Bedingungsloses Grundeinkommen

Hier wird das wirtschaftspolitische Profil für die Zeit nach der 2. Parteigründung diskutiert.

Bedingungsloses Grundeinkommen

Beitragvon AlexRE » Di 20. Jan 2009, 15:46

Zu dem auf Internetforen beliebten Thema habe ich vor einiger Zeit einen eindrucksvollen Filmbericht gefunden:

http://www.kultkino.ch/media_player_gru ... index.html

Ich bin der Idee gegenüber nach wie vor skeptisch eingestellt. Nicht nur wegen des abnehmenden Anreizes zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder Weiterentwicklung der eigenen beruflichen Möglichkeiten, sondern vor allem wegen der Subvention von arbeitsintensiven Produkten und Verfahren. Die sind in aller Regel ökonomisch veraltet. Das BGE ist somit fortschrittsfeindlich.
Der Stuttgarter OB Rommel:

Ich trete überall, wo das notwendig ist, der Meinung entgegen, der Umstand, dass die Diktatur zu allem fähig war, berechtige dazu, die Demokratie zu allem unfähig zu machen.
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Re: Bedingungsloses Grundeinkommen

Beitragvon DJ_rainbow » Mi 21. Jan 2009, 12:12

Das BGE ist nicht nur fortschrittsfeindlich, sondern - wenn es konsequent zu Ende gedacht wird - auch unsozial. Begründung folgt, diese muss ich nur aus mehreren Foren zusammensuchen.
In der Demokratie mästen sich Sozialisten in Parlamenten. Im Sozialismus hungern Demokraten in Zuchthäusern und Arbeitslagern.

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Re: Bedingungsloses Grundeinkommen

Beitragvon DJ_rainbow » Fr 23. Jan 2009, 19:55

Dann wollen wir mal ...

1. Was ist das BGE?

"Ein Bedingungsloses Grundeinkommen ist ein sozialpolitisches Finanztransfermodell, in dem jeder Bürger vom Staat eine gesetzlich festgelegte und für jeden Bürger gleiche finanzielle Zuwendung (Transferleistung) erhält, für die keine Gegenleistung erbracht werden muss. Prinzipiell identisch zum "Bürgergeld" wird das Grundeinkommen jedoch meist in einer Höhe diskutiert, die bereits ohne weitere Einkommen oder bedingte Sozialhilfe existenzsichernd wäre."

"Das bedingungslose Grundeinkommen stellt ein Einkommen für alle dar, das eine Grundlage zur Sicherung der Existenz und gesellschaftlichen Teilhabe darstellen soll, ohne dass eine sozialadministrative Bedürftigkeitsprüfung erfolgt und ohne dass eine Bereitschaft zur Arbeit gefordert wird."

(zitiert nach http://de.wikipedia.org/wiki/Bedingungs ... deinkommen)

2. Welche positiven Folgen erhofft man sich vom BGE?

2.1
Befürworter leiten das Ziel eines Bedingungslosen Grundeinkommens aus der Menschenwürde ab: Das grundgesetzliche Verbot der Zwangsarbeit werde durch den ökonomischen Zwang zur Arbeit um der Selbsterhaltung willen ausgehebelt. Die Befürworter möchten damit Freiheit für die persönliche Entfaltung des Individuums schaffen und somit neue Lebenskonzepte in sozialen und künstlerischen Bereichen ermöglichen.

2.2
Götz Werner ist der Auffassung, ein bedingungsloses Grundeinkommen würde nach den Gesetzen freier Märkte dazu führen, dass bisher schlecht bezahlte, aber notwendige Arbeit besser bezahlt werde bzw. attraktiver gestaltet werde. Für notwendige oder weithin gewünschte Arbeiten würden zwangsläufig ansprechende und lohnende Arbeitsverhältnisse geschaffen werden, und für ausreichend attraktive beziehungsweise lukrative Arbeitsangebote fänden sich im Mittel und mittelfristig immer genug Arbeitswillige.

