Wirtschafts - und Verfassungsfragen

Hier wird das wirtschaftspolitische Profil für die Zeit nach der 2. Parteigründung diskutiert.

Wirtschafts - und Verfassungsfragen

Beitragvon maxikatze » Mo 4. Mai 2009, 08:35

Nicht die Welt ist unser Schicksal, sondern die Wirtschaft.

Walter Rathenau
"Die größte Errungenschaft unserer freiheitlichen Kultur ist die Überwindung von Denkverboten." (Vince Ebert)
* * *
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Re: Wirtschafts - und Verfassungsfragen

Beitragvon AlexRE » Mo 4. Mai 2009, 18:37

Zu diesem Thema kopiere ich zunächst einen Beitrag von A. Krause vom Querdenkerforum hier herüber. Dort ist sehr gut herausgearbeitet, wie die wirtschaftliche Entwicklung den Gesellschaftsentwurf des Grundgesetzes konterkariert:
--------------------------------------
Wenn ich die Politische Situation analysieren sollte sehe ich drei Dinge
Staat, also Verwaltung, Regierung, Executive, Gesetze, Verordnungen
Staat als Garant eines sozialen Miteinanders, eines aufeinander Rücksicht nehmens, einer sozialen Ordnung und Gleichbehandlung
Markt, also Wirtschaft, Industrie, Konzerne, Handwerk, Arbeitsmarkt
Markt als Garant der Unterschiede, der Freiheit, des vielfältigen Angebotes
Mensch, also das Wesen, das in erster Linie den ganz individuellen Vorteil sucht, sei es in Wissen, Finanzen oder Status, das egoistische Individuum
der in zweiter Linie aber auch Sozial ist und die Vorteile einer sozialen Gemeinschaft zu schätzen weiss.


Daraus ergeben sich wesendliche Widersprüche:
Der Markt definiert sich darüber die Freiheit zu haben mehr zu besitzen der Staat definiert sich über die Gleichbehandlung aller und
der Mensch kann weder ohne eine gewisse Freiheit noch ohne eine gewisse Gleichheit leben.
Nur wenn Staat und Markt in Harmonie sind, ist auch der Mensch zufrieden. Derzeit ist er es nicht, deswegen wird viel diskutiert.

Deutschland hat ein inzwischen erhebliches Ungleichgewicht
zwischen Staat und Markt. Das lässt sich deutlich anhand der
Staatsverschuldung ab 1982/83 nachweisen.

- zuwenig Staat im Bereich von Marktbeherrschenden Unternehmen, Monopolen und Superreichen, Abschaffung von Vermögenssteuer, Ausstieg aus den Tarifvereinbarungen, gekaufte Gewerkschaften, schlechte Verbraucherkontrollen durch Kürzung von Personal, Raubbau an Unis, Krankenhäusern, Kultur- und Kindereinrichtungen, Aushöhlung und Unterwanderung von Recht und Gesetz z.b. Patentrechten, Urheberrechten usw.

- zuviel Staat im Bereich von Kleinunternehmern, Handwerkern oder auch beim sogenannten Mittelstand und erst recht bei den Ärmsten der Armen. Unverhältnismässiges Polizeiaufgebot bei Demonstrationen, Einschränkungen von Freiheitsrechten wie BKA-Gesetz, Überwachung der Bevölkerung, Kriminalisierung von Kleinstvergehen wie die private Kopie

- Zuviel Markt haben wir in Bereichen die eigentlich zum Staat gehören, d.h. Infrastruktur, Regierung, Gesetze. Volksvertreter sitzen in Aufsichtsräten, Staatssekretäre kommen direkt aus der Managementebene von Konzernen usw. Der Einfluss von monopolistischen Unternehmen auf die Regierung, Gesetzgebung und Gesetzdurchsetzung steigt.

