund der Machtposition der Kassen, nicht aufgrund deren angebotener Qualität, sogar gut ausgebildete, sehr erfahrene, seriös und hart arbeitende Menschen schlicht ihrer wirtschaftlichen Existenz beraubt, ohne dass dafür ein akzeptabler Grund vorläge, da diese in keinster Weise irgendein Risiko für die Volksgesundheit darstellen. Hier existiert kein fairer Wettbewerb mehr, sondern es handelt sich um ein perfide Verdrängungsmethode der Existenzvernichtung.

Ein konkretes Beispiel:
Ein Yogalehrer mit zweijähriger Ausbildung zum Yogalehrer (die, je nach Kassenvorgabe mindestens 123, bis zu 223 Ausbildungeinheiten mehr beinhaltet als von den Kassen für eine solche Ausbildung gefordert), mit mehr als 30 Jahren privater Erfahrung in unterschiedlichsten Arten der Körper- und Geistesschulung und mittlerweile fast 10 Jahren praktischer Berufserfahrung im Bereich Yoga wird von den Kassenvertretern nicht akzeptiert, nur weil er einen von diesen geforderten Beruf nicht vorher erlernt hat. Das ist schlicht inakzeptabel und belegt, dass es den Kassenvertretern nicht um die zu schützenden Menschen gehen kann, sondern um die eigene Machtausübung.

Trotz der selbsternannten Voraussetzungen der Kassenvertreter ist eindringlich darauf hinzuweisen, dass eine Kassenzulassung keinerlei Qualitätskriterium für einen Yogalehrer oder einen der anderen genannten Berufe für Präventionskurse darstellt, da von den Kassenvertretern lediglich auf Formalismen abgestellt wird und die tatsächlichen Fähigkeiten des Betreffenden, welcher zugelassen werden möchte, wie erschreckender Weise auch in vielen anderen Lebensbereichen, erfahrungsgemäß gar nicht überprüft werden. Das hat zum Ergebnis, dass im Gegenteil zu dem was man nach den Kassenwünschen oberflächlich annehmen könnte, viele von den Kassen zugelassene Yogalehrer erheblich schlechtere Qualität abliefern, als manche ihrer nicht zugelassenen Kolleginnen und Kollegen. Schon des öfteren sind Yogaschüler zu mir gekommen und haben sich über beispielsweise rüde Methoden und andere signifikante Qualitätsmängel zugelassener Yogalehrer beschwert.
Will man echte Qualität, muss man sich schon die Mühe machen und sich gründlich umschauen und prüfen und nicht einfach darauf vertrauen, was irgendwelche Krankenkassenvertreter erzählen oder in ihren bunten Prospekten anbieten...

Auffällig ist darüber hinaus, dass immer noch Yogalehrer von unterschiedlichsten Organisationen zu tausenden ausgebildet werden, ohne dass man feststellen könnte, dass man diese Menschen in ausreichender Weise auf die mangelnden wirtschaftlichen Aussichten einer solchen Ausbildung ohne die von den Krankenkassen bislang geforderten "Grundberufe" aufmerksam machen würde. Aus yogischer Sicht ist das ebenfalls inakzeptabel, weil unehrlich...
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Re: Die mutmaßlich rechtswidrige Macht der Krankenkassen...

Beitragvon Santo » Do 5. Sep 2013, 11:58

Die aktuelle Entwicklung ist wie folgt:
Anscheinend haben sich einige Krankenkassen zusammengetan, um 2014 eine Zertifizierung von Präventionskursanbietern in ihrem Sinn vorzunehmen.
Siehe mehr dazu hier:
http://www.vdek.com/presse/pressemittei ... kurse.html

Ob das tatsächlich im Sinn der gesundheitlich Beratung Suchenden ist bleibt erst einmal dahingestellt. Von der vorschnellen Annahme, das dabei vorrangig das Wohl der zu Beratenden das zentrale Interesse bildet, sollte man besser bis zu klaren und eindeutigen Informationen über Art und Vorgehensweise bei der beabsichtigten Zertifizierung absehen und sich in Zurückhaltung üben.
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Re: Die mutmaßlich rechtswidrige Macht der Krankenkassen...