2.3
Befürworter behaupten sehr gern, ein BGE würde zu einem dramatischen Abbau an Sozialbürokratie führen.

3. Welche negativen Folgen könnte ein BGE haben?

3.1
Das BGE soll per definitionem ja bedingungslos sein – gemeint ist (s. o.) der Verzicht auf jede Art von Bedürftigkeitsprüfung. Dies würde aber bedeuten, dass dem demagogischen Populismus Tür und Tor geöffnet wird – schließlich haben dann auch Leute, die ein BGE nicht benötigen, einen einklagbaren Anspruch darauf! Und sobald der erste dieser Gruppe sein BGE einklagt oder sobald die erste Finanzierungslücke auftaucht, geht die jetzt schon beim Kindergeld zu besichtigende Demagogie los, dass es doch unsozial wäre, wenn auch "die" ein BGE erhalten würden.

3.2
Es könnte das genaue Gegenteil von (2.2) eintreten: Ein BGE könnte die Bereitschaft zur Arbeitsaufnahme (und damit zu einem gewissen Grad an wirtschaftlicher Unabhängigkeit von Staat und Sozialbürokratie) tendentiell abnehmen lassen. Menschlich verständlich - wer würde schon für 800 EUR Vollzeit arbeiten gehen, wenn auch Nicht-Arbeiten in gleicher Höhe oder höher honoriert würde. Dies würde die Menschen aber mittel- und langfristig (wenn sie dann nämlich aufgrund der jahrelangen Entwöhnung von den Anforderungen des Arbeitslebens überhaupt nicht mehr "arbeitsmarkttauglich" sind) in existentielle Abhängigkeit vom Staat treiben. Dies dürfte ein wesentliches Motiv der BGE-Befürworter aus der Politik sein.
Es gäbe dann BGE nach Kassen- und Interessenlage - wie das gehandhabt würde, ist am Beispiel Rentenanpassung zu sehen: 2009 ist Wahljahr, also wird mit derzeit geplanten 2,75 % Rentenerhöhung das Füllhorn ausgeschüttet. Berücksichtigt man aber, dass es in 2008 nur 1,1 % waren und es davor 3 Nullrunden gab, kommt man auf 3,75 % Erhöhung in 5 Jahren bzw. 0,7 % pro Jahr.

3.3
Da ja nun der Mensch an und für sich und überhaupt aufgrund seiner evolutionären Entwicklung prinzipiell erst mal egoistisch ist und egoistisch handelt, steht folgendes zu befürchten: Die Menschen sind (siehe 3.2) nicht mehr arbeitsmarkttauglich, wollen auch nicht mehr arbeiten - aber natürlich so viel wie möglich für ihr BGE kaufen können (nennt sich ökonomisches Prinzip, 1. Semester VWL). Also werden sie den Discountern die Bude einrennen und qualitativ höherwertige und entsprechend dann teurere Güter (aus dem Biomarkt bspw.) links liegen lassen. Dies führt mittelfristig zu einer qualitativen Angebotsverarmung und zu einer quantitativen Anbieterkonzentration (Oligopole und evtl. sogar Monopole, die aber nur noch Schund zu Wucherpreisen anbieten). Dies dürfte ein wesentliches Motiv der BGE-Befürworter aus der Wirtschaft sein: Das BGE würde für einen relativ konstanten Umsatz in den Filialen der Billigheimer sorgen. Aber wenn man uns dann bspw. Gentechnik unbedingt aufdrängen will und kein Produzent und kein Anbieter von gentechnikfreien Bio-Lebensmitteln mehr am Markt sein wird, was machen wir dann?????
Denn es macht schon sehr stutzig, wenn gerade einer wie Götz Werner so etwas wie das BGE propagiert - der Chef der Billig-Drogeriekette "dm" ist mit dieser nicht so erfolgreich, weil er ausschließlich sozial denken würde! Ganz im Gegenteil - um gerade in dieser Branche im (nicht eben leichten) Wettbewerb bestehen zu können, muss man schon ein nicht mehr ganz kleines Schweinchen sein. Insofern ist auch hinter seiner BGE-Idee ein gut getarnter Egoismus zu vermuten.