- Zuwenig Markt haben wir dagegen in Discounter und Ladenketten wie Schlecker und Ikea, Medien, Grundversorgern wie Strom, Wasser, Gas, Festnetztelefon und Handynetze sowie Bergbau, Pharmamedizin und Agrarchemie, Zucker, Biokraftstoffe, Lebensmittel usw.
Die Konzentration zu monopolistischen Superkonzernen schreitet immer schneller vorran. Von einer Liberalisierung kann keine Rede sein, wenn Netze und Speicher die Abhängigkeiten nicht auflösen. Konzerne diktieren den Markt, Biopiraterie durch Patentierung von Leben, Genetischer Code ganzer Kulturpflanzen und Nutztiere in der Hand weniger.

Die Folge, die Preise steigen für Abnehmer, Kleinunternehmer verlieren ihre Existenzen und die Vielfalt des Angebotes (nicht dessen Farbenpracht und Lautstärke) nimmt immer weiter ab. Preisabsprachen
und Verbraucherskandale werden zur Gewohnheit, die Plünderung des Volkes zieht immer weitere Kreise und immer mehr Menschen in den Abgrund. Der Staat privatisiert seine Macht und verarmt immer weiter,
was letztendlich wieder auf die Bevölkerung umgelegt wird.
Monopole verflechten immer enger mit Staatsbeamten und Regierung.
Sie schreiben inzwischen die Vorlagen für Gesetze. Der Staat ignoriert
den Widerspruch im Volk, er zementiert seine Macht durch immer neue Gesetze. Die Überwachung von Konsument und Bürger führen zur massiven Einschränkung der persönlichen Freiheit und der Bürger braucht einen Rechtsanwalt um sein eigenes Gesetz zu verstehen.
Der Bürger verabschiedet sich von seinem eigenem Staat,
weil der ihn nicht mehr dient.

Um eine Harmonisierung zwischen Staat und Markt zu schaffen muss:
da wo zuviel Staat ist, muss weniger Staat hin z.B. durch
Abschaffung von Überregulierung, Kontrollen und Verordnungen bei Kleinunternehmern, Handwerkern, Häuslebauern, Gartenbesitzern, privater Viehhaltung, Arbeitern und Arbeitslosen, spezielle Bildungsangebote fördern (Spezialfächer, Lehrmethoden, Praxisbezug,Waldorf, Privatunis, Kindergärten, Vorschulen), Steuersystem vereinfachen, Kontrollen in Gehsteignutzung, Hundehaltung, EU-Normung, Kontrollpersonal in Argen abbauen, Vereinfachung und Reduzierung von Verordnungen, Reduzierung von "spezialisierten" Experten im Regierungsmandat (Ausschußwesen).
Beamtenspielraum deutlich ausweiten (z.b. durch mehr Kannbestimmungen und einer Art Menschlichkeitsfaktor)
da wo zuwenig Staat ist, muss mehr Staat hin z.B. durch Personalaufstockung bei den Kontrollinstanzen die das Gleichgewicht am Markt überwachen sollen, Verschärfung der Kontrollen im Bereich Wirtschaftskriminalität (Werbezeiten, Lockangebote, Gesundheitsversprechen), existenzbedrohende Strafen für Großunternehmen, massive Grenzen für jegliche wirtschaftliche Interessen bei Abgeordneten durch Vorstandsposten, keine "lukrativen" Vorträge mehr für Volksvertreter, keine Mandate von Großunternehmern, Transparenzausbau innerhalb der Regierung, Bildung und grundsätzliches Lehrniveau (Hauptfächer) bundesweit vereinheitlichen, z.b.
Lehrpersonal aufstocken, Existenzminimum mind. auf kulturellen Teilhabe aufstocken, bessere Anschubfinanzierung von Handwerkern und Kleinunternehmen, Bedingungsloses Grundeinkommen zur Freiheitlichen Wahl von Arbeitsplatz und zur Minderung von Abhängigkeitsverhältnissen, Gefahrengrenzen vereinheitlichen z.b. Definition von Kampfhunden oder Haustiersteuersatz, einheitliche Regeln zum Seuchenschutz, zu Impfungen, bundesweiter Zeckenbekämpfungsplan, Transparenz des Staates durch Direktwahl, Volksbefragung vereinfachen, Volksentscheide ins Grundgesetz
Kontrollinstanz zur Durchsetzung der Gleichberechtigung, Aufweichung von Firmengeheimnis und Preiskalkulation als Schutz vor Überführung, massive Kontrolle von Werbung (z.b. Überziehung der Werbeblöcke, Pharmawerbung als Redaktionsartikel getarnt, falsche Werbeversprechen)
Durchsetzung von Kinder- und Jugendschutz und den Schutz der Kreativen Entfaltung gegen Abmahnung von Hobbykreativen, Förderung und Absicherung von Forschung, Kunst und Kultur ohne automatisierte Urheberrechtsübertragungen, Patent- und Markenmonopol u.ä.
usw...
da wo zuviel Markt ist muss weniger Markt hin z.b. Kein Rekruting mehr von Staatsbeamten aus Monopolunternehmen, keine Bedienungsmentalität, persönliche Konsequenzen bei grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Fehlentscheidungen (Fördergeldgräbern), Subventionsabschaffung für Großempfänger von Subventionsgeldern
da wo zuwenig Markt ist muss mehr Markt hin z.b. durch Rück- oder Nachforderung ehemaliger Treuhandobjekte, Rückzahlung von Fördergeldern bei offensichtlicher Vertragsverletzung (Belegschaftsübernahme dann Outsourcing und Personalabbau)
Zerschlagung von Marktbeherrschenden Unternehmen z.b. Bahnnetz, Telefonnetz, Gasnetz, Stromnetz, Wasser, Müll, Lebensmittel, Discounter, Medien auch durch indirekte Haftung der Hauptabnehmer (Monopole, Pharmariesen, Banken), Beweislastumkehr bei Genkontamination,
existenzielle Strafen bis zum Unternehmerbankrott (Strafen könnten dann bis zur Verstaatlichung ganzer Teilbereiche wie Werke, Speicher oder
Netzen aber auch Patenten und Urheberrechten führen)
Konsequente Strafen für Manager und Vorstandsrat und Führungsebene bei Großkonzernen, Verbot von Aktienbonus für Managementebene