Beitragvon AlexRE » Do 5. Sep 2013, 13:18

Siehe auch den Kampf unseres Admins DJ_rainbow gegen die Sozialversicherungen in Sachen elektronischer Gesundheitskarte. Dafür haben wir hier ein ganzes Unterforum:

viewforum.php?f=59

Das hier sind DJ_rainbows Homepage und sein Forum zu seinem Sozialgerichtsprozess:

http://kassenstasi-nein-danke.npage.de/

http://kassenstasi-nein-danke.forumprofi.de/index.php
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Re: Die mutmaßlich rechtswidrige Macht der Krankenkassen...

Beitragvon Excubitor » Do 5. Sep 2013, 17:18

Ich habe mir mal erlaubt den Verband der Ersatzkassen (VdEK), welcher die Pressemitteilung herausgegeben hat, anzuschreiben und um präzisere Informationen zu dem Verfahrensablauf der beabsichgtigten Zertifizierung gebeten. Da bin ich mal gespannt, wie man sich dort äußern wird. Ich werde das Verfahren genauestens unter die Lupe nehmen sowie eine sachliche Stellungnahme aus fachlicher Sicht dazu abgeben, falls ich genügend Informationen dazu erhalte, bzw recherchieren kann.

Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich bereits annehmen, dass die Kassenvertreter sich dabei möglicherweise übernehmen könnten. Das Verfahren soll von einer Zentralstelle aus erfolgen. So weit, so gut, oder auch nicht. Das Ganze ist unter der Problematik zu sehen, dass man über einen extrem großen Experten-Pool verfügen müsste, um überhaupt eine Qualitätsanalyse der vielen Präventionsmöglichkeiten und Massen von Anbietern durchführen zu können. Bleiben wir einmal allein bei den östlichen Varianten, so handelt es sich dabei um Yoga, Tai Chi Chuan, Qui Gong, und weitere, die nicht nur zur Prävention geeignet, sondern, zumindest was den Yoga betrifft, wissenschaftlich belegt, bestens einsetzbar wären. Für jedes der einsetzbaren Verfahren benötigte man einen anerkennensfähigen Expertenstab. Das bedeutet, die Fachleute müssten, um anerkennenswert zu sein, so nah wie möglich von der Quelle der "Verfahren" gelernt haben und mit so wenig wie möglich Zwischenstationen die entsprechenden Techniken qualitativ hochwertig weitergeben können. Die großen Meister des fernen Ostens, von welchen diese Verfahren stammen haben aber zumeist weder eine von den Kassen, nach Interpretation derer Vertreter gem. § 20 SGB V (Sozialgesetzbuch 5) vorausgesetzte Grundqualifikation, wie ein Medizinstudieum oder eine Physiotherapeutenausbildung, sondern sind eben "nur" Meister ihres persönlichen Fachs. UNd hier beißt sich die Katze gewaltig in den schwanz. Um zu einer qualitativ hochwertigen Überprüfung zu kommen müssten die Krankenkassen Leute anerkennen, die sie für gewöhnlich eben nicht akzeptieren, und sollten sie das tun, müssten sie auch diejenigen anerkennen, die auf dieselbe Art und Weise ausgebildet wurden, zumindest die, welche über viele Jahre Berufspraxis verfügen, sagen wir mindestens fünf, um den Kassen etwas entgegenzukommen und den Qualitätsnimbus gegenüber den Klienten hoch zu halten, deren Gesundheit grundsätzlich den Vorrang vor Gewinnmaximierungsinteressen haben muss, will man in dieser Branche seine Glaubwürdigkeit nicht verlieren....
Wie erwähnt, ich harre gespannt der Dinge und freue mich schon auf die Stellungnahme der Kassenvertreter, wenn ich meine abgegeben habe.
Zuletzt geändert von Excubitor am Do 5. Sep 2013, 18:44, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Die mutmaßlich rechtswidrige Macht der Krankenkassen...

Beitragvon AlexRE » Do 5. Sep 2013, 18:22

Excubitor hat geschrieben:deren Gesundheit grundsätzlich den Vorrang vor Gewinnmaximierungsinteressen haben muss, will man in dieser Branche seine Glaubwürdigkeit nicht verlieren....