3.4
Das BGE würde in sämtlichen Tarifverhandlungen (egal, ob mit Gewerkschaften oder auf einzelvertraglicher Ebene) in Löhne und Gehälter eingepreist - die Löhne und Gehälter würden also sinken, weil sie ja auf das BGE obendrauf kämen. Das allein wäre für die Beschäftigten noch nicht so tragisch (die Summe aus Arbeitsentgelt und BGE bliebe ja in etwa konstant). Es würden aber – wegen der Senkung der Lohnkosten pro Beschäftigtem - die Gesamtlohnkosten der Unternehmen sinken, die Gewinne entsprechend steigen. Kann man das sozial nennen?

3.5
Wenn man ein BGE wirklich will, braucht man ein angemessenes Einwanderungsrecht. Wenn schon ALG II einen derart hohen Zuzugs-Anreiz bietet - was soll erst werden, wenn ein BGE in Höhe von ALG II + x winkt?

4. Allgemeine konzeptionelle Kritik am BGE

4.1
Das BGE wäre der Einstieg in die umfassende Entmündigung der Bürger, ein Verrat an den Idealen der Kantschen Aufklärung - und gleichzeitig ein Riesenschritt weg von Freiheit und Selbstverantwortung, dafür ginge es wieder in Richtung Obrigkeitsstaat.

Benjamin Franklin: "Wer Freiheit aufgibt, um vermeintliche Sicherheit zu gewinnen, verdient weder Freiheit noch Sicherheit."

4.2
Im Bereich der Entwicklungshilfe verabschiedet man sich so langsam von der Gießkannen-Doktrin "Viel hilft viel" und setzt stattdessen vermehrt auf gezielte Hilfe zur Selbsthilfe.
Was man also im "Außen-Bereich" (wegen erwiesener nahezu umfassender Nutzlosigkeit sowie Verschwendungs- und Korruptionsanfälligkeit) zurückfährt, soll im "Innen-Bereich" das Allheilmittel sein?

"Wenn die Menschen Hunger haben, gib ihnen nicht nur Fisch, sondern lehre sie angeln."

4.3
Wenn man annimmt (und es bestehen gute Gründe dafür), dass (siehe 3.2) ein Teil der Menschen nicht mehr interessiert sein wird an Erwerbsarbeit, muss man fragen dürfen: Welcher Teil wird so handeln?
a) Diejenigen, die jetzt immer noch und trotz der mit Begeisterung aufgetürmten Bremsklötze versuchen, ihr Leben selbst zu meistern?
Oder:
b) Diejenigen, die jetzt schon aus Bequemlichkeit verlangen, dass der Staat ihnen alle Risiken abnimmt?

Anfälliger dürfte doch die unter b) genannte Gruppe sein - also diejenigen, die in Anlehnung an (4.2) eher Hilfe zur Selbsthilfe bräuchten.

4.4
Volkswirtschaftliche Auswirkungen sind durchaus auch zu befürchten – und die werden mit zunehmender Verfestigung der BGE-Mentalität immer gravierender: Je mehr Menschen immer mehr Geld fürs Nichtstun bekommen (das ist eine wertfreie Tatsachenbeschreibung, keine Diffamierung!), desto höher muss die sich im Umlauf befindliche Geldmenge in Relation zum Wert der hergestellten Güter / erbrachten Dienstleistungen sein, um die BGE-Ansprüche wenigstens auf dem Papier finanzieren zu können. Logische Folge bei steigender Geldmenge und sinkender erbrachter Arbeit: Inflation. Und die ist alles mögliche, aber nicht sozial.

4.5
Die gern als leuchtendes Beispiel genannte BGE-Variante in Alaska taugt nicht wirklich als Blaupause für Deutschland:
Der Alaska Permanent Fund wird aus den Gewinnen aus dem Ölgeschäft gespeist und bringt damit (böse böse!) neoliberal-verwerfliche (weil klimaschädliche) Dividende unters Volk.

Er ist also viel eher eine Art Stillhalteprämie (um Klagen gegen die Ölförderung zu vermeiden bzw. derartigen Klägern einen schweren Stand bei der Bevölkerung zu verschaffen) als ein wirklich als BGE konzipiertes und umgesetztes BGE. Es wird sich bei Ende der Ölförderung in Wohlgefallen auflösen.