Das sind natürlich nur einige Anregungen was man machen könnte....

Die Sicherung von Arbeitsplätzen, die Privatisierungen, die Treuhand die eine ganze Wirtschaftszone kolonialisiert hat, der Solibeitrag der aus den Taschen der Privaten in die Taschen der Reichen fliesst, die angebliche Energielücke die nur eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten begründen soll, die Gesundheitsreform als Schutz vor explodierenden Gesundheitskosten, die Riester- und Rürup-Zusatzrentenversicherung die man nachher bei der Rente wieder abzieht, die Agenda 2010 und die Knüpfung von Gas und Biosprit an Rohölpreise wie auch die Einführung gentechnisch veränderten Nutzpflanzen als Saatgut und in Lebensmitteln, die angeblichen Wirtschaftsexperten in der Regierung, das Austauschprogramm zwischen Konzernen und Regierung, der EU-Vertrag ohne Volksabstimmung, die Terrorbekämpfung von (bisher nicht stattgefundenen) Anschlägen, das BKA-Gesetz mit dem Bundestrojaner, die totale Überregulierung von Kleinstunternehmertum und die unglaublich hohen Patent- Marken- und Musterschutzgebühren die Kleinerfinder abschrecken, das Entsendegesetz und die Freigabe des Arbeitsmarktes zu polnischen Gehältern, die Arbeitnehmerverleih-Industrie mit ihren Mini- Midi- und unbezahlten Praktikumjobs das Schmarotzertum von Arbeitslosen um Zwangsarbeit zu legalisieren, all das ist gewollt und wurde den Bürgern als unbedingt notwendig verkauft, vorrausgesetzt er erfuhr das überhaupt.
Und nun haben wir den Salatkohl....