Ich fürchte, dass unsere Krankenkassen keinen guten Ruf mehr zu verlieren haben. Abgesehen davon war Sachwaltern großer Umverteilungsmaschinerien wie unserer Sozialversicherungen bislang ihr Geld und ihre Macht noch immer wichtiger als die Menschen, derentwegen es die jeweilige Maschinerie überhaubt gab.
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Re: Die mutmaßlich rechtswidrige Macht der Krankenkassen...

Beitragvon Antje » Mi 20. Nov 2013, 13:05

Das ist doch aber ein allgemeines Problem oder? Dass der mensch nicht mehr zählt sondern nur der Wettbewerb und jedes Jahr mehr Gewinn machen zu müssen... Dass auch krankenkassen dieses System kopiert haben, ist wirklich tragisch..
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Re: Die mutmaßlich rechtswidrige Macht der Krankenkassen...

Beitragvon AlexRE » Mi 20. Nov 2013, 13:09

Antje hat geschrieben:Das ist doch aber ein allgemeines Problem oder? Dass der mensch nicht mehr zählt sondern nur der Wettbewerb und jedes Jahr mehr Gewinn machen zu müssen... Dass auch krankenkassen dieses System kopiert haben, ist wirklich tragisch..


Ich habe große Zweifel, ob die Aufgaben der Gesundheitsvorsorge mit den Funktionsprinzipien der freien Marktwirtschaft kompatibel sind. Das sieht immer mehr nach einem groben Irrweg aus.
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Re: Die mutmaßlich rechtswidrige Macht der Krankenkassen...

Beitragvon AlexRE » Di 25. Feb 2014, 18:04

Nach diesem aktuellen Urteil können Krankenkassen die Versicherten für fehlerhafte Abrechnungen von Behandlungskosten haftbar machen:

Amtsgericht München, Urteil vom 04.07.2013 - 282 C 28161/12

Arzt rechnet nicht erbrachte Leitungen ab - Prüfungspflicht von privat Versicherten

(...)

Hat der Versicherungsnehmer auch nur leicht fahrlässig nicht bemerkt, dass in der Rechnung des Arztes Behandlungen abgerechnet sind, die tatsächlich nicht erbracht wurden, kann die Versicherung die Erstattungsleistungen dafür von ihm zurückverlangen.

(...)


http://www.rechtsindex.de/versicherungsrecht/4077-ag-muenchen-282-c-28161-12-arzt-rechnet-nicht-erbrachte-leitungen-ab-pruefungspflicht-von-privat-versicherten

Wie soll denn bitte schön "leichte Fahrlässigkeit" auf der Seite des Versichterten, der im Gegensatz zu dem Arzt und dem Sachbearbeiter der Versicherung die Gebührenordnung nicht kennt und nicht kennen muss, in der Praxis aussehen?

So wird doch die Verantwortung für die Folgen systemischer Mängel von den Schädigern auf die Geschädigten verschoben.

Zielführender wäre es, den sich zu ihren Gunsten verrechnenden Ärzten auch ohne Nachweis eines vorsätzlichen Betruges hohe (Vertrags-) Strafschadensersatzzahlungen aufzubrummen, so würden die Beitragszahler und die ehrlichen Ärzte wirklich entlastet.
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Re: Die mutmaßlich rechtswidrige Macht der Krankenkassen...

Beitragvon Excubitor » Sa 3. Mai 2014, 17:50

Excubitor hat geschrieben:Ich habe mir mal erlaubt den Verband der Ersatzkassen (VdEK), welcher die Pressemitteilung herausgegeben hat, anzuschreiben und um präzisere Informationen zu dem Verfahrensablauf der beabsichgtigten Zertifizierung gebeten. Da bin ich mal gespannt, wie man sich dort äußern wird. Ich werde das Verfahren genauestens unter die Lupe nehmen sowie eine sachliche Stellungnahme aus fachlicher Sicht dazu abgeben, falls ich genügend Informationen dazu erhalte, bzw recherchieren kann.

Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich bereits annehmen, dass die Kassenvertreter sich dabei möglicherweise übernehmen könnten. Das Verfahren soll von einer Zentralstelle aus erfolgen. So weit, so gut, oder auch nicht. Das Ganze ist unter der Problematik zu sehen, dass man über einen extrem großen Experten-Pool verfügen müsste, um überhaupt eine Qualitätsanalyse der vielen Präventionsmöglichkeiten und Massen von Anbietern durchführen zu können. Bleiben wir einmal allein bei den östlichen Varianten, so handelt es sich dabei um Yoga, Tai Chi Chuan, Qui Gong, und weitere, die nicht nur zur Prävention geeignet, sondern, zumindest was den Yoga betrifft, wissenschaftlich belegt, bestens einsetzbar wären. Für jedes der einsetzbaren Verfahren benötigte man einen anerkennensfähigen Expertenstab. Das bedeutet, die Fachleute müssten, um anerkennenswert zu sein, so nah wie möglich von der Quelle der "Verfahren" gelernt haben und mit so wenig wie möglich Zwischenstationen die entsprechenden Techniken qualitativ hochwertig weitergeben können. Die großen Meister des fernen Ostens, von welchen diese Verfahren stammen haben aber zumeist weder eine von den Kassen, nach Interpretation derer Vertreter gem. § 20 SGB V (Sozialgesetzbuch 5) vorausgesetzte Grundqualifikation, wie ein Medizinstudieum oder eine Physiotherapeutenausbildung, sondern sind eben "nur" Meister ihres persönlichen Fachs. UNd hier beißt sich die Katze gewaltig in den schwanz. Um zu einer qualitativ hochwertigen Überprüfung zu kommen müssten die Krankenkassen Leute anerkennen, die sie für gewöhnlich eben nicht akzeptieren, und sollten sie das tun, müssten sie auch diejenigen anerkennen, die auf dieselbe Art und Weise ausgebildet wurden, zumindest die, welche über viele Jahre Berufspraxis verfügen, sagen wir mindestens fünf, um den Kassen etwas entgegenzukommen und den Qualitätsnimbus gegenüber den Klienten hoch zu halten, deren Gesundheit grundsätzlich den Vorrang vor Gewinnmaximierungsinteressen haben muss, will man in dieser Branche seine Glaubwürdigkeit nicht verlieren....
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Wie es nicht anders zu erwarten war, hat sich durch die Einrichtung einer Zentralstelle für die Anerkennung von Präventionskursanbietern nichts an der fehlerhaften Durchführung des verfahrens geändert. Nach wie vor gilt der meines Erachtens rechtswidrige Willkürkatalog der Krankenkassen mit sogenannten Grundqualifikationen, die deren Ansicht nach erforderlich sein sollen, um ein guter Yogalehrer oder Tai Chi - oder Qui Gong-Lehrer oder anderes zu sein. Wie gehabt geht nman dabei von einer rein theoretischen Qualifikation aus und lässt praktische Bwerufserfahrung über Jahre völlig außen vor.
Das mündet letztlich darin, dass sogar aufgrund der theoretischen Qualifikation taugliche, de facto aber nachgewiesen inkompetente Leute aus den als Grundqualifikation festgelegten Berufen Yogalehrer etc. sein dürfen, obwohl sie nicht einmal in der Grundqualifikation brauchbare praktische Leistungen nachgewiesen haben.
Zuletzt geändert von Excubitor am Mo 5. Mai 2014, 13:56, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Die mutmaßlich rechtswidrige Macht der Krankenkassen...

Beitragvon AlexRE » Sa 3. Mai 2014, 18:16

Excubitor hat geschrieben:Wie es nicht anders zu erwarten war, hat sich durch die Einrichtung einer Zentralstelle für die Anerkennung von Präventionskursanbietern nichts an der fehlerhaften Durchführung geändert.


Gleichzeitig wird die klassische Psychotherapie so kurz gehalten, dass sie ihre Aufgaben nicht erfüllen kann.

Heute auf Facebook gesehen und kommentiert:

"Deutschland ist doch eindeutig mit psychotherapeutischen Kassensitzen überversorgt. Die Bekloppten sollen sich mal zusammenreißen und mehr an die frische Luft gehen."


https://www.facebook.com/DingeDieEinPsychologiestudentNichtSagt


Überversorgt? Derzeit betragen die Wartezeiten auf allgemeinärztlich verordnete psychotherapeutische Behandlungen bis zu einem Jahr. In Einzelfällen (Drogenkranke, Suizidgefährdete usw.) kann das tödlich ausgehen.
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