4.6
Die Naivität, mit der sich die linken BGE-Befürworter mit den BGE-Verfechtern aus der Wirtschaft zusammentun, ist atemberaubend.
Bei jedem anderen Thema wird dem gesamten Polit-Zirkus aus FDP und CDU und auch Typen wie Götz W. allein wegen ihres Parteibuchs bzw. allein wegen der Art ihres Gelderwerbs nicht über den Weg getraut, es wird per se erst mal neoliberal-asoziale Hinterlist hinter all ihrem Tun und hinter all ihren Äußerungen vermutet (ob zu Recht oder zu Unrecht, ist hier nebensächlich).
Und ausgerechnet beim Thema BGE sollen die, denen ansonsten angeblich die Ideen für neue asoziale Hinterfotzigkeiten nicht ausgehen, dann seriös und ausschließlich sozial motiviert sein? Das ist wirklich mehr als naiv, das ist wirtschafts- und finanzpolitischer Analphabetismus!

Dieses war der erste Streich - und der zweite folgt alsbald.
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Re: Bedingungsloses Grundeinkommen

Beitragvon AlexRE » Sa 31. Jan 2009, 16:38

Zwischen die beiden Streiche kopiere ich aber jetzt einen Beitrag, den ich bei politik.de geschrieben habe :)


Die Programme von Althaus, den Grünen und der FDP sind assozial. Solange die Vermögen in der jetzigen Stellung verharren, solange Allgemeingut immer weiter in die Wirtschaft fliesst und dort zur Geisel der Allgemeinheit werden
- (siehe Strompreise, Netzsicherheit - Versorgung durch veraltete Strecken gefährdet
- Bahnticketerhöhungen (die lukrativen Gütertransporte/ Personenstrecken werden ausgebeutet - der Rest wird privatisiert oder stillgelegt),
- Wasser- Abwassergelder,
- die Abfallwirtschaft - Müllentsorgung (Recycelbares Material kommt in die Privatwirtschaft - die teuren Verbrennungen/ Entsorgungen zahlt der Steuerzahler),
- die Telekommunikation,
- die Entsorgung - Dekontinamierung von industriellen Altlasten
- die strukturelle Vernichtung von gesunden Betrieben durch Finanzhaie (Vermögen wird rausgezogen, Schulden verbleiben im Betriebsfluss)

Hier muss noch gewaltig viel getan werden. Leider interessiert das keinen Bürger. Vom Althausmodell bleiben dem Bedürftigen nach Abzug von Fixkosten, wenn er allein lebt höchstens 200 Euro/ eher weniger.


Was Du "assozial" nennst, nenne ich eben "neofeudal". Flattax und Finanzierung über die MwSt, das könnte den feinen Herrschaften so passen. Die Akkumulierung grösserer Vermögen würde dadurch beschleunigt, weil deren Inhaber regelmäßig ein sehr hohes Einkommen haben und nur einen kleinen Teil davon verkonsumieren müssen. Je geringer die Sparquote (bei Geringverdienern = 0), desto mehr muss der Einzelne von seinem Einkommen an MwSt bezahlen.

Die auf der linken Seite des politischen Spektrums angesiedelten Modelle sind zwar maßgeblich ESt- und Vermögenssteuer - finanziert, haben aber keine Antworten auf die Frage nach Standortrisiken im internationalen Wettbewerb.

Ich sehe einfach keine andere Möglichkeit, als durch eine volkswirtschaftlich völlig unschädliche einmalige Vermögensabgabe ein kollektives Privatvermögen zu schaffen, dessen Erträge zunächst einen Teil der Rentenlast abdecken und eine Herabsetzung der RV - Beiträge ermöglichen und dann durch ständige Aufstockung des Grundvermögens mittels einer zweckgebundenen Erbschaftssteuer in einigen Jahrzehnten hoch genug sein könnten, um ein Grundeinkommen für alle Bürger zu ermöglichen.