5 Mio Menschen haben schon 2005 demonstriert, nicht eine ihrer Forderungen wurde bis heute diskutiert, berücksichtigt oder gar erfüllt.
Ein Bürger wollte die Hundesteuer abschaffen, 15.000 Menschen haben unterschrieben, das wurde als unzulässig abgelehnt. 50.000 Widersprüche gegen Hartz IV-Bescheide alleine im letzten Quartal in Brandenburg, kein Thema - sind ja sowieso nur besoffene Mütter die ihre Kinder vernachlässigen und um die Ecke bringen. Über 25 Lebensmittelskandale in den letzten Jahren von Sektpanscherei bis Schimmelkäse,
2006 in einem Monat über 150 Tonnen Gammelfleisch in Bayern, 2007 gings weiter mit dem Gammelfleisch made in Bayern,
2008 Fruchtdrinks in denen nicht ein Früchtchen drin ist, statt strikte Lebensmittelampel werden 30 Mio für die Werbekampagne "Deutschland in Form" verschwendet, tolle Arbeit Unilever klebt bestimmt schon fleissig Plakate. Schult man seine Kinder von Köln nach München ein werden sie erstmal zurückgestuft, weil doch in Bayern alle schlauer sind, als wären Kölner Kinder dümmer! Überhaupt, Latein scheint wichtiger als Schwimmunterricht zu sein, einige Schulen bringen es gerade noch auf 2 Unterrichtsstunden in 13 Jahren, Gott sei Dank gibts keine Pisastudie zum Thema Schwimmen sonst saufen uns die Kids da auch noch ab.
Pfälzer Dorfknödel werden im sächsischen Dummerchendorf als Volksvertreter für den Bundestag auf(an)gestellt, gesehen hat die da noch keiner und in Berlin verliert ne Frau ihren eigenen Blumenladen weil sie von der Bahn über den Tisch gezogen wurde, nachweislich ein Justizirrtum der angeblich nicht korrigiert werden kann, der RA der Bahn ist Bundestags-
abgeordneter, ab nächstes Jahr wird er wohl in den Vorstand wechseln, soviel Lobbyarbeit lohnt sich nämlich. Und das Friedrich März mit seinen dutzend Vorstandsjobs überhaupt noch Zeit für den Bundestag hat, na ich bezweifle das mal, ich kenne Leute die haben nur 2 Jobs und sind abends völlig erledigt. Na und Schäuble ist ja mein Liebling, der hat mehr für die Deutsche Einheit getan als wir alle wollten und gleich ganz Deutschland mit seinen Ideen begeistert. Aber dafür hat Heiligendamm ne Stadtmauer bekommen, ne Infrastrukturmaßnahme?

Und da plappert das Merkel in ihrem aktuellem Podcast von blühenden Landschaften? Will uns Kohls Mädchen verkohlen ? Der Unterschied zwischen Ruhrpott und Oderbruch liegt nur in der Höhe der Ruinen,
aber politisch gesehen hat sich seit 18 Jahren nichtmal das Vokabular geändert.

Das Ziel:
Die soziale Verantwortung bei Großkonzernen und Machtinhabern nachdrücklich einfordern und die Verpflechtung von Staat und Markt
komplett zu beenden. Den Einfluss der Bevölkerung auf den Staat
muss erheblich stärker werden.
Das Mandat in der Regierung wieder als Ehrenamt im Dienste des Volkes
und zum Schutz der Vielfalt zu sehen. Die Existenzberechtigung des Staates zum Schutz und im Dienst der Bürger transparent und demokratisch wiederherstellen.
Nicht der Bürger sondern überwiegend die Wirtschaft versorgt den Staat mit dem notwendigen Kapital zur Ausführung seiner Pflichten gegenüber dem Bürger. Dafür engagiert sich der Bürger bei der Wirtschaft indem er für sie günstig arbeitet und ihre Produkte kauft. Er ist ein treuer Konsument der die Vielfalt des Marktes liebt.

Die möglichen Folgen:
Zerschlagung von Monopolen, Reprivatisierung/Verstaatlichung von Grundversorgungsleistungen zur Durchsetzung sozialer Einsichten.
Abschaffung unsozialer Arbeitsverhältnisse auch durch Aufhebung von Marktbeherrschung und damit ggf. auch Mehrung des Staatskapitals welches zur Absenkung von Steuer- oder Haushaltsbelastungen.
Ankurbelung des Binnenmarktes und Förderung des Kleinunternehmertums.