So ein kollektives Privatvermögen könnte noch ein zweites Problem lösen: Wenn es gegenüber individuellen Vermögen dahingehend privilegiert würde, dass nur das kollektive Privatvermögen mit der Grundversorgung der Bevölkerung befasste Unternehmen (Strom, Gas, Bahn,) besitzen dürfte, dann hätte man nicht mehr das Problem der Wahl zwischen Pest und Cholera, Staatswirtschaft und Monopol/Oligopolkapitalismus. Relativ hohe Preise in diesem Bereich würden dann gleichzeitig Erträge eines demokratisch verwalteten kollektiven Privatvermögens sein und für ein beschleunigtes Sinken der RV - Beiträge sorgen.
-----------------------------------------------------------------------------------------

Dazu noch einen Beitrag, den ich auf einem anderen Forum zu einer möglichen Anlageform des kollektiven Privatvermögens geschrieben haben, ursprünglich ging es da um die Verstaatlichung von Unternehmen der öffentlichen Grundversorgung:


Mit der öffentlichen Grundversorgung befasste Konzerne kann der Staat langfristig nicht an oligopolistischen oder (Gebiets-)monopolistischen Machenschaften hindern, egal ob die legal oder illegal sind.

Solche Wirtschaftsstrukturen sind marktwirtschaftsinkompatibel, das gilt aus anderen Gründen auch für die Pharmaindustrie.

Die zu verstaatlichen (gegen Entschädigung) ist weder kommunistisch noch sozialistisch, sondern eine notwendige Sicherung der grundgesetzlichen Wirtschafts - und Gesellschaftsordnung gegen neofeudalistische Entwicklungen. Die Gewinner des freien Wettbewerbs der Vergangenheit haben sowohl ein natürliches Interesse als auch die aus ihrem Vermögen resultierende gesellschaftliche Macht, den zukünftigen Wettbewerb - die Konkurrenz von "unten" - zu knebeln. Absolut krisenensichere, weil für die Verbraucher lebensnotwendige (= keine Nachfrageelastizität) und dann auch noch sehr ertragreiche (Monopolpreisbildung) Produkte sind für den neuen Feudalismus als Pfründenbeschaffer wie gemalt.

Bei allen schlechten Erfahrungen mit Wirtschaftsbürokraten ist bei der Grundversorgung die Staatswirtschaft bei weitem das kleinere Übel im Vergleich zu der die Fundamente des Demokratie - und Sozialstaatsprinzips bedrohenden Tendenz zum Neofeudalismus.

Denkbar wäre aber eine dritte Variante: Ein kollektives Privatvermögen zu schaffen (kein staatliches Sondervermögen!), dessen Erträge zunächst einen Teil der Renten abdecken und (viel) später ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Bürger abdecken könnten.

Den Grundstock für so ein kollektives Privatvermögen könnte eine einmalige Vermögensabgabe bilden, die nach der Wiedervereinigung von bekannten Leuten - u. a. R. v. Weizsäcker - wegen der zu erwartenden letzten hohen Folgekosten des 2. Weltkrieges (= Kosten der Wiedervereinigung) vorgeschlagen wurde.

Dieses Vermögen könnte dann durch eine zweckgebundene Erbschaftssteuer weiter aufgestockt werden, bis die Erträge zunächst eine Grundrente für alle Menschen im Rentenalter abdecken (bei sinkenden RV - Beiträgen) und später ein BGE für alle tragen können.
Der Stuttgarter OB Rommel:

Ich trete überall, wo das notwendig ist, der Meinung entgegen, der Umstand, dass die Diktatur zu allem fähig war, berechtige dazu, die Demokratie zu allem unfähig zu machen.
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Re: Bedingungsloses Grundeinkommen

Beitragvon AlexRE » Sa 31. Jan 2009, 16:40

Der Stuttgarter OB Rommel:

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Re: Bedingungsloses Grundeinkommen

Beitragvon Uel » Sa 31. Jan 2009, 16:56


Lieber DJ, lieber Alex,
ein endgültiges Urteil zum Bedingungslosen Grundeinkommen hab ich mir noch nicht gebildet. Aber auf eine interessante Vermutungen bin ich gestossen:
:D

:D Die Arbeitswelt wird event. befreit von faulen aber erfolgreich intriganten Selbstdarstellern und Karrieristen, diesen Sandkörnern im betrieblichen Getriebe. Die nicht der Sache, der Freude, des Dienstes am Menschen oder der Lösung wegen arbeiten, sondern allein um Karriere und des Geldes willen, ansonsten lieber ihre Schau auf Golf- oder Tennisplätzen abziehen. In dem BGE müssen also unbedingt einige kostenfreie Clubmitgliedschaft vorgesehen werden. :D Es könnte einen Quantensprung in den Entwicklungen geben, wenn diese nicht wirklich an Lösungen sondern an Selbstdarstellung aus ihrer Position heraus Interessierten ein weniger die Allgemeinheit behinderndes Betätigungsfeld bekämen. :D
Liebe Grüße
von Uel

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Re: Bedingungsloses Grundeinkommen

Beitragvon AlexRE » Mi 15. Apr 2009, 12:33

Uel hat geschrieben:
Lieber DJ, lieber Alex,
ein endgültiges Urteil zum Bedingungslosen Grundeinkommen hab ich mir noch nicht gebildet. Aber auf eine interessante Vermutungen bin ich gestossen:
:D

:D Die Arbeitswelt wird event. befreit von faulen aber erfolgreich intriganten Selbstdarstellern und Karrieristen, diesen Sandkörnern im betrieblichen Getriebe. Die nicht der Sache, der Freude, des Dienstes am Menschen oder der Lösung wegen arbeiten, sondern allein um Karriere und des Geldes willen, ansonsten lieber ihre Schau auf Golf- oder Tennisplätzen abziehen. In dem BGE müssen also unbedingt einige kostenfreie Clubmitgliedschaft vorgesehen werden. :D Es könnte einen Quantensprung in den Entwicklungen geben, wenn diese nicht wirklich an Lösungen sondern an Selbstdarstellung aus ihrer Position heraus Interessierten ein weniger die Allgemeinheit behinderndes Betätigungsfeld bekämen. :D



Es könnte durchaus sein, dass die Befreiung aller Menschen von dem Zwang, aus existentiellen Gründen arbeiten zu müssen, so viel mehr Menschen als bisher zur vollen Entfaltung ihrer beruflichen Möglichkeiten auf dem von ihnen selbst aus Interesse an der Sache bevorzugten Gebiet kommen würden, dass dadurch die miesen Karrieretypen verdrängt würden. Die Idee hat viele Chancen, wir stellen im Gegensatz zu den typischen BGE - Enthusiasten eben nur die Risiken und möglichen Nebenwirkungen umfassend dar. Und danach wäre so ein Experiment meiner Meinung nach in Deutschland derzeit unverantwortbar.

Die ideale Lösung auf lange Sicht ist vermutlich wirklich der Aufbau eines kollektiven Privatvermögens, desse Erträge die gesamte Bevölkerung zu Erben der Wirtschaftsleistung der vorherigen Generationen macht und den Mindestlebensbedarf für alle aus Kapitalerträgen erwirtschaftet.

Das ist bei der Minderheit der heutigen Bevölkerung ja auch schon so, die vielzitierte "Erbengeneration" besteht keineswegs nur aus Faulpelzen, kaum jemand von denen verzichtet auf jede Berufstätigkeit, weil er ein abbezahltes Mietshaus geerbt hat, das 1000 € netto einbringt. Das muss man den BGE - Befürwortern allerdings konstatieren.

Nur wäre ein kapitalgedecktes BGE völlig unschädlich für den internationalen Standortwettbewerb, sehr hohe Belastungen arbeitender Menschen - ob über ESt oder Konsumsteuer - sind in einem Exportland, in dem kaum ein Mensch mehr als zwei Autostunden von der nächsten Grenze entfernt wohnt, hinsichtlich der Standortrisiken einfach nicht darstellbar.
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Re: Bedingungsloses Grundeinkommen

Beitragvon DJ_rainbow » Mi 15. Apr 2009, 12:37

Ja, die postulierte / erhoffte Befreiung vom Zwang zurr Erwerbsarbeit zum Zwecke des Lebensunterhalt hat - als theoretisches Ziel - durchaus etwas für sich.

Es wird aber nicht - bei keinem der derzeit diskutierten BGE-Finanzierungsmodelle übrigens - dazu kommen!