Die Durchsetzung:
Um dieses überhaupt harmonisieren zu wollen muss es definitiv auch in
der Verfassung stehen, unzwar ohne das es gleich wieder von Lobbyisten aufgeweicht werden kann.
Viele Kontrollinstanzen sind eigentlich schon da, aber statt sich um die Großen zu kümmern, hängen sie lauter kleine Fische. Ihr Auftrag muss sich daher direkt von der Verfassung her ableiten lassen und der heisst nicht die Kleinen tot zu regulieren, sondern die Großen massiv zu kontrollieren.
Hier wird nicht im Kleinen betrogen sondern es geht um Milliarden die man dem Volk vorsätzlich "entnimmt", weil jegliche soziale Verantwortung abhanden gekommen ist.

Fazit:
Wenn man einen Verfassungsentwurf schreiben will, muss er:
für alle Menschen mittlerer Intelligenz absolut eindeutig verständlich sein, ohne das er einen RA braucht und er sollte diese Verständlichkeit
auch für alle weiteren Gesetze und Verordnungen festschreiben
er muss die Harmonisierung von Staat und Markt als Ziel beinhalten
indem er Vielfalt und Freiheit für unten fördert und die beherrschenden Macht- und Marktkonzentrationen für oben sozial zerkleinert.
er muss den Bürger existenziell schützen, das beinhaltet nicht nur den Schutz von Körper und Seele sondern auch den Schutz seiner finanziellen Existenz und seiner alltäglichen individuellen Freiheit, Kreativität und Kultur
er muss den Staat als das betrachten was er ist - ein Monopol das vom Volk selbst geschaffen wurde, vom Volk akzeptiert und über (und nicht reicher als) ihm, als regelnde soziale Kraft gestellt wurde. Deswegen sollten wir Bürger den Staat und seine Gesetze selbst und direkt wählen.
Daher muss dieses Monopol für das Volk zugänglich, transparent und beeinflussbar bleiben, aber auch vor dem profitgierigen Markt geschützt werden. Es ist ein Ehrenamt, keine Karriereleiter in dem man automatisch nach oben getreten wird, kein Selbstbedienungsladen für Machtbesessene
und kein Kuhhandel für Großkonzerne, kein vergoldetes Rednerpult, keine Werbefläche für Kunden der eigenen Kanzlei und kein Kohlelager für Paulus-Jünger.



So das wars...
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Ich trete überall, wo das notwendig ist, der Meinung entgegen, der Umstand, dass die Diktatur zu allem fähig war, berechtige dazu, die Demokratie zu allem unfähig zu machen.
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Re: Wirtschafts - und Verfassungsfragen

Beitragvon AlexRE » Mo 4. Mai 2009, 18:39

Hier ein interessanter Beitrag unseres Freundes Hyper vom web.de - Forum. Es geht um die Bedeutung unseres Artikel 146 GG - Themas für die wirtschafliche Entwicklung in der Zukunft. Der Beitrag ist eine Antwort auf die oft zu lesende These, dass man Wirtschaft und Politik personell entflechten müsse:

***********************************************

Das ist ohnehin Grundvoraussetzung Nr. 1 für eine weitgehende Verbesserung der ökonomischen Situation.

Es geht dabei aber schon um die verfassungsrechtlichen Grundsatzfragen, mit denen ich mich regelmäßig beschäftige. Wenn man das wirklich erreichen - d. h. erzwingen - will, dann müssen die Machtverhältnisse hierzulande grundsätzlich neu geklärt werden. Damit sind wir wieder bei dem Artikel 146 und dem seit 1990 nicht wahrgenommenen Recht des deutschen Volkssouveräns auf eine in freier Selbstbestimmung beschlossene Verfassung. Das Grundgesetz ist in wesentlichen Zügen immer noch die Notlösung von 1949 - geeignet für den Wiederaufbau eines zerstörten Landes, weil völlig offene Märkte aller Art von selbst Chancengleichheit bewirken - aber nicht geeignet für die dauerhafte Fortschreibung der hochrangigen Grundrechtsgüter wie Demokratie, Rechtsstaats - und Sozialstaatsprinzip. Die muss man nämlich bei erschlossenen Märkten und verteilten Pfründen immer wieder neu durchsetzen. Dafür ist das Grundgesetz nicht geeignet, das kann jeder sehen, der sich kein X für ein U vormachen lässt.

Hier ist übrigens mal die Definition dessen, was eine echte Verfassung ausmacht, nämlich der Volkssouverän als einzig legitimer Verfassungsschöpfer:

http://de.wikipedia.org/wiki/Pouvoir_constituant

Artikel 146 GG ist also letztendlich nur eine deklaratorische Aussage, die Alleinherrschaft einer kleinen Gruppe Parteibuchkarrieristen und ihrer Seilschafter in der Wirtschaft ohne Legitimation durch eine echte verfassungsgebende Versammlung wäre auch ohne diese Norm (Artikel 146) Ausdruck einer grob defekten Demokratie.
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Re: Wirtschafts - und Verfassungsfragen

Beitragvon AlexRE » Mo 4. Mai 2009, 18:40

"Beim Himmel, der weiß nicht, was er sündigt, der den Staat zur Sittenschule machen will. Immerhin hat das den Staat zur Hölle gemacht, dass ihn der Mensch zu seinem Himmel machen wollte. Die rauhe Hülse um den Kern des Lebens und nichts weiter ist der Staat. Er ist die Mauer um den Garten menschlicher Früchte und Blumen. Aber was hilft die Mauer um den Garten, wo der Boden dürre liegt. Da hilft der Regen vom Himmel allein" (Friedrich Hölderlin, Hyperion, Brief 7).

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Re: Wirtschafts - und Verfassungsfragen

Beitragvon AlexRE » Mo 4. Mai 2009, 18:42

noch ein Beitrag von Hyper zu den Konsequenzen einer schwachen Verfassungsordnung für die wirtschaftliche Entwicklung, die Antwort auf eine Behauptung eines anderen Teilnehmers (kursiv geschrieben):
**********************************************

Die Erfahrung hat gezeigt, dass das System Sozialismus von einem Großteil der darin lebenden Menschen schnell missbraucht wird, sodaß er real nicht umsetzbar ist. Leider wollen oder können Einige nicht aus der Vergangenheit lernen

Man kann sowohl aus Fehlern der Vergangenheit als auch aus Erfolgen lernen. Die freie UND soziale Marktwirtschaft hat einige Jahrzehnte lang einen permaneten Wohlstandszuwachs für alle Menschen gebracht und den sozialen Frieden gesichert.

Warum jetzt ein blindwütiger Grabenkrieg zwischen freiheitlich und sozial? Dabei werden beide Elemente zu Grunde gehen, ohne die soziale Komponente werden wir keine neoliberale, sondern eine neofeudale Gesellschaft erhalten. Die Gewinner des Wettbewerbs in der Vergangenheit nutzen ihr Geld und ihre gesellschaftliche Macht nämlich aus, den freien Wettbewerb in der Zukunft zu unterbinden, wenn der Staat diese Freiheit nicht verteidigt. Die sind ja alle schon Sieger und können sich nur verschlechtern, wenn sie sich auf Dauer gegen Konkurrenz von unten wehren müssen.

Die wichtigsten Instrumente für das Fortschreiben und Vererben des eigenen Siegerstatus sind legale und illegale Kartelle, Monopole, Oligopole (Konzentration allen Geldes und der wirtschaftlichen Spielräume auf wenige) UND Bildungsprivilegien für den Nachwuchs der aktuellen Gewinner.