Dafür sorgen die Risiken und Nebenwirkungen schon.
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Re: Bedingungsloses Grundeinkommen

Beitragvon maxikatze » Mo 4. Mai 2009, 07:26

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Re: Bedingungsloses Grundeinkommen

Beitragvon AlexRE » Di 24. Nov 2009, 13:59

Diesen Beitrag habe ich auf den Foren http://forum.derwesten.de/posting.php?mode=editpost&p=799011"der%20westen" und "speakers corner" veröffentlicht:
__________________________________________________________________________

Zu dem Thema habe ich heute erst auf dem WAZ - Portal einen Beitrag geschrieben, den kopiere ich einfach mal hierher:

Es kann natürlich nicht darum gehen, dass man die Stütze zum "Normalfall" machen möchte, nur damit ein paar Herrschaften (meist weit mehr Zeit den Webforen als der Arbeit widmende) kein schlechtes Gewissen kriegen. :idea: :lol:


Ich will jetzt einfach mal unterstellen, dass das keine billige Polemik, sondern ein ernsthafter Einwand hinsichtlich der Motivation vieler Menschen, unter BGE - Bedingungen einer Arbeit nachzugehen. Es hat Ende der 60er / Anfang der 70er Jahre in den USA Versuche mit einem BGE gegeben, die Erfahrungen scheinen die Befürchtung zu bestätigen, dass die Bereitschaft zu Vollzeitarbeit durch das staatliche Grundeinkommen nicht gerade gefördert wird:

Weitere Erfahrungen stammen aus Experimenten in den sechziger und siebziger Jahren. Damals plädierten in den USA Politiker wie Wissenschaftler unterschiedlicher Couleur für ein Grundeinkommen, neben Milton Friedman etwa sein linksorientierter Fachkollege James Tobin. In vier verschiedenen Regionen, vom ländlichen Iowa bis zur Großstadt Seattle, wurden Feldversuche gestartet. Ausgewählte Familien bekamen bis zu fünf Jahre lang ein Grundeinkommen auf Sozialhilfeniveau, zudem gab es eine Kontrollgruppe ohne Unterstützung. »Die Erwartung war, dass die Menschen trotz des Geldes mehr arbeiten würden, weil die Anreize besser sein sollten als im herkömmlichen Steuer- und Sozialsystem«, erinnert sich Gary Burtless, der als junger Wissenschaftler an dem Versuch mitwirkte und heute Professor an der Brookings Institution in Washington ist. »Aber das war die größte Überraschung: Die Menschen arbeiteten deutlich weniger.


Heute sind wir allerdings in einer Situation, in der sich viele Menschen in der Sozialhilfe "eingerichtet" haben - teilweise ganze Familien über Generationen hinweg. Für diese Menschen ist es sehr schwierig, ins Berufsleben (zurück) zu finden, ohne sich dabei finanziell zu verschlechtern und Risiken (Umzüge, Autokauf, Verschuldung) einzugehen. Die heutige Sozialhilfe hat also einen "Klebeeffekt", den das BGE nicht hätte, da kann ja jeder alles behalten, was er über seine Grundsicherung hinaus verdient, es wird nichts angerechnet. So kann man sich durch eine Arbeitsaufnahme nur verbessern. Dazu kommt noch die (erheblich!) verbesserte Chancen / Risiko - Abwägung zu Gunsten solcher Arbeitnehmer, die an der Selbständigkeit interessiert und dafür geeignet sind, aber heute mangels Sicherung ihres Existenzminimums davon abgeschreckt werden. Unter dem Strich ist also schon unabhängig von der Frage der Finanzierung nur sehr schwer abzuschätzen, wie sich das BGE unter den hiesigen gesamtwirtschaftlichen Bedingungen auswirken würde. Für eine reine "Schnapsidee" halte ich es mittlerweile allerdings nicht mehr. Das war meine Einschätzung, bevor ich mich umfassend sachkundig* gemacht habe.



*bzw. sachkundig gemacht wurde, ich habe ein kleines privates Forum, auf dem sich teilweise recht kompetente Leute (z. B. Dr. Wozniewski und Matthias Dilthey) zu dem Thema geäussert haben:

http://35828.forendienst.de/show_messag ... 549&page=1
Der Stuttgarter OB Rommel:

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