Genau das, was wir derzeit überall in Europa und der Welt beobachten können.
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Re: Wirtschafts - und Verfassungsfragen

Beitragvon Uel » Mi 21. Feb 2018, 11:44

Hier mal ein Beitrag, der die gegenwärtige Schieflage in den Strukturen der Volkswirtschaft auf den Punkt bringt und wesentliche Dinge auflistet: https://www.heise.de/tp/features/Die-Dreifaltigkeit-der-Tributoekonomie-3927880.html

Prinzipiell dürfte das Meiste den hier Kundigen bekannt sein, doch das Ausmass hat vielleicht nicht jeder auf dem Schirm, welche Branchen alle dabei sind, obwohl die Auflistung sicherlich nicht erschöpfend ist:

- Erdöl-/Gas-/Kohle-Industrie 500 Milliarden $/Jahr;
- Autoindustrie 59 Milliarden €/Jahr in D aus ungedeckten Kosten jenseits autorelevanten Steuern ;
- Luftverkehrsbranche ohne Kraftstoffsteuer, aus Klimaschutzabkommen ausgespart, Rettungskosten für marode Fluglinien, staatliche Unterhaltskosten für Flughäfen;
- Bankensektor u. Versicherungen 60 Milliarden für Bankenrettung nur in D, 206 Milliarden für Banken im Zusammenhang mit Griechenland;
- Zentalbanksysteme USA/EU/Jap pumpen ) Billionen $ in Märkte, um sie zu "stabilisieren";
- IT-Branche, brachte kaum ein einziges Produktteil heraus, dessen Erforschung nicht öffentlich gefördert wurde ;
- Pharma-Branche, USA 30 Milliarden $/Jahr;
- High-Tech-Strategie, Förderung in D 27 Milliarden für das Progamm, aber fast nur an Großindustrie;
- Chemie-Industrie 1,6 Milliarden €/Jahr allein in D wegen Befreiung von "Erneuerbare Energie Gesetz"
- Atomindustrie; 200 Milliarden € gesamt, ohne Stilllegungskosten
- Rüstung mit 1,5 Billionen $ pro Jahr an staatlichen Rüstungsausgaben;
- Landwirtschaft, 50 Milliarden €/Jahr in der EU an Subventionen
- Steuervermeidung mittels Steuer-Oasen;
- Kosten durch Investitionsschutzabkommen;
- Rückfluss von Entwicklungshilfen an Großkonzerne;
- versteckte Subventionen in ÖPPs;
- Teilprivatisierung des deutschen Rentensystems

und das ist bestimmt noch nicht alles, was der Bürger über den Umweg Staat an die Großkonzern-Wirtschaft bezahlt, damit sie fett bleibt und wachsen kann. Denn der kleine Unternehmer wird kaum die Mittel haben, an diese Töpfe zu kommen, wenn sie nicht allgemeingültig sind wie Steuervorteile etc..

Es wäre ja zu dulden, wenn es zu einer stabilen kleinteiligen krisensicheren Wirtschaftsstruktur führen würde. Aber durch maßlose Bevorteilung der Großen erschafft man das Gegenteil, eine labile Großstruktur und Konzentrationen (too big to fail), die durch Wenige ausgenommen werden können und die Macht sich damit in den Händen immer weniger werdende Spieler konzentriert. Es scheint so, als ob die Wirtschafts- und Staatseliten das Buch "Warum Nationen scheitern" von Acemoglu/Robinson gelesen hätten und alle Elemente, die zum Scheitern führen können auch tatsächlich anwenden.
Liebe Grüße
von Uel

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Re: Wirtschafts - und Verfassungsfragen

Beitragvon Uel » So 10. Feb 2019, 19:05

Endlich haben IT-Kundige dafür gesorgt, dass die Handelsregister das leisten, wofür sie vorgesehen sind. Dass solch schon seit einiger Zeit vorgesehenes Mehr an Transparenz in Deutschland gescheitert ist, ist dieser Quelle zufolge der Lobby-Wühlarbeit des Verbandes der Familienunternehmer und der persönlichen Entscheidung der "Schwarzen Null", Herrn Scheuble zu verdanken. Quelle: https://www.heise.de/newsticker/meldung/Open-Corporates-Millionen-deutsche-Unternehmensdaten-durchsuchbar-gemacht-4299287.html
Liebe Grüße
von Uel

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